Innenministerium musste kritische Mail löschen, weil ihre Postfächer nur 9 MByte groß sind

Das Bundesministerium des Innern (BMI) hatte der BILD-Zeitung (und nur ihr) die Studie „Lebenswelten junger Muslime“ im März 2012 vor deren Veröffentlichung bereits zur Verfügung gestellt. Die BILD berichtete daraufhin üblich reißerisch einen Tag vor der offiziellen Vorstellung der Studie über ebendiese und hatte für diesen Tag die Deutungshoheit inne – schließlich konnte niemand die Zahlen und Thesen überprüfen. Friedrich bestritt vorerst, dass die BILD die Studie aus dem BMI erhalten habe, entschuldigte sich wenig später jedoch in einer nichtöffentlichen Sitzung für die Falschaussage. Aufgrund interner Kommunikationsprobleme sei die Übermittlung der Studie nicht bekannt gewesen. Sevim Dagdelen (Die Linke) hatte daraufhin eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, die im Oktober 2012 beantwortet wurde (PDF). Auf die Frage, wer von der Vorab-Sendung der Studie per Mail an die BILD-Zeitung wusste und wieso sich niemand daran erinnere, wann genau das geschah, heißt es:

Der genaue Zeitpunkt der Übermittlung lässt sich nicht mehr ermitteln. Aufgrund begrenzter Speicherkapazitäten müssen versendete E-Mails regelmäßig gelöscht werden. So wurde auch die E-Mail, mit der die Studie an die Redaktion der „BILD-Zeitung“ übersandt wurde, gelöscht.

Hier hakte die Linke nach und erhielt am 30. Januar eine Antwort aus dem BMI, die heise online vorliegt:

„Im Pressereferat des BMI stand den Referenten bis Dezember 2012 ein nur auf 9 MB beschränktes Postfach zur Verfügung. Dadurch bedingt musste immer wieder das Postfach leer ‚geräumt‘ werden, d.h. Mails gelöscht werden. Insofern ist es in der Pressestelle ‚üblich‘ die Postfächer regelmäßig zu leeren. Die Mails werden individuell je nach Arbeitsplatzkapazität des jeweiligen Computerarbeitsplatzes gelöscht.“

Aber, es kommt noch besser:

Eine Angabe zur tatsächlichen Kapazität des E-Mail-Postfaches enthält die Hausanordnung nicht. Das BMI wollte die tatsächliche Größe auch auf Nachfrage von heise online nicht nennen. „Das BMI gibt aus Gründen der IKT-Sicherheit keine quantitativen Angaben zur Konfiguration seiner Mail- oder Dateisysteme heraus. Die Angaben könnten genutzt werden, um einen IT-Angriff auf das BMI passgenau zu justieren“, teilte Friedrichs Pressesprecher Jens Teschke heise online mit.“

Und das ist unser Ministerium u.a. für IT und Netzpolitik.

40 Ergänzungen

    1. wäre unser Staat ein Unternehmen, hätten sofort sämtliche Aufsichtsbehörden das Ding dicht gemacht, ich frage mich nur, ob da nicht der Bankrott dem zuvorgekommen wäre

    2. http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/abteilungen/abtb/bbea/01_bmi_dahmen.pdf


      Grundlagen –(el.) Bearbeitung und Postausgang

      Die IT-Richtlinie BMI regelt u.a.
      * Geschäftsgang (Mitzeichnungen erfolgen nach Möglichkeit durch el. Weiterleiten)
      * Versandvon E-Mails (Referatsadresse als Absender, Adressat ist Referatspostfach

      Sprich es gibt im BMI generell KEINE Aufzeichnung von Postausgängen wenn der Mitarbeiter nicht explizit Mails an eine vorgesehene Archivierungsadresse weiterleitet.

      So entledigt man sich wohl dem zeitaufwändigen Schreddern von Akten die ggf brisante Informationen über unrechtsstaatliches Vorgehen enthalten würden.

      Das Papierlose und geheime Kommunikationsbüro ist im BMI wohl schon eingezogen.

    1. Pop3 dient der ausschliesslich der Speicherung eingehender Mails, Imap auch. Versendet hingegen werden emails mit Smtp. Speicherplatz wird daher höchstens in der Sentbox des MUA(Clients) belegt. Wenn die nun nur 9 MB klein ist?

  1. Ist BMI so ne gebräuchliche Abkürzung? Leute, ich finde ihr macht es den Lesern manchmal ein bisschen zu schwer. Sonst danke für den Artikel.

    1. BMI ist absolut gebräuchlich für das Bundesministerium des Inneren. Als leichtere Lektüre kann ich die Bildzeitung sehr empfehlen ;-}

    2. Und die abkürzung wird im ersten Satz eingeführt: „Das Bundesministerium des Innern (BMI) hatte der BILD-Zeitung…“

  2. Eine weitere Bestätigung für meine These, dass in öffentlichen Stellen großteils Menschen arbeiten, die von ihrem Job nur wenig Ahnung haben. Wer durch die Auswahlverfahren kommt, ist meist kein Profi in seinem Fach, sondern im Verstehen jener Verfahren – also zumeist Bürokrat. Das habe ich schon selbst erlebt.

