Aus Sicht der deutschen Bundesregierung sollte die EU die Regulierung auf dem Telekommunikationsmarkt so weit wie möglich zurückrollen, was zu mehr Wachstum und Investitionen beim Breitbandausbau führen soll. Das lässt sich einer Stellungnahme der Bundesregierung an die EU-Kommission entnehmen, über die das Handelsblatt in seiner heutigen Printausgabe berichtet. Zwar liegt uns das betreffende Dokument nicht vor, es dürfte sich jedoch um das gleiche Papier handeln, das Euractiv vor wenigen Wochen geleakt hat und über das wir ausführlich berichtet haben.
Fragwürdige Anreize
Darin fordert die Regierung unter anderem, „die Regulierung auf das jeweils unbedingt erforderliche Maß zu begrenzen“ und nationalen Behörden wie der Bundesnetzagentur mehr Spielraum zu lassen. So solle geprüft werden, ob von einer „Ex-ante-Regulierung auf eine sektorspezifische Ex-post-Regulierung gewechselt werden kann“. Auf Deutsch: Marktbeherrschende Unternehmen wie die Deutsche Telekom hätten freie Hand – etwa bei der Preisgestaltung von Vorleistungsprodukten – und müssten gegebenenfalls erst im Nachhinein auf Vorwürfe reagieren, ihre übermächtige Stellung auf dem Markt rechtswidrig ausgenutzt und dem Wettbewerb geschadet zu haben. Laut Regierung sollen dadurch Anreize geschaffen werden, „wenn der flächendeckende Ausbau mit Hochleistungsnetzen in schwer versorgbaren Gebieten nicht durch den Markt erfolgt“.
Hintergrund ist die 2013 von der EU-Kommission gestartete Initiative, die zu einer umfassenden Überarbeitung des Rechtsrahmens auf dem europäischen Telekommunikationsmarkt führen soll (Telecoms Single Market). Ein erster Entwurf soll noch in diesem Jahr folgen.
Auffällige Überschneidungen mit Telekom-Forderungen
Nach der Veröffentlichung der Stellungnahme Anfang März zeigten sich die Wettbewerber „unglücklich über dieses Papier“ und hielten an der Hoffnung fest, dass es sich nicht um die endgültige offizielle Position der Bundesregierung handle. Woher der Wind weht, deutete damals Jürgen Grützner an, Geschäftsführer des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM): „Eine so weitreichende Positionierung, die ganz wesentlich den Standpunkt des marktbeherrschenden Unternehmens in Deutschland widerspiegelt und nicht die der Wettbewerber, kann aus unserer Sicht nicht so gegenüber Brüssel bestehen bleiben“. Heute nochmals darauf angesprochen, bestätigte uns eine VATM-Sprecherin den unverblümten Hinweis auf die Telekom Deutschland und bekräftige, dass sich an den Kritikpunkten nichts geändert hätte.
Tatsächlich ähneln die von der Bundesregierung aufgestellten Forderungen inhaltlich auffällig den Antworten der Telekom Deutschland, die der Netzbetreiber während des Konsultationsverfahrens der EU-Kommission abgegeben hat. Ein Eins-zu-eins-Vergleich ist aufgrund der unterschiedlichen Sprachen nicht möglich, aber hier einige Beispiele für ähnliche Formulierungen und deckungsgleiche Ansätze:
Bundesregierung | Telekom Deutschland |
Insgesamt muss die Regulierung auf ein erforderliches Maß begrenzt werden […] | Overall, much better results can be achieved at much lower costs if the current framework will be significantly simplified, reducing regulatory intervention to what is necessary, providing more room and flexibility for market driven solutions instead of a overly prescriptive regulatory micro management. |
Hauptziel der Zugangsregulierung ist es, Wettbewerb auf den Endkundenmärkten zu ermöglichen und zu sichern. Daher sollte klargestellt werden, dass in der Marktanalyse bei der Frage der Regulierungsbedürftigkeit und –intensität der Vorleistungsmärkte verstärkt auch die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs auf Endkundenmärkten in die Prüfung einzubeziehen ist. | As a general rule, regulation has to be proportionate and necessary to achieve the intended goal: Ensuring effective consumer protection in areas where clearly required, through light touch rules that avoid to overly burden of service providers. […] “Same service, same rules” needs to be applied to competing services that are perceived as substitutes by end-users. |
Dazu gehört auch weiterhin, den nationalen Regulierungsbehörden auf nationaler Ebene die Möglichkeit zur Entscheidung zu geben, in bestimmten Märkten auf Ex-ante-Regulierungsmaßnahmen zugunsten von sektorspezifischen Ex-post-Regulierungsmaßnahmen verzichten zu können. | Substitute the heavy handed, time consuming and intrusive regulatory ex-ante approvals by a light handed regulatory oversight (ex-post) by the NRA [Nationale Regulierungsbehörde], based on justified complaints where voluntary agreements cannot be reached or where the NRA has concrete indications of potential abuse of market power. |
