In der aktuellen Debatte um die Kooperation von Facebook mit Ermittlungsbehörden klingt es so, als seien die Auskunftsersuchen so kompliziert zu stellen, dass eine Strafverfolgung nur sehr schwer möglich sei. Dabei haben deutsche Strafverfolger allerspätestens seit Oktober 2012 Zugriff auf Facebooks „Law Enforcement Online Requests“, ein Portal, das unter facebook.com/records erreichbar ist.
Zur Nutzung dieses Portals gibt es offen im Netz stehende Richtlinien, in denen die juristischen Anforderungen an ein Auskunftsersuchen definiert sind. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass deutsche Ermittlungsbehörden schon lange eigene Handlungsanweisungen angefertigt haben, in denen das Prozedere genau beschrieben ist. Diesen Schluss legt zumindest der fast vier Jahre alte Blogpost von Thomas Stadler nahe. Stadler bekam im Herbst 2012 eine solche Anleitung des LKA Hessen zu Gesicht.
Einblick: Inoffizielles Handbuch aus den USA veröffentlicht
Einblicke in das Online-Formular bietet das Inoffizielle Handbuch des Sacramento Sheriff’s Department für Facebooks Strafverfolgungsportal, das der District Sentinel gerade veröffentlichte.
In dem 31 Seiten starken Handbuch wird genau beschrieben, wie das Portal funktioniert. Strafverfolger müssen sich mit ihrer amtlichen Mailadresse anmelden und Facebook eine Durchwahl sowie die Dienstausweisnummer bereitstellen.
Im Portal selbst können die Beamten richterliche Beschlüsse und Verfahrensunterlagen hochladen, den gewünschten Account zur Beweissicherung „einfrieren“ oder ein Auskunftsersuchen für Bestands- und Verkehrsdaten stellen. Damit der betreffende Account nicht wegen einer Verletzung der Geschäftsbedingungen geschlossen wird, können die Beamten beantragen, dass der Nutzer nicht benachrichtigt wird.
Im Handbuch wird auch erklärt, dass der Strafverfolger so detailliert und genau wie möglich beschreiben soll, welche Information er von Facebook haben will – und die Anfrage nicht zu breit und vage stellt. Letzteres war laut Facebook einer der Gründe, warum das Unternehmen häufig deutsche Anfragen ablehnte. Der andere Grund sind Formfehler, wie die Welt berichtete.
Zugriff innerhalb einer Stunde?
Das Handbuch beschreibt, dass Anfragen an Instagram auch über das Facebook-Portal gestellt und bearbeitet werden können. Normale, nicht dringende Anfragen hingegen haben laut dem Handbuch eine Bearbeitungszeit von zwei bis vier Wochen. Zusätzlich wird im Handbuch die Option „Notfall“ beschrieben. In einem Notfall müssen die Strafverfolger im Menü die Option „Emergency“ auswählen. Eine Reaktion von Facebook auf solche Anfragen würde laut Handbuch „ohne Verzögerung“ erfolgen. Kriterium für einen Notfall ist laut Facebook „eine drohende Gefahr für ein Kind bzw. ein Todesrisiko oder einen ernsten körperlichen Schaden für irgendeine Person“.
In der aktuellen Diskussion forderte der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD), dass Facebook „Zugriff innerhalb von einer Stunde“ ermöglichen müsse. Laut dem geleakten Handbuch und einem Bericht von The Intercept scheint dies zumindest bei Fällen in den USA schon heute Realität sein. Teilweise mit der Folge, dass die Polizeien sogar unliebsame Beweisvideos von Nutzer-Accounts löschen ließen.
4 von 10 Anfragen deutscher Ermittler bei Facebook erfolgreich
In der Berichterstattung über Facebooks Reaktionen auf die Anfragen der deutschen Ermittlungsbehörden, ist von zwei Dritteln unbeantworteter Anfragen die Rede. Es gibt hier mehrere Denkfehler: Erstens klingt „unbeantwortet“ so, als habe das Unternehmen überhaupt nicht reagiert. Zweitens bezieht sich die Zahl auf das Jahr 2014. Im Zeitraum von Juli bis Dezember 2015 erhielten deutsche Ermittler schon in mehr als 42 Prozent ihrer Anfragen Auskünfte, schreibt Facebook in seinem Transparenzbericht.
