Netzpolitischer Wochenrückblick KW 49: Erst gefiltert und dann nicht mehr verlinkt

Das BKA knackt Telegram-Accounts, Merkel ist gegen Datensparsamkeit und die Ablehnung des Uni-Rahmenvertrags könnte auch positive Effekte haben. Es gibt also viel zu lesen, doch wer bis zum Ende durchhält wird mit einer Überraschung belohnt.

Foto: Ariana Prestes

Unseren netzpolitischen Wochenrückblick verschicken wir auch als Newsletter, in den man sich hier eintragen kann.

Abo-Falle beim Surfen mit dem Smartphone

Jeder achte deutsche Mobilfunkkunde soll bereits Opfer unzulässiger Abrechnungen geworden sein: Meist verursacht durch den Besuch einer betrügerischen Website oder einen unbedachten Klick beim Surfen mit dem Smartphone. Die Bundesregierung diskutiert daher mögliche Lösungsansätze die „Manipulationsmöglichkeiten bei der Zahlungsauslösung effektiv zu verhindern“, ohne das „unkomplizierte Geschäftsmodell des mobilen Bezahlens“ kaputtzumachen.
Mobilcom Debitel und Aldi Talk führen dabei wohl die Liste der Mobilfunkanbieter an, bei denen sich die meisten Kunden über unerwartete Abrechnungen beschweren.

Verein für Heimat und Brauchtum im Internet

In einem Interview haben wir uns mit dem Journalisten Dirk von Gehlen über die Notwendigkeit eines Heimat- und Brauchtumsvereins unterhalten. Der Verein soll die Interessen von denjenigen vertreten, die im „Internet zu Hause“ sind und digitale Kultur schätzen. Der Schwerpunkt soll dabei auf netzkultureller Pflege liegen, also zum Beispiel auf der Bewahrung von Memes, Mashups oder Remixen. Bis zum Jahresende 2017 möchte Gehlen 1000 Unterstützer für seine Idee gewinnen und so eine Stimme für „digitale Volkskultur“ schaffen. Gehlen: „Im Heimatverein wird man Mitglied, weil man die Kultur des Digitalen liebt“.

UN diskutiert über Killer-Roboter

In der kommenden Woche sprechen die Vereinten Nationen über das Verbot von autonomen Waffensystemen. Ziel ist, das Verbot oder zumindest das Eindämmen bestimmter Waffenarten zu erreichen, die unnötiges oder unvertretbares Leiden sowohl für Zivilisten als auch für Soldaten verursachen.
Menschenrechtsorganisationen setzen sich im Rahmen einer Kampagne dafür ein, den Einsatz autonomer Tötungsroboter zu verhindern. Die Überarbeitung der UN-Konvention „Convention on Conventional Weapons“ soll solche „Killer Robots“, die eigenständig Entscheidungen über Leben und Tod treffen, aus dem Verkehr ziehen, ehe sie sich weiter verbreiten.

Foto: Siyan Ren
Foto: Siyan Ren

EU will Polizei und Geheimdiensten Türe zur Cloud öffnen

Die Europäische Union will den Zugang von Polizei und Geheimdiensten auf die Server von Internetanbietern erleichtern. So steht es in einem Positionspapier der EU-Kommission zur Erlangung „elektronischer Beweismittel“, das diese Woche auf dem Ratstreffen der europäischen Innen- und JustizministerInnen diskutiert wurde. Zur Debatte steht, die Behörden zu Direktanfragen bei den Firmen zu ermächtigen. In Deutschland läuft der polizeiliche Rechtshilfeverkehr mit ausländischen Stellen über das Bundeskriminalamt.

BKA knackte Telegram-Unterhaltungen

Das BKA liest jetzt auch Telegram: Laut einem Medienbericht verfügt das BKA wohl schon seit zwei Jahren über eine selbst entwickelte Software, die ihr es erlaubt unverschlüsselte Nachrichten des Messengerdienstes zu lesen. Juristen und Politiker äußerten erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens. Sie sehen das Knacken der Accounts nicht durch die Strafprozessordnung (StPO) gedeckt. Das BKA hat diesen Weg wohl eingeschlagen, weil der Dienst Telegram als nicht sehr kooperationswillig mit Behörden gilt.

Studie zu Menschenrechten und Verschlüsselung vorgestellt

Die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) stellte diese Woche die Studie „Menschenrechte und Verschlüsselung“ vor. Die beiden beschreiben in dieser Studie Verschlüsselung als notwendiges Mittel, um den Schutz von Menschenrechten im Internet konsequent umzusetzen. Die Studie beinhaltet 28 Empfehlungen an den Gesetzgeber, die Zivilgesellschaft und den privaten Sektor, die den Schutz der Menschenrechte besser gewährleisten soll.

Wähler-Targeting bald auch in Deutschland?

