Mit großer Mehrheit hat das Europäische Parlament heute dem sogenannten „Umbrella Agreement“ zwischen Europäischer Union und den USA zugestimmt. Dabei handelt es sich um ein Abkommen (pdf) zum Datenschutz beim Austausch personenbezogener Daten zwischen Polizei und Justiz für Strafverfolgungszwecke. Es regelt, unter welchen Bedingungen Behörden Daten weitergeben dürfen, darunter Namen, Adressen und Vorstrafen.
Keine Höchstspeicherfristen
Allerdings ist unklar formuliert, wann die Daten wieder gelöscht werden müssen. Das Abkommen enthält keine festgeschriebenen Speicherfristen, sondern lediglich die unscharfe Formulierung, dass Daten so lange gespeichert werden dürfen, wie es „notwendig oder angemessen“ erscheint.
Mit dem sechs Jahre lang verhandelten Abkommen gelten erstmals die gleichen Regeln für Behörden auf beiden Seiten des Atlantiks. Neu ist ebenso, dass EU-Bürger die Möglichkeit erhalten, unter bestimmten Auflagen Einblick in ihre in den USA gespeicherten Daten zu bekommen und dieses Recht notfalls vor US-Gerichten einklagen zu können. Davon ausgenommen sind Fälle, bei denen die „öffentliche und nationale Sicherheit“ betroffen ist.
Für das Abkommen stimmten 481 Abgeordnete, 75 waren dagegen und 88 Parlamentarier enthielten sich. Anträge von Liberalen und Linken, das Abkommen durch den Europäischen Gerichtshof auf seine Vereinbarkeit mit europäischen Verträgen überprüfen zu lassen, wurden abgelehnt.
Strittig bleibt jedoch, ob die europäischen Datenschutzstandards auch in den USA eingehalten werden. Věra Jourová, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung, erklärte zwar nach der Abstimmung in einer Mitteilung:
Dieses historische Abkommen führt hohe Datenschutz-Standards für die Transatlantische Kooperation von Ermittlungsbehörden ein. (…) Das „Umbrella Agreement“ wird sicherstellen, dass der Austausch von persönlichen Daten, wie Strafregistereinträgen, Namen oder Adressen durch strenge Datenschutzregeln geregelt ist.
Cornelia Ernst: Formulierungen sind zu vage
Das sieht die deutsche EU-Parlamentarierin Cornelia Ernst von der Linksfraktion GUE/NL anders. Sie äußert Zweifel, dass das Abkommen den Anforderungen der EU-Grundrechtecharta entspricht. Personenbezogene Daten seien nicht im nötigen Maße geschützt, sagte Ernst.
In Bezug auf die Kernbestimmungen (zum Beispiel Einschränkung des Verwendungszwecks, Eingrenzung der Weiterübermittlung) sind die Formulierungen zu vage gehalten. Außerdem ist eine universelle Klagemöglichkeit bei Missbrauch nicht ausreichend gegeben.
Digitale Gesellschaft: Abkommen ist „verantwortungslos“
Alexander Sander von der Digitalen Gesellschaft spricht angesichts der „faktisch wirkungslosen Garantien für die Grundrechte“ von „verantwortungslosem“ Handeln. Das Europäische Parlament habe es zum wiederholten Male versäumt, konkrete Bestimmungen für einen effektiven transatlantischen Daten- und Rechtsschutz festzulegen. Der Bürgerrechtler kritisiert:
In der nun beschlossenen Fassung enthält das Abkommen weder konkrete Speicherfristen, noch klare Bedingungen für die Verwendung und Weitergabe der Daten durch US-Behörden. Der Text verlangt lediglich in allgemeiner Form, dass die Aufbewahrung und Nutzung der Daten notwendig und angemessen sein muss.
Außerdem würde Menschen, die zwar in der EU leben, aber keine EU-Staatsbürgerschaft haben, nicht die gleichen Rechte gegenüber den US-amerikanischen Behörden garantiert, bemängelte die Digitale Gesellschaft weiter:
Die ohnehin löchrigen, mit umfangreichen pauschalen Ausnahmen für den Bereich der inneren Sicherheit versehenen Rechtsschutzgarantien gelten zudem nur für Bürgerinnen und Bürger der EU. Menschen, die lediglich in der EU ansässig sind, ohne eine Unionsbürgerschaft zu besitzen, sind bei Datenschutzverstößen durch US-Stellen faktisch rechtlos gestellt.
Jan Philipp Albrecht: Datenschutz auf neuem Niveau
Nach Meinung von Jan Philipp Albrecht, Berichterstatter sowie innen- und justizpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion, bekommt der transatlantische Datenschutz mit dem Abkommen jedoch endlich „eine klare Kontur“:
Nach sechs Jahren Verhandlungen heben wir den Datenschutz mit den USA auf ein neues Niveau. Die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger sind besser geschützt, als mit der simplen gegenseitigen Anerkennung bestehender niedriger Standards. Mit dem Abkommen schlagen wir einen neuen Weg zu transatlantisch verbindlichen, hohen Standards für den Schutz der Grundrechte ein.
Damit das Abkommen in Kraft treten kann, fehlt jetzt nur noch die formale Zustimmung des Ministerrats. Diese gilt als sicher.
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