Bundesregierung an Brüssel: Telekom-Regulierung zurückfahren, kein staatlicher Breitbandausbau [Update]

Laut Euractiv stammt die Stellungnahme aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. CC BY-SA 3.0, via wikimedia/Beek100

Offenbar appelliert die deutsche Bundesregierung an Brüssel, die bisherige Regulierung im Telekommunikationssektor herunterzufahren und Platzhirschen wie der Telekom Deutschland mehr Freiheiten einzuräumen. Wie aus einem heute von Euractiv geleakten Dokument (PDF) hervorgeht, pocht Berlin beim Breitbandausbau darauf, „die Regulierung auf das jeweils unbedingt erforderliche Maß zu begrenzen“ und dabei nationalen Behörden wie der Bundesnetzagentur mehr Spielraum zu lassen.

So soll geprüft werden, ob von einer „Ex-ante-Regulierung auf eine sektorspezifische Ex-post-Regulierung gewechselt werden kann“, also marktbeherrschenden Unternehmen nicht mehr im Vorfeld aufgetragen werden soll, zu welchen Bedingungen sie ihre Leitungen den Wettbewerbern zu Verfügung stellen müssen. Stattdessen soll bei Bedarf im Nachhinein eingegriffen werden, etwa wenn ein Fall von Marktversagen vorliegt. Auch steht die Bundesregierung einer Ausweitung der „symmetrischen Regulierung“ offen gegenüber, die auch Glasfaser- oder Kabelnetzbetreiber stärker in die Pflicht nehmen würde. Das wäre eine Abkehr von der bisher praktizierten „asymmetrischen Regulierung“, die marktbeherrschende Unternehmen wie die Telekom dazu zwingt, ihre Netze diskrimierungsfrei für Mitbewerber zu öffnen.

Oligopole nicht regulieren

Zudem erteilt die Regierung Überlegungen eine Absage, die Regulierung auf Oligopole ausweiten wollen, solange keinem der wenigen Anbieter eine „beträchtliche Marktmacht“ nachgewiesen werden kann. Stattdessen sollten sich die zu begrenzenden Vorgaben an den „Bedingungen auf den regionalen und nationalen Telekommunikationsmärkten orientieren. Für marktübergreifend tätige Unternehmen sollen jedoch bei vergleichbaren Marktbedingungen gleiche Regulierungsinstrumente greifen.“

Um Regulierung schneller und effizienter zu gestalten, soll laut der Stellungnahme das Notifizierungsverfahren zurückgefahren werden, mit dem die EU-Kommission Änderungen von technischen Vorschriften in einzelnen Mitgliedsstaaten prüft und dabei abklopft, ob sich dadurch Hemmnisse für den freien Warenverkehr oder für den Austausch von IT-Diensten ergeben. Relevant wäre das etwa dann, wenn die Bundesnetzagentur dem Antrag der Telekom folgen sollte, der dem Ex-Monopolisten den Nahbereich rund um die Hauptverteiler für den Einsatz der umstrittenen Vectoring-Technik überlassen würde. „Insgesamt erscheint es nicht bzw. nicht mehr notwendig, dass die EU-Kommission jede einzelne Maßnahme von jeder der 28 nationalen Regulierungsbehörden für alle Märkte überprüft“, heißt es in dem Papier.

Breitbandausbau durch Kommunen auf dem Abstellgleis

Die Bundesregierung macht auch deutlich, dass sie staatlichen beziehungsweise kommunalen Ausbauplänen feindlich gegenübersteht – obwohl das Ende letzten Jahres beschlossene „Bundesförderprogramm für den Breitbandausbau“ privatwirtschaftliche und kommunale Initiativen zumindest auf dem Papier gleichstellt. Kritiker haben damals schon darauf hingewiesen, dass erst die Vergabepraxis zeigen werde, ob das Fördermodell nachhaltigen Breitbandausbau mit Glasfaser sicherstelle oder ob dadurch Brückentechnologien wie Vectoring gefördert würden. In der geleakten Stellungnahme stellt die Regierung nun klar, dass der flächendeckende Ausbau mit Hochleistungsnetzen „primär Aufgabe der Wirtschaft“ bleiben soll und öffentliche Förderung und sonstiges staatliches Engagement nur dann erfolgen sollte, „wenn Ausbau nicht in absehbarer Zeit durch den Markt erfolgt“.

Ferner müsse „von einer Ausweitung des Universaldienstregimes in jedem Fall abgesehen werden“, mit dem sich das Recht auf einen Breitbandanschluss gesetzlich verankern lassen könnte. Solchen Forderungen hatte Staatssekretärin Dorothee Bär schon vergangenen Sommer eine Absage erteilt. „Bereits die Diskussion“ über eine solche Maßnahme könnte zu einer „Marktverunsicherung und zu Investitionshemmnissen“ führen und sei daher abzulehnen. Wieso dann etwa Finnland noch steht, wo seit fast sechs Jahren ein entsprechendes Grundrecht auf einen Breitbandzugang gesetzlich festgeschrieben ist und das in puncto Breitbandausbau vor Deutschland liegt, bleibt freilich unklar.

