Das EU-Parlament fordert von der EU-Kommission mehr Transparenz bei den Verhandlungen des Trade in Services Agreements (TiSA). In der vergangene Woche verabschiedeten Resolution pochen die Abgeordneten zudem auf besseren Daten- und Verbraucherschutz. Bereits 2013 hatte das Parlament einen Entschluss zu den Verhandlungen verabschiedet, welcher nun deutlich erweitert wurde.
Das Abkommen wird seit April 2013 zwischen der EU-Kommission und vielen weiteren Staaten verhandelt und soll größtmögliche Freiheit im Handel von Dienstleistungen bringen. Rund 70% der weltweit gehandelten Dienstleistungen kommen aus den etwa 50 beteiligten Staaten. Der Resolution nach soll nun auch China an den Verhandlungen beteiligt werden.
Nach Abschluss der Verhandlungen muss das Parlament noch über das Abkommen abstimmen. Die EU-Kommission sollte sich also weitestgehend an die Vorgaben halten, damit das Abkommen nicht am Ende vom Parlament abgelehnt wird. Die Vorgaben der Resolution sind jedoch nicht bindend, was Grüne und Linke im EU-Parlament kritisierten. Ihnen gehen die Vorgaben nicht weit genug. Die Grünen hatten gefordert, dass die Kommission ihr Verhandlungsmandat an die Kritik des EU-Parlaments anpasst und, dass die Zustimmung des Parlaments über das Abkommen an die Forderungen gebunden wird. Die Abgeordnete der Grünen/EFA, Ska Keller, bezeichnete die Resolution als verpasste Chance, auf die Kommission Druck auszuüben und dafür zu sorgen, dass die Forderungen umgesetzt werden:
Das Europäischen Parlament hat eine große Chance verpasst, der EU-Kommission die gelbe Karte für die TiSA-Verhandlungen zu zeigen. Zwar enthält die Resolution gute Punkte wie zum Beispiel eine Forderung nach dem Ausschluss der Daseinsfürsorge, wie Gesundheits- und Wasserversorgung, von den Verhandlungen. Aber das hilft nicht viel, wenn die EU-Kommission das Parlament ignoriert.
Die Grünen/EFA-Fraktion hat sich deshalb dafür eingesetzt, die EU-Kommission explizit dazu aufzufordern, das Verhandlungsmandat entsprechend der Parlamentskritik zu ändern und die endgültige Zustimmung des Europäischen Parlaments an die Erfüllung der Kriterien zu binden. Die Mehrheit im EU-Parlament hat dem nicht zugestimmt. Damit fehlen den Forderungen der Abgeordneten die Zähne. Sie bleiben ohne Konsequenzen.
Die Forderungen – mehr Transparenz, besserer Datenschutz
Bisher fanden die Verhandlungen über das Abkommen geheim statt, ähnlich wie bei den Verhandlungen des viel kritisierten TTIP-Abkommens. Zur Herstellung der Transparenz soll die EU-Kommission nun Informationsblätter veröffentlichen und über die laufenden Verhandlungen berichten:
The EU Commission should provide fact sheets for the public, explaining each part of the agreement, and also publish factual round-by-round feedback reports on the Europa website.
Bezüglich des Datenschutzes fordern die EU-Parlamentarier, dass für Daten von EU-Bürgern aktuelle und zukünftige Datenschutzbestimmungen der EU gelten sollen, unabhängig davon, wer die Daten wo speichert. Dem Entschluss nach sind die EU-Datenschutzbestimmungen und das Recht auf Privatsphäre keine Handelsbarrieren, sondern Grundrechte, weshalb sie nicht Teil der Verhandlungen sein könnten.
Die „Blue Lines“ und „Red Lines“ der Resolution
Die Forderungen in der Resolution sind in „Blue-“ und „Red Lines“ eingeteilt. Die „Blue Lines“ sind Vorgaben des Parlaments zur Angleichung des Wettbewerbs, zur Sicherstellung des Verbraucherschutzes und zur Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen. Generell sei der Wettbewerb in der EU offener als im EU-Ausland, weshalb das Parlament fordert, dass Benachteiligungen von EU-Firmen im EU-Ausland angeglichen werden sollen. Zudem sollen die bürokratischen Hürden verringert werden, vor allem um kleine und mittlere Unternehmen nicht zu benachteiligen.
