Wie wir unser Jahrbuch Netzpolitik verschenkten und beinahe reich wurden

IMG_20121221_142159Eine Woche vor Weihnachten haben wir unser „Jahrbuch Netzpolitik – Von A wie ACTA bis Z wie Zensur“ veröffentlicht. Das war ein Experiment für uns, sowohl im gesamten Entstehungs- als auch im Publikationsprozess und wir wollten einfach mal schauen, welche Knöpfe man dabei wie drücken muss. Außerdem hatten wir das schon seit Jahren vor, aber haben die Idee immer fleissig prokastiniert. Mittlerweile gibt es die ersten Zahlen und wir können mit der Evaluation beginnen.

Vor der Veröffentlichung standen wir vor der Frage der Lizenz und vor allem, ob wir das Buch gleichzeitig mit dem Verkauf veröffentlichen. Wir haben eine freie Lizenz (CC-BY-SA) gewählt und waren auch froh, dass alle Autorinnen und Autoren mitspielten. Und wir haben uns auch bewusst dafür entschieden, das Buch beim ersten Mal gleichzeitig zum freien Download online zu stellen. Einerseits fanden wir, dass es der passende Beitrag zu der Urheberrechtsdebatte 2012 wäre, wenn das Buch vor offiziellem Verkaufsstart schon in der Piratenbucht stand. Andererseits weil wir es einfach konnten.

Wie wir beinahe reich wurden:

Aus kommerziellen Gesichtspunkten war das aber sicher nicht der beste Weg, wie unsere ersten Verkaufszahlen aufzeigen. Es gab im großen drei Verkaufsswege: Online, auf dem 29c3 und gedruckt per Post. Das Buch ging parallel als ePub bei ePubli und als Kindle bei Amazon für jeweils 3,99 Euro zum Start online. Das ePub kauften 26 Personen, die Kindle-Ausgabe 133 Personen. Im Google Play-Store ging es nach einigen Tagen online und es kauften 28 Personen. Am längsten dauerte der Apple-Store: Ganze acht Tage lag das Buch da bei der Sittenprüfung und anschließend kauften es darüber 25 Personen. Fun-Fact: Durch eine Kooperation mit ePubli bekamen wir 1000 gedruckte Bücher geschenkt und die Lieferung kam vor dem Digital-Release im Apple-Store bei uns an.

Unerwarteter Erfolg: Eine Woche Platz Eins in den eCommerce-Charts!

Jahrbuch Netzpolitik 2012 - Von A wie ACTA bis Z wie Zensur eBook_ Markus Beckedahl, Andre Meister_ Amazon.de_ Kindle-Shop 2012-12-18 16-19-09

Was uns die digitale Version einbrachte wissen wir noch nicht genau. Grob gesagt kommen rund 60% (nach Abzug aller Mittelsmänner-Kosten und Steuern) von 3,99 Euro * 212 verkauften Büchern bei uns an. Das macht rund 500 Euro. Man könnte auch sagen: Fast mehr Tweets über das Buch als verkaufte eBooks. Und zwei Tage lang Platz eins in den Kindle-Verkaufscharts für „Politik & Geschichte“. Und irgendwie mehr als eine Woche in der Kategorie eCommerce. Warum auch immer eCommerce. Was einen aber auch nachdenken lässt: Vielleicht ist momentan einfach der eBook-Markt noch sehr klein?

Dank der Buchspenden konnten wir einen großen Karton mit zum 29c3 nach Hamburg nehmen und haben dort vor allem nach meinen beiden Vorträgen Bücher gegen Spenden getauscht. Dabei kamen grob 400 Euro zustande, wieviele Bücher das waren, weiß ich nicht mehr. Das ging teilweise ganz schön schnell (beim Herausgehen aus dem Saal). Sehr erfreulich waren auch einige Spenden über zehn Euro. Aus dem Bauchgefühl heraus würde ich sagen, dass wir rund 50 Bücher dort zum Durchschnittspreise von acht Euro losgeworden sind. Vor einigen Tagen haben wir darüber informiert, dass wir das Buch auch für zehn Euro per Post nach Hause schicken. Dafür haben sich rund 170 Personen gemeldet, wieviele davon auch Geld überweisen, steht natürlich noch in den Sternen. Aber da könnten nochmal (170-X)*9 Euro reinkommen (ein Euro möchte die Post für Versand).

Scheitern als Chance: Was lernen wir daraus?

Das wissen wir noch nicht genau. Vielleicht probieren wir es beim „Netzpolitik Jahrbuch 2013“ einfach anders aus. Man könnte z.B. erstmal eine Crowdfunding-Aktion starten und sagen: Wir sammeln X Euro und wenn das reinkommt, bekommen Spender ein gedrucktes Buch oder ein eBook. Und wenn sogar Y Euro rauskommen, dann verschenken wir das Buch sofort. Oder wir verkaufen es zuerst und stellen es nach einigen Tagen oder Wochen online. Das könnte man auch kombinieren mit „Erst wenn Z Euro durch Verkäufe eingegangen sind, releasen wir es kostenlos“. Und falls wir mal mit Spenden ausprobieren, könnten wir allen Spendern ein (e-)Buch kostenlos zukommen lassen und die anderen müssen zahlen. Apropos Spenden: Wahrscheinlich wäre einiges an Spenden reingekommen, hätten wir parallel zum Verschenken einen Spendenbutton und eine Kontonummer dazu gepackt. Weil viele sagten, dass sie ungerne die Mittelsmänner alle mitfinanzieren wollen. Haben wir aber nicht, weil wir dafür noch kein Konto haben. Geflattert wurden beide Artikel 58 Mal, das bringt optimistisch vielleicht nochmal 50 Euro in den Buch-Topf.