Sogenannte OTT-Dienste (Over the Top) wie Skype oder WhatsApp, die „Substitute zu traditionellen TK-Diensten darstellen bzw. mit diesen in unmittelbarem Wettbewerb stehen“, sollten „angemessen“ ins Regulierungsgefüge einbezogen werden. Ob solche Dienste unter eine neue gemeinsame Definition gefasst werden sollten, müsse jedoch auf europäischer Ebene erörtert werden. Erforderlich sei dabei eine Einzelfallbetrachtung.

Update: Mitbewerber reagieren

Die Wettbewerber der Telekom reagierten mit Kopfschütteln auf den Inhalt des geleakten Positionspapiers, wobei derzeit unklar bleibt, ob es sich um die endgültige Fassung handelt. So übte sich Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), in Zweckoptimismus und erklärte:

Wir sind sehr unglücklich über dieses Papier und gehen fest davon aus, dass es keinesfalls bereits die endgültige offizielle Position der Bundesregierung widerspiegelt. Nach unserem Kenntnisstand befindet sich die Stellungnahme noch in der internen Abstimmung.

In seiner derzeitigen Form spiegele das Dokument „wesentlich den Standpunkt des marktbeherrschenden Unternehmens in Deutschland“ – also den der Telekom Deutschland – wider und könne gegenüber Brüssel so nicht bestehen bleiben. Zudem seien die Kernforderungen „aus Sicht des VATM völlig inkonsistent und widersprüchlich“. Eine von der Bundesregierung sowie der Telekom geforderte Ausweitung der symmetrischen Regulierung würde zum Verlust des Netzzugangs am Kabelverzweiger (KVz) für die Wettbewerber führen, der zentral für den Glasfaserausbau sei. Das hätte entsprechende Folgen für die Dienste, die „bundesweit und in Zukunft eigentlich europaweit von den Wettbewerbern angeboten werden“.

Die im Positionspapier geforderte Begrenzung der Regulierung werde nicht tragfähig begründet und unterstelle, dass die Bundesnetzagentur ihren gesetzlich gesteckten Regulierungsrahmen unrechtmäßig überschreiten würde. Kritisch sieht der VATM unter anderem auch die Forderungen, dass für marktübergreifend tätige Unternehmen gleiche Regulierungsinstrumente gelten sollen, die Einschränkungen für den Breitbandausbau durch Kommunen sowie den Verzicht auf Ex-ante-Regulierung in schwer versorgbaren Gebieten. Letzteres löse „keinerlei Investitionsanreiz für die Investoren aus mit Ausnahme der Telekom, die allein hiervon profitieren würde“.

Auch der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) stößt sich an den geäußerten Vorschlägen, die man bereits aus dem Mund eines bestimmten Unternehmens gehört hätte:

Die Stellungnahme der Bundesregierung liest sich nach Ansicht des BREKO so, als handele es sich um ein Lobby-Papier der Deutschen Telekom, da sich viele wesentliche Forderungen des Bonner Ex-Monopolisten eins zu eins wiederfinden.

Laut Geschäftsführer Stephan Albers dürfe sich die „Bundesregierung nicht zur verlängerten Werkbank der Deutschen Telekom machen“ und als Sprachrohr des Ex-Monopolisten fungieren. Stattdessen solle sie auf einen dynamischen Investitionswettbewerb setzen und lieber dafür sorgen, dass der direkte Ausbau mit Glasfaser (FTTH/FTTB) vorankomme. „Regulierungsferien für die Telekom stehen angesichts der aktuellen Re-Monopolisierungs-Strategie des Magenta-Konzerns absolut nicht zur Debatte“, betonte Albers und erteilte der Forderung nach symmetrischer Regulierung eine deutliche Absage: „Sinn und Zweck der Regulierung von marktbeherrschenden Unternehmen ist die Schaffung von Wettbewerb.“

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13 Ergänzungen

  1. Bitte Glühbirnen-Regulierung zurückfahren. Dann kann ich kaufen, einschrauben und anknipsen, was ich will.

    1. Dir ist schon klar das Subventionen von der Politik an jene Konzerne gegeben werden die am bereitwilligsten die Parteien bespenden ? Profit für Konzerne und Parteien. Das zählt.

      Was du als Bürger willst oder nicht willst spielt in der sogenannten Demokratie nicht die geringste Rolle !

  2. SPD und CDU sind eben gekaufte Parteien die ausschließlich nur Konzern Interessen vertreten, wer hätte da auch etwas anderes erwarten können ?

    Wir werden hier auch noch in 20 Jahren zu überteuerten Preisen auf dem ollen Kupferkabel durchs Internet Kriechen. Hauptsache die Telekombonzen und käufliche Politiker haben den Profit davon.

