Glenn Greenwald über Selbstzensur durch Überwachung

„NSA: Die Schere im Kopf.“ Basierend auf seinem auf Deutsch übersetzten Buch „Die globale Überwachung: Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen“, dass wir bereits rezensiert haben, hat Greenwald einen Artikel in den Blättern veröffentlicht. Kenntnisreich beschreibt Greenwald die Entwicklung und Auswirkungen von Überwachung in den USA. Wir wollen die Kernaussagen hier kurz zusammenfassen.

Überwachung ist Macht

Die USA erreichen durch das Sammeln aller Daten größtmögliche Macht – und bleiben gleichzeitig selbst gänzlich intransparent. Die allumfassende Überwachung durch die NSA ermöglicht die Kontrolle der ganzen Gesellschaft. Und genau diese Kontrolle ist Sinn und Zweck der Überwachungsmaßnahmen, wie Greenwald ausführlich darlegt. Er sagt, es liege im Wesen der Macht verankert, dass Widerstand gegen sie mit Verbrechen gleichgesetzt werde.

Überwachung fördert Konformität und Misstrauen

Die typische Rechtfertigung, staatliche Überwachung treffe nur die bösen Randgruppen und Staatsfeinde, war schon immer irreführend. Denn schon allein die Möglichkeit überwacht zu werden, führt zu angepasstem Verhalten und Selbstzensur, wie Greenwald anhand von Beispielen und Studien aufzeigt. Wenn die überwachenden Behörden argumentieren „solange du für uns bist, hast du nichts zu befürchten“, dann entstehe automatisch ein Druck abweichende Meinungen zu unterdrücken.

„Die Belege zeigen, dass man sich durch Versicherungen, die Überwachung richte sich nur gegen jene, die „etwas auf dem Kerbholz haben“, nicht beschwichtigen lassen darf, denn ein Staat wird reflexartig jede Bedrohung seiner Macht als Straftat betrachten.“

Laut Greenwald verbreitete sich so schon in den 1960er Jahren eine Paranoia in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Und die Angst der Aktivisten war mehr als gerechtfertigt, denn wie man heute wisse übertraf die Inlandsspionage unter J. Edgar Hoover schon damals die schlimmsten Befürchtungen.

Überwachung ermöglicht Denunziation

Rufschädigung und Angriffe auf die Glaubwürdigkeit von politischen Gegnern gehörten schon immer zum Repertoire von Geheimdiensten. Durch die Überwachung des Internets werden diese Techniken noch einfacher und effektiver. Greenwald zitiert Dokumente aus dem Snowden-Archiv die belegen sollen, dass beispielweise der britische GCHQ aktiv an der Weiterentwicklung von Maßnahmen zur Diskreditierung von Zielpersonen arbeite. Es hat eben doch jeder was zu verbergen.

Überwachung betrifft alle

Die NSA interessiert sich doch nicht für mich! – So mögen viele denken, ist aber leider falsch. Das Gefühl von der Totalüberwachung nicht betroffen zu sein ist eine Illusion, der viele allzu leicht nachlaufen. Das politische Klima kann schnell umschlagen. Schon der normale Wechsel von einer Regierungspartei zu einer anderen kann die Wahrnehmung von Überwachung fundamental verändern. Greenwald bezieht sich beispielweise auf den Regierungswechsel von George W. Bush zu Barack Obama: viele Demokraten, die unter Bush noch die NSA kritisierten, haben sich plötzlich zu Verteidigern der Massenüberwachung aufgeschwungen. Die Botschaft ist klar: Solange man sich zur Mehrheit zählt scheint Überwachung egal zu sein. Greenwald schreibt dazu:

„Aber die Freiheit einer Gesellschaft misst sich eben daran, wie sie mit Abweichlern und Randgruppen umgeht, nicht daran, wie sie ihre loyalen Mitglieder behandelt. Selbst in den schlimmsten Diktaturen der Welt sind die demütigen Unterstützer vor dem Missbrauch staatlicher Macht sicher.“

Staatlicher Machtmissbrauch geht also alle an, egal ob sie im Augenblick Kritik üben, oder nicht.

6 Ergänzungen

  1. Warum will man Macht haben? Die unsägliche Idee und Wunsch das führende Land in der Welt zu werden, hatten wir schon vor 70/80 Jahren. Man hat ja gesehen zu was das führte.

    Was löst Macht aus? Woher kommt dieser Führungsanspruch der USA?

    1. Das ist zu kurz gedacht. Die USA an sich sind nur ein Werkzeug der kleinen Gruppe von Ultrareichen, Bilderberger oder wie auch immer man sie nennen will.

      Auch Macht ist nur ein Werkzeug, denn es geht nur um Kontrolle. Da eine kleine Gruppe nicht alles kontrollieren kann, muss sie eine Struktur sicherstellen, in der von oben nach unten kontrolliert wird.

      1. Das ist klar. Ich habe auch die USA geschrieben.
        Warum will man denn Kontrolle? Und wohin soll das alles noch hinführen?

      2. Ich denke weil es angsteinflößend ist Veränderungen ausgesetzt zu sein die man nicht kontrollieren kann.
        Jeder Mensch versucht seine für verschiedene Bereiche unterschiedlich stark ausgeprägte Angst was entgegenzusetzen. Also die Situation zu kontrollieren.

        Nur so ne Idee die ich mir gerade zusammengesponnen habe.

    2. Auch ich frage mich seit jeher, was die Motivatoren hinter Macht snd.
      Zu einem endgültigen Shcluß bin ich nicht gekommen.

      Der einzige Vorteil liegt in einer besseren oder genaueren Informationslage, die sich aber nach einiger Zeit ad absurdum führt, da sich die Menschen der veränderten Situation anpassen.

      Und wenn man die Historie anschaut, war eine Macht- und Kontrollzentralisierung immer nur temporär erfolgreich.

      Ich denke, daß Angst und Furcht die Motivatoren hinter der Macht sind.
      Und dagegen wird man vermutlich auch in 1000enden Jahren nicht antreten können.

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