Mit dem Entwurf der deutschen Piratenabgeordneten Julia Reda zur Evaluation des EU-Parlamants über den Stand des EU-Urheberrechts ist quasi der offizielle Startschuss für die Reformdebatte auf europäischer Ebene gefallen. Erfreulicherweise verläuft diese aber bislang keineswegs in gewohnten, verhärteten Bahnen. Selbst die Initiative Urheberrecht, ein Zusammenschluss einer Reihe von Urheberverbänden (u.a. die Drehbuchautorenvereinigung Syndikat oder der CC Composers Club), kann sich mit Redas Berichtsentwurf anfreunden.
In einer ersten Stellungnahme zeigt sich deren Sprecher Gerhard Pfennig durchaus angetan:
Reda und ihr Team hatten kaum die Koffer ausgepackt, als sie an die Arbeit gehen mussten, aber sie haben ihre Aufgabe geschafft. […] Reda und ihrem jungen Team ist es in kurzer Zeit gelungen, ein wildes Meer zu durchqueren, das Untiefen, Stürme, Strudel, seichte Gewässer und zahlreiche Meerungeheuer bietet und auch für geübte Piraten nicht leicht zu passieren ist.
Pfennig lobt desweiteren „eine Reihe kreativer Gedanken und Reformüberlegungen, die weit davon entfernt sind, das geltende System auf den Kopf zu stellen“ sowie, dass „[b]ereits an zweiter Stelle die Bedeutung des gesicherten Rechtsschutzes für Urheber und ausübende Künstler einschließlich der Notwendigkeit eines wirksamen Urhebervertragsrechts gefordert [wird]“. Unterstützung gibt es von Pfennig auch für den Vorschlag, zumindest die Ausnahme- und Schrankenbestimmungen im Urheberrecht europaweit zu vereinheitlichen:
An prominenter Stelle greift der Berichtsentwurf Oettingers Pläne einer europaweiten Urheberrechtsvereinheitlichung auf, allerdings bei genauerem Lesen wohl mit der klugen Einschränkung, dies zunächst auf die nach der Richtlinie bisher weitgehend ins Belieben der Staaten gestellten Ausnahmen zu beschränken. Diese sollten harmonisiert und technologieneutral ausgestaltet werden. Dadurch würde zumindest erreicht, dass endlich z.B. die für die Urheber, Künstler und die Kulturindustrie wichtigen Regelungen zur privaten Vervielfältigung europaweit vereinheitlicht würden und nicht länger der Willkür einzelner Staaten – siehe Spanien, wo der Staat die Berechtigten mit Minimalbeträgen aus der Staatskasse abspeist und Großbritannien, wo die Vervielfältigung ohne Vergütung erlaubt wird – ausgesetzt wären.
Pfennig betont hier wohl richtigerweise die Vorzüge einer Vereinheitlichung auch aus Urheberperspektive, weil in diesem Fall eben mit einer Ausdehnung von Pauschalvergütungen für Schranken auf das gesamte EU-Gebiet und entsprechend höheren Ausschüttungen zu rechnen wäre.
Schließlich ist auch Pfennigs Fazit absolut zuzustimmen:
Oettinger und Reda sind noch auf der Suche nach wirksamen Ansätzen, um die in der letzten Kommission verschleppten Probleme im Rahmen der notwendigen Anpassung des Urheberrechts an die Anforderungen der digitalen Gesellschaft möglichst effizient zu lösen. Oettinger muss aus den ausschließlich technokratischen Wachstums- und wirtschaftsorientierten Aufgaben, die Juncker und seine in die Digitalisierung fixierten Vizepräsidenten ihm aufgebürdet haben, ein funktionierendes Reformprogramm erstellen. Das Parlament ist mit kleinen, realitätsnahen Schritten schon viel weiter. Julia Redas zur kreativen, zielgerichteten Diskussion einladender Berichtsentwurf und dessen bevorstehende Behandlung im und mit dem Parlament kann tatsächlich zu Lösungen führen, wenn er seinem Grundkonzept treu bleibt: einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber und Rechteinhaber und den Nutzer zu schaffen. Zu hoffen ist, dass die Kommission im Anschluss daran die Beschlüsse des Parlaments aufgreift und von den Wolken ihrer selbstdefinierten Mission in die Ebene der Realität hinabsteigt.
Wer weiß, vielleicht ist mit dem Reda-Report tatsächlich, wie von Rainer Kuhlen an dieser Stelle erhofft, eine „kopernikanische Wende“ in der Urheberrechtsdebatte verbunden.
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