Ganz sicher wird das nächste Jahrbuch nicht mehr eine Woche vor Weihnachten erscheinen, wo die Hälfte schon im Urlaub und der Rest in Gedanken daran ist, sondern viel früher. Kommen wird es aber definitiv. Wir wissen jetzt auch, wie lange die „Verpackung“ dauert, also das Redigieren, das Layouten und das Warten auf eine Freischaltung in den unterschiedlichen Stores. Wahrscheinlich kann man durch ein paralleles Release auf allen Kanälen mehr verkaufen.

Hat es sich denn gelohnt?

Ganz sicher. Ein Buch machen und es dann in den Händen halten macht einfach Spaß. Das Feedback war auch durchgehend positiv. Außerdem kenne ich es von anderen Sammelbänden, was es teilweise für eine Mühe ist, jemanden zu finden, der das druckt und kein Geld will. Oftmals zahlen vor allem Wissenschaftler noch drauf. Bezahlt haben wir und unsere Autorinnen und Autoren nur mit unserer Lebenszeit. Gelesen wurde es wohl trotzdem: Das PDF wurde bei uns 13.227 Mal heruntergeladen. Das Torrent mit den verschiedenen eBook-Formaten ist leider schwer messbar. Natürlich würden wir uns auch freuen, wenn es kommerziell ein riesiger Erfolg geworden wäre. Aber wir sind auch realistisch: Es war einfach nur ein guter Sammelband zu einem speziellen Thema mit wenig Mainstream-Anschlußfähigkeit, vielleicht zu einem falschen Zeitpunkt veröffentlicht und dann auch noch gleichzeitig verschenkt – aber dafür mit viel Liebe und Herzblut gemacht.

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13 Ergänzungen

  1. Interessanter Erfahrungsbericht. Finde ich sehr schön, dass ihr das Buch frei zur Verfügung stellt aber es die Leute trotzdem noch in der Hand haben wollen und auch was dafür zahlen.

    Eine Anmerkung zu euren Plänen:
    „…wir sammeln X Euro und wenn das reinkommt, bekommen Spender ein gedrucktes Buch oder ein eBook. “

    Da müsst ihr aufpassen wegen den Abmahn-Fuzzis und der Buchpreisbindung – lest euch mal die Geschichte von diesem Berliner Verlag durch, der auch Bücher gegen Spenden abgeben wollte:

    http://www.berlinstory-verlag.de/blog/anwaltsschreiben-stoppt-unser-fair-pay-ebook/288

    Lösung könnte sein, das „Jahrbuch“ eben nicht als Buchformat zu bezeichnen…aber ich kenn mich da nicht genau aus, wollte euch nur auf die Problematik hinweisen.

      1. Hätte ich mir eigentlich denken können, dass die Geschichte nicht an euch vorübergegangen ist. (:

        So wie ich das als Laie sehe, müsstet ihr die Spende formal vom Bucherwerb trennen, also zum Beispiel sagen: „Ihr bekommt das Buch (umsonst oder für 50 cent….). Wenn euch gefällt was wir hier insgesamt auf der Seite machen, dann spendet bitte“.

        Und nicht, wie der Berliner Verlag, die Leser auffordern, selbst einen Buchpreis festzusetzen, das war wohl das rote Tuch für die Anwälte.

  2. Von 13227 (plus ein paar hundert) Lesern koennen viele Wissenschafter, die fuer ihre Publikation bezahlen, nur träumen.

    Glueckwunsch!

  3. Hi Markus,
    wir experimentieren gerade bei einem Handbuch mit Subskription. Das lässt sich nett an. Man zahlt jährlich einen Subskriptionspreis und hat damit Zugriff auf das aktuelle PDF. Kein Dauer-Abo! Kein Club! :-))

  4. Möglicherweise gibt es noch eine andere Erklärung für die relativ geringen (Sind sie das? Ich habe da absolut keinen Vergleich.) Verkaufszahlen: Ich bspw. habe dafür schlicht keinen Bedarf. Klar ist es für Leute, die sich eben nicht ständig auf dem Laufenden halten ganz schön so eine Jahreszusammenfassung zu haben, noch dazu auf Papier. Aber die Leser des Blogs gehören vermutlich eben genau nicht zu dieser Gruppe…

    1. Geht mir ähnlich. Habe mir deshalb bloss den torrent gezogen und bin seither am seeden(Sozusagen als Bandbreitenspende). Jedoch scheint der Bedarf gering zu sein. Mein Ratio liegt immer noch bei 0.85. Also bin ich Netto doch bloss ein Bandbreitendieb.

  5. Habs auch aus der Bucht aber dafür ne spende per Flattr.. Dachte,dass Ihr damit am meisten Geld raus bekommt.
    Bin echt mehr vom eBook als vom print angetan.

  6. Ich habe mir das (glaube ich) auch gesaugt, bin aber nicht dazu gekommen, es anzusehen.
    Downloads wirken – sofern ich weiß – auch hauptsächlich als a) Kickstarter völlig Unbekannter (was hier nicht der Fall ist, jedenfalls in dem Gebiet), vor allem aber b) als Long Tail Verlängerer. Die Verkäufe nach 3 oder 4 Jahren sind deutlich höher.
    Für diesen Fall ist aber ein Jahrbuch ein denkbar schlechtes Medium ;)

  7. steh ich auf dem schlauch? wieso scheitern? wurde doch in großen mengen gedownloadet. und über 1000 euro sind reingekommen. und wie ist die überschrift gemeint, also das ‚beinahe reich‘? ich verstehe nicht. was waren denn überhaupt die kosten, wenn die autor*innen kostenfrei schrieben und die druckexemplare geschenkt waren?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.