Man muss Facebook zugutehalten, dass es sich in Sachen Datenherausgabe an Ermittlungsbehörden offenbar an rechtliche Standards hält, weitreichende Anfragen eingegrenzt haben will und nicht einfach alles so ungeprüft innerhalb von einer Stunde herausgibt. Mit mehr als einem Drittel erfolgreicher Anfragen kommen die Behörden bei Facebook sogar noch recht gut weg. Beim E-Maildienstleister Posteo wurden im Jahr 2014 bei nicht einmal 10 Prozent der Anfragen Daten herausgegeben, die Ermittler hatten in 90 Prozent der Fälle Fehler gemacht oder unberechtigte Anfragen gestellt.
Update:
Wir haben bei der Polizei Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Hessen angefragt, ob sie das Portal von Facebook nutzen und ob Facebook ihnen einen Workshop angeboten habe. Hier sind die Antworten, die sehr unterschiedlich detailliert ausgefallen sind:
Bei der Polizei Berlin nutzt man das von Facebook bereitgestellte Portal für Auskunftsersuchen. Es gebe bei der Polizei Berlin interne Handlungsanleitungen, in denen die erforderlichen Arbeitsschritte zur Nutzung des genannten Portals erläutert werden. Zudem habe die Polizei Berlin im Jahr 2015 an einem Workshop von Facebook zu diesem Thema teilgenommen. Anfragen an Betreiber anderer sozialer Medien würden in der Regel mittels Telefax oder Briefpost gestellt. Sofern zwischen der Polizei Berlin und einem Anbieter die Möglichkeit einer verschlüsselten Kommunikation per E-Mail bestünde, würde auf diesem Weg kommuniziert.
Bei der Polizei Hessen gibt man sich verschwiegener: „Für die Polizei besteht die Möglichkeit elektronische Auskunftsersuchen an Facebook zu stellen.“
Die Polizei in Bayern sagt über die Zusammenarbeit:
www.facebook.com/records nutzen. Form und Inhalt einer polizeilichen Anfrage bei Facebook variieren sachverhaltsbezogen.
Ein spezielles Formular hat die Polizei Baden-Württeberg nicht, „da Sachverhalte und Rechtsverstöße variieren können.“ Im Regelfall werde der offizielle Meldeweg genutzt.
Zum Vorwurf von Facebook, dass die Anfragen der Polizei eine mangelnde Qualität haben, sagt die Polizei Baden-Württemberg:
Eine Äußerung der Fa. Facebook hinsichtlich einer „mangelnden Qualität“ von Anfragen der Polizei Baden-Württemberg sind hier nicht bekannt. Es wurde seitens der Fa. Facebook kein Workshop angeboten.
„Anfragen an Betreiber anderer sozialer Medien würden in der Regel mittels Telefax oder Briefpost gestellt. Sofern zwischen der Polizei Berlin und einem Anbieter die Möglichkeit einer verschlüsselten Kommunikation per E-Mail bestünde, würde auf diesem Weg kommuniziert.“
Das ist echt traurig: FAX. Ich nehme an wenn ein Anbieter keine verschlüsselte Email Kommunikation anbietet dann bietet er sicherlich verschlüsseltes FAX an………ach so gibts garnicht……hm?? na dann…..
Warum geht man nicht her und verpflichtet Anbieter und Polizeien zur Bereitstellung einer verschlüsselten Email Kommunikation? Ende-zu-Ende versteht sich.
hallo markus,
was kam denn bei jener ifg-anfrage raus?
https://fragdenstaat.de/a/17494
beste grüße
u.v.
Sind dran.
Zitat:“Sehr geehrter Antragsteller, die Antwort auf Ihre Anfrage befindet sich auf dem Postweg.“
… ich schätze mal, das die Dokumente auf dem Postweg verlorengegangen sind … *harhar* … und da „Der Polizeipräsident in Berlin“ die „Originale“ übersendet und daher keine Kopien hat … ist es leider so, das „Der Polizeipräsident in Berlin“ keine weitere Kopie schicken kann … alles andere ist Geheim …