Ob Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl wirklich durch zielgerichtete Wahlwerbung gewonnen hat, ist unklar. Für helle Aufregung hat ein Bericht zu Thema aber allemal gesorgt. Wir haben nachgefragt, ob auch hierzulande Parteien Targeting für den kommenden Wahlkampf nutzen möchten – ohne klares Ergebnis. CDU, CSU, SPD, Linke, Grüne und FDP haben uns geschrieben, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt antworten könnten. Die AfD hat noch nicht geantwortet und die Piratenpartei lehnt Wähler-Targeting rundweg ab.

Foto: William Iven
Foto: William Iven

Vernetztes Kinderspielzeug birgt Gefahren

Der europäische Verbraucherschutzverband BEUC meldete bei den vernetzen Kinderspielzeugen „My Friend Cayla“ und „i-Que“, massive Probleme hinsichtlich Datenschutz und Privatsphäre. Demnach stimmt man bei der Nutzung der Spielzeuge unter anderem zu, dass alle Audioaufnahmen, die von den Spielzeugen gemacht werden, an die amerikanische Firma „Nuance Communications“ gesendet und an Dritte weitergegeben werden können. Die vernetzten Spielzeuge können mithilfe einer App ins Internet gehen, um Fragen von Kindern zu beantworten.

Merkel gegen Datensparsamkeit

In ihrer Rede beim CDU-Parteitag betont Angela Merkel ihr Vorhaben, statt auf Datensparsamkeit künftig auf Datenreichtum zu setzen. Auch die technische Überwachung staatlicherseits müsse ausgebaut werden. In deutlichen Worten verabschiedet sich Merkel von den Prinzipien der Datensparsamkeit und der Zweckbindung, die seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1983 und dem damit etablierten Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eine wichtige Grundlage aller rechtlichen Regeln im Umgang mit Daten über Menschen geworden sind.

Upload-Filter bei Facebook, Twitter und Co

Facebook, Twitter, Microsoft und YouTube werden künftig in einer gemeinsamen Datenbank digitale „Fingerabdrücke“ von gewaltverherrlichenden Terrorbildern sowie terroristischen Rekrutierungsvideos und Bildern speichern und untereinander austauschen. Die Plattformen reagieren damit auf die Kritik, zu wenig gegen die Verbreitung von „terroristischen“ und „radikalisierenden“ Inhalten in ihren Netzwerken zu unternehmen. Der Austausch soll die Verbreitung von Propaganda erschweren, kommt aber einer privatisierten Rechtsdurchsetzung und intransparenter Zensur durch die Unternehmen gleich.

Was passiert mit den Wissenschaftsverlagen 2017?

Was würde passieren, wenn man den „Müllabfuhr-Streik-Test“ auf Wissenschaftsverlage anwendet? Also von heute auf morgen: Kein Zugriff auf wissenschaftliche Artikel des größten Wissenschaftsverlags Elsevier in der Forschung und keine Texte für Studierende auf Online-Lehrplattformen in der Lehre? Laut James Heathers würde der Streik der Wissenschaftsverlage spätestens nach zwei Tagen als Gelegenheit für die Neugestaltung eines kaputten Publikationssystems erkannt werden. Den Fortbestand des Wissenschaftssystems, den Austausch und die Qualitätssicherung von Forschungsergebnissen sieht Heather dadurch nicht im Geringsten gefährdet.

Foto: Divide Cantelli
Foto: Divide Cantelli

Internet 2016: Links setzen wird gefährlich

Im September hatte der EuGH entschieden, dass bereits das bloße Verlinken auf online zugängliche Inhalte eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann. Ein Beschluss des LG Hamburg stützt sich auf dieses Urteil und lässt erstmals erahnen, welch ein Flurschaden mit dem EuGH-Urteil verbunden sein könnte. Demnach kommt es bei gewerblich-kommerzieller Nutzung nicht darauf an, ob der Linksetzer wusste, dass das verlinkte Bild rechtswidrig zugänglich gemacht worden war.

Datenschutz bei Fitness-Apps mangelhaft

Eine Prüfung durch Aufsichtsbehörden zeigt: Apps und Wearables im Gesundheits- und Fitnessbereich haben erhebliche Mängel beim Datenschutz. Konkret kritisieren die Datenschützer unzureichende Nutzerinformationen, gesetzeswidrige Datenweitergabe an Dritte und mangelhafte Lösch- und Widerspruchsmöglichkeiten. Nach Auskunft der Datenschützer sind die geprüften Apps mehr als 30 Millionen mal heruntergeladen worden und machen damit etwa 70 Prozent des Marktes aus.

Quelle: televandalist.com
Quelle: televandalist.com

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

7 Ergänzungen

  1. Washington (dpa) – Donald Trump kommuniziert nach einem Medienbericht nach wie vor komplett unverschlüsselt und ungesichert auch mit Staatsoberhäuptern und fremden Regierungen. Wie „Politico“ berichtet, nutzt der designierte US-Präsident für seine Gespräche bisher keinerlei Infrastruktur, die dafür von der Regierung vorgesehen ist. … Auf diese Weise sei es gut möglich, dass Trumps Gespräche von interessierter Seite abgehört würden.

    He has nothing to hide … not even his brain.

