Narrative Übergänge, vom Netz ins Theater

An einem Sonntag Nachmittag lockte das Soho-Haus,  ‚From Hacking to digital storytelling‘. Auf grün gepolsterten Samtsesseln stiftet das ddaynetwork dazu an danach zu fragen, wie denn Kulturschaffende eigentlich auf die ‚Post-Snowden-Welt‘ reagieren können. Zum Gespräch wurden dafür Angela Richter und Jacob Applebaum eingeladen. In der (klassischen) Theaterwelt ist Angela Richter leider momentan eine der sehr wenigen, die versucht mit Inszenierungen eine Seite der digitalen Situation zu zeichnen, indem sie das repressive Vorgehen gegen Whistleblower thematisiert.

Gelangweilt von dem klassischen Wiedergekäue auf den deutschen Staatstheatern ersteigerte sie sich vor einigen Jahren ein Abendessen mit Julian Assange, woraus sich eine Freundschaft entwickelte, aus deren fortwährenden Gesprächen der Stoff für die Inszenierung „Assassinate Assange“ wuchs. Die Nerds seien die neue Avantgarde, ist eines der bekannten Statements aus diesem Stück. Kunst hat Gesellschaft immer schon beeinflusst, aber Paradigmenwechsel werden heute auf anderen Ebenen eingeleitet – in der Technologie. Darüber lernte Richter Jacob Applebaum kennen, mit dem sie nun gemeinsam am Schauspielhaus Köln ‚Überleben unter Überwachung‘ aufgeführt hat.

Applebaum, nicht gerade für seinen Theater-Hintergrund bekannt, kommt hier zum schauspielerischen Zug. Kunst sei wichtig um kulturelle Konflikte, von denen er in diesem Zusammenhang auch spricht, mit auszuhandeln. Sein Privatleben sei so politisch geworden, dass die Bühne ein Ort wird, an dem intensiv nachvollzogen werden kann was es heißt, aktiv überwacht zu werden. Die Reinszenierung ‚Überleben unter Überwachung‘ thematisiert diese zersetzende Erfahrung. Persönliche Erlebnisse spricht er an, wenn plötzlich in der Wohnung der Freundin staatsgesandte, fremde Männer stehen und ihr beim Schlafen zusehen. Auf gemeinsamen Reisen mit ihr an irgendwelchen Checkpoints abgeführt zu werden, ohne zu wissen ob es das jetzt war.

In der Theaterversion in Köln ging es noch ein bisschen roher zu. Richtige Sicherheitsmenschen wurden dafür engagiert. Anscheinend floss viel Blut und nackte Haut gab es zu sehen. Auf offener Bühne darüber sprechen zu können, sei für alle Beteiligten ein kathartisches Erlebnis und vermag ein Stück Integrität herzustellen. Und es trägt in seiner Wirkung hoffentlich mit dazu bei, dass es bei solchen Einzelschicksalen bleibt. Die durch den Schock ausgelöste Aufmerksamkeit wird nach den Aufführungen gleich genutzt um den ZuschauerInnen, Methoden digitaler Selbstverteidigung näherzubringen.

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