  3. Ich spekuliere mal wild, dass die Telekom hier ghostwriter war und jemand im Ministerium Steigbügelhalter ist. Die Forderungen folgen einseitig den Interessen großer Telekom-Anbieter und gehen tw. (Frequenzen) auch gegen staatliche Interessen.

    1. Ein Deutschland ohne EU und Euro, ja das wäre ein Traum ;)

      Dann könnten die korrupten Parteien ihre Pläne nicht mehr so einfach über den Umweg der intransparenten EU durchsetzen, auf nationaler Ebene kann sich Bürger zudem noch besser organisieren und Druck machen.

  4. „Stell dir vor, Du wachst auf und die EU is weg!“
    Das würde sich positiv auf die zukünftige Pisa-Quote auswirken, denn leere Geschichtsbücher mit lauter weißen Seiten sind viel leichter zu lesen und zu verstehen.
    mfg R.K.

  5. Der Markt soll die Angelegenheiten auf dem Telekommunikationssektor regeln? Das wäre in der Tat nicht schlecht. Im Moment sind da Preisabsprachen, Konkurrenzvermeidung durch Aufkäufe und Monopolstreben sowie verlogene juristische Spielchen – vor allem gegen langjährige Kunden – an der unappetitlichen Tagesordnung. Also … wo bleibt der tolle Markt?!

  6. Deutschland ist breitbandmäßig doch unterstes Entwicklungsland. War schon mal jemand in Vietnam? Überall sehr gutes kostenloses Wlan, sogar im Mekong-Delta hatte ich überall sehr gute Verbindung.
    Die sind uns meilenweit voraus, trotz der abenteuerlichen Freiluftverdrahtung.
    Die Privatisierung der deutschen Telekommunikation hat uns internetmäßig 15 Jahre Stillstand verordnet. Erst privatisiert man den Staatskonzern „Deutsche Post“ in „Deutsche Telekom“, aber nur halbstaatlich. Dann zwingt man Ihn, seine Netze der neu entstandenen Privatwirtschaft zu öffnen. Die zahlen dann, eine lächerliche Durchleitungsgebühr (kartellmäßig begrenzt – Lobby) und machen die großen Gewinne. Eigene Netze (Vodafone, 1und1 etc.) bauen sie nur dort sporadisch , wo sich hohe Gewinne generieren lassen. (Großstädte, Ballungszentren) Im ländlichen Bereich hat bisher kein privates Unternehmen in Netze investiert. (außer Kabel Deutschland vielleicht) Wenn der halbstaatliche Konzern „Deutsche Telekom“ jetzt in ländliche Gebiete investiert, kommen wieder die Privatprovider und fassen die Gewinne ab. Da würde jeder selbstständiger Unternehmer sagen: „Nein Danke, investiert mal schön selbst“.
    Eine intelligente deutsche Regierung hätte gesagt, das Leitungsnetz bleibt staatlich und wird staatlich ausgebaut. Und jeder Anbieter zahlt die selbe durchschnittskalkulierte (Ballungsgebiete und ländliche Gebiete) Durchleitungsgebühr. Dann hätte der Staat Einnahmen und könnte die Leitungsbau flächendeckend ausbauen um weitere Einnahmen kostendeckend zu generieren. Dann könnte die Privatwirtschaft nur noch mit eigenen Mehrwertleistungen (Flatangebote etc.) Gewinnen generieren.
    Aber nein, man hörte ja auf Lobbyisten, die meinten wir verpflichten die halbstaatliche „Deutsche Telekom“ zum Leitungsausbau, aber die Gewinne mit den Anschlüssen die werden schön privatisiert.
    Jetzt soll die halbstaatliche „Deutsche Telekom“ ihr Netz modernisieren (Glasfaser, 50 bis 100Mbit) und die Privatprovider freuen sich schon auf die Gewinne aus den Anschlussverträgen. Keine eigene Investitionskosten, aber durch Lobbyverträge alle Gewinne abschöpfen.
    Dieses deutsche Problem ist hausgemacht! An diesem Problem sind unsere Politiker schuld. Wenn man ein Staatsunternehmen (wenn auch halbstaatlich) in die Privatwirtschaft entlässt, muss es wirtschaftlich handeln! Zeigt mir einen Unternehmer der mit dem Wissens investiert, dass er die Gewinne nicht einfahren wird.

  7. Platzhirsch ist die Deutsche Telekom doch nur, durch die komische Konstellation die unsere Politiker ausgehandelt haben. Wären Sie konsequent gewesen, dann hätten sie nur das Leitungsnetz in staatlicher Hand belassen!!!! Und dieser „Staats“-Betreiber dürfte NUR das Netz betreiben, nichts weiter!!!! Durch die dann für alle im Privatsektor tätigen Anschlussbetreiber hätten dann die gleichen Bedingungen gegolten!

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