  2. Das Bild ganz oben hat Symbolwirkung, zeigt es doch bei näherer Betrachtung skurrile Details. Hat da ein Schaf eine Antenne oder tragen andere eine Wünschelrute?

    Das Ensemble jedoch ist Sinnbild jener nützlichen Idioten, mit denen man machen kann, was man will. Man kann sie nicht nur lächerlich darstellen, sondern auch quälen, missbrauchen, letztendlich werden sie alle geschoren und bezahlen mit ihrem Leben zur Befriedigung von Ausbeutung, Lust und Gier. Und das alles in unschuldig schöner Landschaft.

    Und ja, selbstverständlich hat das mit „Social Media“, mobilen Endgeräten und dem „guten Hirten“, den man nicht sieht, überhaaaauptnüscht zu tun …

  3. Ich glaube, dass netzpolitik.org, zusammen mit heise.news, den Unterschied macht:
    es gelingt der Politik nicht mehr unbeobachtet, Recht zu beugen, weil diese beiden Redaktionen unmittelbar Transparenz schaffen.
    Deshalb werde ich in der nächsten Woche am Donnerstag ( Untersuchungsausschuss ) zuerst hier danach suchen, wie es beim BGH weitergegangen ist ?
    Es gibt vom Kölner Stadtanzeiger einen Artikel, wonach erst im März 2017 (?) eine Beschwerde-Antwort des BGH zu erwarten ist ? Deshalb habe ich den BGH angeschrieben, aber ich erwarte nicht, dass er jemandem wie mir antwortet. Ich habe auch eine Bundestags-Petition eröffnet, den 1.U.A. zu verlängern, bis der BGH-Entscheid und die damit verbundene Zeugenfrage abgearbeitet sein werden – wie das ausgehen wird, vermuten wir wohl alle gleich.
    Für mich hängt vom dt. Zeugenschutzangebot an Edward Snowden aber nach wie vor ab, ob wir noch ein ( wenigstens darum bemühter ) Rechtsstaat sind – oder nicht !!! Für mich ist ganz unverständlich, warum es darüber so wenig Berichterstattung gibt: mindestens alle, die die „Charta der digitalen Grundrechte der EU“ mitunterzeichnet haben vor kurzem, müssten doch aufstehen, und um Edward’s Zeugenschutz kämpfen ???
    Danke vorab für Aufmerksamkeit in Richtung BGH.

    http://www.ksta.de/politik/snowden-vernehmung-union-und-spd-legen-beschwerde-beim-bundesgerichtshof-ein-25206120

    1. Die Antwort des BGH für mich lautet:
      „Angaben zu einem Verfahrensende können grundsätzlich nicht abgegeben werden.“

    2. Die Antwort des Petitionsausschusses an mich lautet:
      „Der Petitionsausschuss hat weder die Möglichkeit, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu verlangen noch die Handhabe, auf die Arbeit oder – wie von Ihnen gewünscht – auf eine eventuelle zeitliche Verlängerung dieses Untersuchungsausschusses Einfluss zu nehmen. Diese Beschlussfassung bleibt den Abgeordneten des Deutschen Bundestages vorbehalten“ „Ich … sehe Ihre Petitionsangelegenheit – vorbehaltlich Ihrer Rückäußerung – als abschließend beantwortet an“.

  4. Jeder Cent, der dem Fiskus vorenthalten wird, fehlt bei den staatlichen Ausgaben im sozialen Bereich, aber auch beim Erhalt der Infrastruktur. Wer sich durch Steuerbetrug einen SUV leisten kann fährt über Schlaglöcher lächelnd hinweg.

    Obwohl es sich um einen „Milliardenmarkt“ handele, habe der Bund im Jahr 2013 gerade einmal 28 Millionen Euro verbucht. „Daran sehen wir: Das Internet ist eine Steueroase“, sagte der Behördenchef des Bundesrechnungshofs.

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/bundesrechnungshof-nennt-internet-steueroase-a-1125442.html

    1. Oxfam veröffentlichte unter der Überschrift „Steuerkämpfe“ den Bericht mit einer Liste von 15 Ländern, die Unternehmen demnach zur Steuerumgehung verhelfen.

      1. Bermuda,
      2. Cayman-Inseln,
      3. Niederlande,
      4. Schweiz,
      5. Singapur,
      6. Irland,
      7. Luxemburg,
      8. Curaçao,
      9. Hongkong,
      10. Zypern,
      11. Bahamas,
      12. Jersey,
      13. Barbados,
      14. Mauritius,
      15. Britische Jungferninseln.

      Diese Länder würden arme Staaten jährlich um Einnahmen von mindestens 100 Milliarden US-Dollar (rund 95 Mrd. Euro) bringen. Das wäre laut Oxfam genug, um den 124 Millionen Mädchen und Jungen, die nicht zur Schule gingen, Bildung zu bieten, und jedes Jahr den Tod von sechs Millionen Kindern durch medizinische Versorgung zu verhindern.

      https://www.oxfam.org/en/pressroom/pressreleases/2016-12-12/worlds-worst-corporate-tax-havens-exposed-oxfam-report-reveals

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.