Über eine Million als „Terroristen“ in US-Datenbank erfasst, diesmal aber kein Snowden-Leak

via The Intercept

The Intercept hat Dokumente veröffentlicht aus denen hervorgeht, dass 40% der in der US-amerikanischen „Terrorist Screening Database“ erfassten Personen nicht konkret einer terroristischen Vereinigung zugeordnet werden. Außerdem zeigen die Unterlagen, wie massiv die Datenbanken der US-Regierung in der jüngsten Zukunft ausgebaut wurden. Von 2010 bis 2013 hatt sich die Zahl der Einträge in das Terrorist Identities Datamart Environment (TIDE) etwa verdoppelt und man liest die freudige Botschaft:

Der millionste Eintrag in TIDE: Am 28. Juni 2013 hat TIDE einen Meilenstein von einer Million Menschen erreicht. Da sich das Directorate of Terrorist Identities (DTI) des National Counterterrorism Center (NCTC) bemüht, nur so viele Einträge wie nötig für unsere nationale Terrorismusbekämpfung anzulegen belegt diese Anzahl die harte Arbeit des DTI und seine Hingabe über die letzten 2,5 Jahre.

Seit DTI im Dezember 2010 als eigenständige Abteilung des NTCT entstand haben Analysten mehr als 430.000 mit Terrorismus in Verbindung gebrachte Personeneinträge vorgenommen und 50.000 Einträge gelöscht, deren Verbindung zu Terrorismus widerlegt wurde oder die nicht mehr den aktuellen Watchlist-Kriterien entsprachen.

Klartext: Das Verhältnis zu Löschen und Neueintragen liegt bei etwa 1:9, die Datenbestände werden also in Zukunft weiter wachsen. Vor allem wenn man sich die letzte Woche veröffentlichten Leitlinien dazu anschaut, wann eine Person als terroristische Bedrohung eingestuft werden sollte. Dazu sind nämlich „unwiderlegbare Beweise oder konkrete Fakten nicht notwendig“, stattdessen reicht ein „vernünftiger Verdacht“, als potentieller Terrorist zu gelten.

biomTIDETIDE ist nicht die einzige Datenbank, in der Verdächtige in den USA sich wiederfinden können. TIDE bietet unter anderem auch die Grundlage für No-Fly-Listen, die regelmäßig dafür sorgen, dass vollkommen unbedarften Personen die Einreise in die USA verweigert wird, weil sie den falschen Namen tragen, mit den falschen Leuten in Kontakt waren oder aus irgendeinem anderen beliebigen Grund als besonders gefährlich gelten. Doch nicht nur die Anzahl der Einträge in TIDE stieg und steigt weiter rasant an, auch der Umfang der gespeicherten Daten zu einer Person nimmt zu. Etwa die Menge an biometrischen Merkmalen. Lagen 2012 noch Fingerabdrücke von 95.000 Datensätzen vor, wuchs diese Zahl innerhalb eines Jahres auf 223.000 an.

Ein Detail bei den neuen Informationen ist in den Medien wichtig gemacht worden: Die geleakten Dokumente sowie ein bereits letzte Woche publiziertes Regelwerk zur Kategorisierung von Terroristen stammen nicht aus den Daten, die durch Edward Snowden an Journalisten übergeben wurden. Stattdessen beruft The Intercept sich auf „eine Quelle aus der Geheimdienst-Community“. Was dazu geführt hat, dass Schlagzeilen über einen „zweiten Snowden“ generiert wurden wie:

Neue Enthüllungen: US-Geheimdienste suchen nach zweitem Snowden (Spiegel)

USA fürchten neuen Whistleblower (tagesschau.de)

Angefeuert wurde die Schlagzeilenwelle durch den Fernsehsender CNN, der berichtete, man befürchte in Regierungskreisen, es gebe einen zweiten Whistleblower aus den eigenen Reihen, man wisse jedoch nicht, wie viel Zugriff dieser habe und „wie viel Schaden“ er verursachen könne. Glenn Greenwald wollte nichts Konkretes dazu sagen, ob es einen zweiten Leaker gebe, der mit The Intercept arbeite:

Ich kann nichts zu der Behauptung von CNN sagen […] Aber es werden definitiv noch mehr auf Snowdens Dokumenten basierende Geschichten herauskommen.

Es ist unverständlich, warum plötzlich so viel Aufhebens darum gemacht wird, ob es einen „zweiten Snowden“ gebe. Das ist eine ungesunde Fixierung auf eine einzelne Person und diese Haltung verfehlt es, die Verdienste früherer Whistleblower zu würdigen. Da wären zum Beispiel: Daniel Ellsberg, der die Pentagonpapiere geleakt hat; Chelsea Manning, die Videomaterial aus dem Irakkrieg an Wikileaks übergeben hat; Thomas Drake, der schon vor über 10 Jahren auf Missstände in der NSA aufmerksam gemacht hat; Mark Felt, zentraler Informant in der Watergate-Affäre; und all die anderen, die zum Teil nie den Schutzmantel der Anonymität verlassen haben. Es gibt hoffentlich nicht nur einen zweiten Snowden, sondern unzählige, die sich an seinem und dem Mut seiner Vorgänger ein Beispiel nehmen werden.

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