Insgesamt bestehen daher Spielräume für die Möglichkeit einer Reduzierung von Umfang und Komplexität der TK-Regulierung bei gleichzeitiger Erhöhung der Flexibilität für nationale Regulierungsbehörden in einem immer dynamischeren Umfeld gerade auch auf der Diensteebene. | Overall, much better results can be achieved at much lower costs if the current framework will be significantly simplified, reducing regulatory intervention to what is necessary, providing more room and flexibility for market driven solutions instead of a overly prescriptive regulatory micro management. |
Der aktuell für die Marktanalyse vorgeschriebene Überarbeitungszeitraum erscheint insgesamt sehr eng und sollte flexibel erweiterbar ausgestaltet werden. Die aktuell vorgesehenen Zeiträume und Überprüfungen können die Vorhersehbarkeit regulatorischer Entscheidungen und damit auch die gebotene Rechts- und Investitionssicherheit für langfristige Investitionen schwächen. Daher sollte den nationalen Regulierungsbehörden die Möglichkeit gegeben werden, jedenfalls im Falle nachgewiesener Marktstabilität längere Untersuchungszyklen innerhalb festgelegter zeitlicher Obergrenzen vorzusehen. Damit könnten zugleich auch die bürokratischen und personellen Belastungen sowohl für die nationalen Regulierungsbehörden als auch für die Betroffenen im Markt signifikant reduziert werden. | Access regulation can be significantly simplified and reduced by repealing the power of regulators for ex-ante price control and reducing the power of regulators for imposing mandatory access to a limited set of wholesale products in case of remaining network monopolies and where such regulatory obligations remain justified as a regulatory safeguard. This would significantly improve investment conditions in providing for much more legal certainty. It would also significantly reduce regulatory cost und unnecessary red-tape by making the current Market Analysis process obsolete. |
Die Bundesregierung hält eine differenzierte und auf den konkreten Markt bezogene Regulierung für am besten geeignet, chancengleichen Wettbewerb sicherzustellen und effiziente Investitionen zu unterstützen. Dies gilt sowohl für die sachliche als auch die räumliche Abgrenzung von regulierungsbedürftigen Märkten. | In principle, instruments to reflect differences in competition exist under the present framework, but they were not efficiently used to account for local variations in regulatory practice. […] in most cases national markets have been defined despite strong regional competition, sustaining nationwide regulation. As outlined above, we propose an approach that consequently reflects variation in geography, based on the presence of alternative players with their own infrastructure (such as cable operators or fibre-based utility companies). |
Telekom hat nach wie vor signifikante Marktmacht
An diesbezüglichen Spekulationen wollte sich Wolfgang Heer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Glasfaseranschluss (Buglas), nicht beteiligen. Klar sei aber, „dass der Tenor der Stellungnahme der Bundesregierung der Interessenlage der Deutschen Telekom deutlich entgegenkommt“, so Heer gegenüber netzpolitik.org. Um sich dem Vorwurf oder der Unterstellung einer einseitiger Interessenvertretung jedoch nachhaltig zu entledigen, könne der Bund dafür sorgen, „nicht weiterhin dauerhaft unmittelbar und mittelbar über 30 % der Anteile des Incumbents“ zu halten. Der Forderung, von einer ex-ante-Regulierung zugunsten einer ex-Post-Regulierung als Blaupause für die künftige Telekommunikationspolitik abzurücken, stehe er skeptisch gegenüber, denn schließlich verfüge die Telekom nach wie vor über eine signifikante Marktmacht. Die Rückführung einer Vorab-Regulierung, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Vectoring-Debatte, würde direkt zu einer Re-Monopolisierung führen und den Infrastrukturwettbewerb massiv beeinträchtigen beziehungsweise schädigen. „Die Regulierung des marktmächtigen Unternehmens ist daher heute und ‚auf Sicht‘ alternativlos, wenn Wettbewerb als zentrales ordnungspolitisches Prinzip seine Innovations- und Investitionskräfte entfalten soll“, betonte Heer.
Aus dem Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) kam ähnlich gelagerte Kritik. So sei der jüngste Vorstoß von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zu begrüßen, dessen (umstrittene) „Digitale Strategie 2025“ den Aufbau eines Gigabit-Glasfasernetzes bis zum Jahr 2025 vorsieht. Diesen Schritt „sollte der Minister aber nicht dadurch kannibalisieren, dass die Bundesregierung den Übergang von den längst abgeschriebenen Kupfer- auf zukunftssichere Glasfasernetze erst ‚mittel- bis langfristig‘ vollziehen und gleichzeitig den Wettbewerb durch regulatorische Erleichterungen für den Ex-Monopolisten erschweren will“, so Breko-Geschäftsführer Stephan Albers.
Hm, ich wusste gar nicht, dass die bei der Telekom Deutschland Englisch können?
Bisher sind mir die Bauarbeiter nur durch lange Kanäle und Gräben aufgefallen.
Vielleicht hat ja einer in der inneren Kanalstrasse ein Übersetzungsprogramm gefunden: LEO.org
Na ja, ein wenig Spaß muss sein. Hoffentlich ist keiner wieder böse über so eine tieffundierte Meinung.
Lieben Gruß SUSI