Mit den „Red Lines“ legt das EU-Parlament fest, welche Bereiche von dem Abkommen unangetastet bleiben sollen, also die „no-go areas“, die das Abkommen nicht anrühren darf. Dazu zählen beispielsweise die Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsysteme sowie die nationalen Regelungen der Rundfunkmärkte. Zudem sollen die lokalen und nationalen Gesetzgeber berechtigt bleiben, Änderungen an Gesetzen vorzunehmen, die die Regelungen des Abkommens betreffen würden. Aber auch der Ausstieg aus dem Abkommen soll möglich sein, genauso wie die Verstaatlichung von Wirtschaftsbereichen, die von dem Abkommen geregelt wären.
Insbesondere die Frage um Schiedsgerichte ist interessant:
Konzerne klagen, wir zahlen: Wie Schiedsgerichte den Rechtsstaat aushebeln
unter
https://vimeo.com/154157017
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Im Namen des Volkes urteilen sie nicht. Im Gegenteil: Sie tagen hinter verschlossenen Türen. Sie verurteilen Staaten zu Strafen in Milliardenhöhe. Konzerne verklagen mit ihrer Hilfe Regierungen, wenn sie ihre Geschäfte bedroht sehen. Und zahlen – müssen wir.
Schiedsgerichte – eine Bedrohung?
Schiedsgerichte gelten vielen als große Bedrohung in den geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA – den Verträgen der EU mit den USA und Kanada. Zu Recht? Noch sind die Abkommen nicht unterzeichnet. Doch Schiedsgerichtsverfahren sind bereits heute weltweit in tausenden Verträgen verbindlich verankert. Und kein anderes Land hat in so vielen Verträgen private Schiedsgerichte zugelassen wie Deutschland. Mit welchen Folgen? Autor Michael Wech geht in dieser Dokumentation konkreten Fällen nach und stellt fest: Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt ist rund um die Schiedsgerichtsverfahren eine boomende, private Justizindustrie entstanden. Schiedsgerichte sind längst zu einem Geschäftsmodell geworden. Bei dem die Konzerne die Gewinner sind – und souveräne Staaten und deren Bürger die Verlierer.
Vattenfall klagt wegen Ausstieg aus der Atomkraft
Als am 12. März um 8:36 Uhr das Atomkraftwerk in Fukushima explodiert ist die Welt so nah an einem Atomunfall wie nie zuvor. Zehntausende Bürger gehen in Deutschland auf die Straße, um für den Ausstieg aus der Atomenergie zu demonstrieren. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel entscheidet tatsächlich: Aus für die Atomkraft in Deutschland. Der Energiekonzern Vattenfall klagt vor einem internationalen Schiedsgericht: 4,7 Milliarden Euro will er vom deutschen Staat als Entschädigung für entgangene Gewinne. „Die muss der deutsche Steuerzahler tragen. Die Bürger müssen für die Entscheidung, die ihre Regierung getroffen hat, und die die Meinung aller widerspiegelt, zahlen.“ Verfassungsrechtler Markus Krajewski sieht darin eine Bedrohung für die Demokratie….
Vier Bemerkungen zu Markus Krajewski und seiner Meinung über die Schiedsgerichte :
1. Professor Markus Krajewski ist nicht Verfassungsrechtler, sondern Medienwissenschaftler. Seine Kompetenz in Verfassungsrechtsfragen ist begrenzt.
2. Schadensersatzprozesse gegen die Bundesrepublik Deutschland sind nicht an internationale Schiedsgerichte gebunden. Wegen des Atomausstiegs haben die Vatenfall-Konkurrenten EON und RWE vor ordentlichen deutschen Gerichten gegen die Bundesrepublik mit ähnlicher Begründung Klagen eingereicht. Nur Vattenfall als schwedischer Konzern hat vor einem internationalen Schiedsgericht geklagt. Über keine der Klagen ist bisher entschieden worden.
3. in einem Rechtsstaat ist es normal, dass natürliche und juristische Personen (etwa Aktiengesllschaften, die die Interessen vieler Aktionäre vertreten) den Staat wegen behaupteter Verletzung ihrer Rechte verklagen können. Dadurch wird die Demokratie nicht gefährdet. Es kommt darauf an, wie in der Sache entschieden wird. Das steht in allen Atomausstiegsfällen aus. 4. Natürlich sind demokratisch (von den Parlamenten, nicht von den Regierungen) beschlossene Gesetze für die Zukunft zu beachten. Jedoch kann auch eine demokratisch gewählte Mehrheit nicht bestehende Rechte Einzelner oder einzelner juristischer Personen einschließlich des damit vebundenen Vertrauensschutzes ersatzlos aufheben. Der Rechtsstaat gilt nicht nur für die Mehrheit, sondern auch für Minderheiten und für jeden Einzelnen. Hierum geht es bei Vattenfall wie bei EON und RWE.