Six Strikes in den USA: Provider sollen Internet-Anschlüsse drosseln, auch von Firmen und WLAN-Anbietern

Internet-Provider in den USA sollen ihren Nutzern Videos über das Urheberrecht aufzwingen und Internet-Anschlüsse verlangsamen, wenn ihnen unerlaubtes Filesharing vorgeworfen wird. Das berichtet TorrentFreak beispielhaft an Dokumenten des Providers Verizon. Aber ob drei oder sechs Strikes – Warnhinweise privatisieren die Rechtsdurchsetzung und haben fatale Nebenwirkungen.

Im Juli 2011 berichteten wir, dass Provider in den USA ein Warnsystem bei Urheberrechtsverletzungen planen. Damit werden die Forderungen von Film- (MPAA) und Musik-Industrie (RIAA) verwirklicht, die extra ein Center for Copyright Information gegründet haben, um das Vorhaben durchzusetzen.

TorrentFreak hat jetzt auf der Webseite des Providers Verizon ein nicht-indexiertes Dokument gefunden, dass die Pläne zur Umsetzung dokumentiert.

Demnach „nutzen Copyright-Inhaber bestimmte automatisierte Technologien, um Internet-Nutzer zu identifizieren, von denen sie glauben, dass sie an möglichem illegalen Filesharing beteiligt sind.“ Korrekter lautet das wohl: „Von Verwertern beauftragte spezialisierte Firmen beteiligen sich an Filesharing-Netzwerken, um IP-Adressen zu sammeln, die angeblich auch Filesharing betreiben“. Diese IPs und Werke landen in Deutschland bei Abmahn-Anwälten, in den USA sollen die Provider die Rechtsdurchsetzung übernehmen und ihre Kunden ermahnen.

Six Strikes

Das erste und zweite Mal, wenn Verizon so auf vermeintliche Urheberrechtsverletzungen hingewiesen wird, schickt der Provider eine E-Mail und eine automatische Voice-Mail auf den registrierten Telefonanschluss, dass man des Filesharings verdächtigt wird und wie man seinen Computer nach Filesharing-Programmen durchsuchen kann.

Beim dritten und vierten Mal wird „der Browser des Anschlusses“ auf eine spezielle Webseite geleitet, auf der man ein Video über Urheberrechtsgesetze und „die Konsequenzen von Urheberrechtsverletzungen“ anschauen und dieses bestätigen muss, um das Internet weiter nutzen zu können.

Beim fünften und sechsten Mal bekommt man wieder eine spezielle Webseite vorgesetzt. Auf dieser muss man wählen, ob die Anschluss-Geschwindigkeit sofort oder erst in zwei Wochen auf 256 kb/s gedrosselt werden soll. Oder man kann den Fall von der American Arbitration Association überprüfen lassen, einer privaten Firma, für 35 Dollar.

Gleichzeitig, und das sagt Verizon nicht selbst, können RIAA und MPAA die IP-Adressen von wiederholt Verwarnten bekommen, um rechtlich gegen diese vorzugehen, ähnlich, wie es in Deutschland passiert.

Unsinnig und gefährlich

Warum diese Art Warnhinweise unsinnig und gefährlich sind, hat der Digitale Gesellschaft letztes Jahr in einem Schattenbericht ausgeführt. Aus der Pressemitteilung:

Im Schattenbericht des Digitale Gesellschaft e.V. wird deutlich: Existierende Warnmodelle in anderen europäischen Staaten zeigen, dass die Maßnahme erhebliche grund- und datenschutzrechtliche Probleme aufwirft. Das System in Irland wurde aufgrund dieser Bedenken sowie Beanstandungen durch den Datenschutzbeauftragten wieder eingestellt. Auch die EU-Kommission hatte in der Vergangenheit immer wieder betont, dass Internetprovider keinen Einblick in die Inhalte der von ihnen transportierten Daten nehmen dürfen.

Zudem sind solche Systeme fehlerbehaftet. Private Firmen ermitteln IP-Adressen in Filesharing-Netzwerken, um die Inhaber dieser Adressen zu verwarnen. Doch die bloße Anwesenheit im Filesharing-Netz bedeutet noch keine begangene Urheberrechtsverletzung. Auch ist der Inhaber eines Internet-Anschlusses nicht automatisch der Benutzer hinter einer IP-Adresse. In anderen Staaten sind dutzende Fälle bekannt geworden, bei denen Unschuldige zu Unrecht verwarnt wurden.

Neben der Privatisierung der Rechtsdurchsetzung wird durch das Vorsetzen einer Webseite auch mal en passant die Netzneutralität beerdigt.

Ein weiteres Problem: Nicht nur bei Privat-Anschlüssen ist ein Filesharer nicht zwangsläufig der Anschlussinhaber. Bei Firmen und Geschäften mit WLAN ist oft nicht nachvollziehbar, welcher einzelne der vielen Nutzer/innen nun ein Werk ohne Lizenz getauscht haben soll. Trotzdem sollen kollektiv alle Menschen, die den Anschluss verwenden, bestraft werden. Ein Cafe mit WLAN auf 256 kb/s kann das dann genauso gut abschalten. Das sieht auch Sherwin Siy der NGO Public Knowledge so:

This does create a scenario that discourages open Wi-Fi, which I think is a problem – I’m sure everyone has a story about how they had their day saved by some stranger being neighborly enough to allow public access to their wireless signal.

Nach unserer Ansicht ist das genau der falsche Weg in der Diskussion um freies WLAN.

Dass Warnhinweise ein Irrweg sind, hat neben Irland auch Frankreich eingesehen – und schafft diese derzeit wieder ab.

6 Ergänzungen

  1. Das mit dem Vorsetzen einer Website hat mit Netzneutralität nix zu tun, das ist mit der Anmeldeseite in jedem zweiten Hotel-WLAN genau so.

    1. Andersrum: Das ist auch bei WLAN eine Verletzung des End-to-End Prinzips. Wenn der ISP das auf der Leitung macht und das nichtmal auf vom Endkunden kontrollierer Hardware basiert: Umso schlimmer.

  2. Das ist Protektionismus der Film und Fernsehbranche, und vor allem eine Behörde als Anlaufstelle für alle Copyright-Klagen. Und von der erwarte ich noch einiges mehr zu hören…

  3. Da man seine Daten ja erst beim 5. Mal ueberpruefen lassen kann (und dann gegen Geld von einer Privatfirma!), sollte man erst einmal jeden Internetuser pauschal 4x abmahnen.
    Bis dahin kann er sich nicht beschweren und man ist gleich da, wo man hin will: Beim Abkassieren.

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