  3. Glauben die tatsächlich, dass irgendjemand denen das abkauft? Ein typischer Friedrich würde ich sagen.

  4. Im BMI sind natürlich Profis beschäftigt. Aber wenn diese mit Informationen nicht rausrücken wollen, dann werden eben alle anderen als Idioten behandelt. Es sind eben „politische Antworten“ wie man sie auch aus anderen Ministerien und Behörden kennt.
    Entweder geheim halten oder dumm stellen – damit kommt man in den meisten Fällen durch.

  5. Das systematische Löschen von amtlichen Schriftgut hat in der CDU/CSU eine langjährige Tradition. Prominentester Fall sind die Bundeslöschtage 1998, als Mitarbeiter von Helmut Kohl (der später 100.000 DM dem Staatsanwalt zahlte, dass kein Strafverfahren eingeleitet wurde – CDU-Spendenaffäre) im Bundeskanzleramt massenhaft elektronische Akten des Staates vernichteten:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesl%C3%B6schtage

    In der Folge, als 1998 Rot-Grün an die Regierung kam, sortierte der damalige Bundesminister des Inneren (BMI) Otto Schily (SPD) und seine damalige Staatssekretärin Brigitte Zypries (SPD) sowohl die Gemeinsame Geschäftsordnung (GGO) der Bundesministerien und die Registraturrichtlinie (RegR) neu. Danach wurde elektronisches Schriftgut dem papieren gleichgestellt. Vor ein Löschung muss das Schriftgut dem Bundesarchiv angeboten werden.
    http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/bundesarchiv_de/beratung/behoerden/schriftgutverwaltung/registraturrichtlinie.pdf

    Darin heisst es:
    „§ 21 Aussondern von elektronisch gespeichertem Schriftgut
    (1) Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist ist dem Bundesarchiv elektronisch gespeichertes Schriftgut gemäß der Anlage 8 anzubieten und vollständig zu übergeben. Über die Form der Abgabe entscheidet das
    Bundesarchiv im Benehmen mit der abgebenden Stelle.
    (2) Die abgebende Stelle bestätigt bei der Übergabe elektronisch signierter Unterlagen, dass diese nicht nachträglich verändert wurden und die elektronischen Signaturen zum Zeitpunkt der Übergabe gültig waren.
    (3) Zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Aussonderung ist bei Einführung von Systemen zur elektronischen Schriftgutverwaltung und Vorgangsbearbeitung in Abstimmung mit dem Bundesarchiv eine
    Schnittstelle vorzusehen.“

    Man könnte nun die Vermutung haben, dass das eigenmächtige Löschen von elektronischem Schriftgut im BMI durch Mitarbeiter rechtswidrig sein könnte. Dem parlamentarischen Staatssekretär Schröder (CDU), Gatte der Bundesministerin Schröder (CDU) scheinen die Grundlagen des Verwaltungshandeln in den Bundesministerien nach Recht und Gesetz so nicht geläufig zu sein. Das wird eine spannende Frage, ob es sich der Deutsche Bundestag gefallen lässt, dass die von ihm zum beaufsichtigende Regierung sich möglicherweise erneut nicht an Gesetz und Ordnung hält, wenn die Union die Regierung bildet, wie es schon bei Helmut Kohl war.

  6. Ergänzend sei vielleicht hinzugefügt, dass der verbesserungsfähige Umgang mit (elektronischem) Schriftgut nicht erst jetzt bekannt wurde, sondern schon 2010 vom Bundesrechnungshof öffentlich beklagt wurde vom vom Bundestag veröffentlicht wurde.
    „Der Bundesrechnungshof hat dargelegt, wie die Schriftgutverwaltung
    des Bundes verbessert werden kann. Das Bundesinnenministerium will die Empfehlungen aufgreifen.“
    http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/036/1703650.pdf
    Unter Punkt 37.

    Verlorene Jahre. Die bleierne Zeit.

  7. Also i.d.R. arbeiten in unseren Ministerien durchaus fähige Menschen und Blödsinn quatschen i.d.R. gewählte Minister und berufene Pressesprecher, die dafür nur begrenzt verantwortlich sind. Des Weiteren rudert Friedrich, sowie einige andere CSU ler gern zurück – konnte man am Donnerstag in Report Mainz wieder schön sehen (Thema Syrienflüchtlinge). Falls der über eine gefakte Uni-Arbeit fallen würde, wärebdas meines Erachtens ein „Segen“.

  8. Na ja,wenn überrascht’s:Auch Ministerien arbeiten mit“Stammtisch Gossen Medien“zusammen. BMI kann man auch anders aussprechen, das überlass ich mal dem geneigten Leser/Leserin.

  9. 12. Ano Nym schlägt den einzig richtigen Weg ein. 9 Megabyte, das sind 9.000 Kilobyte, das sind 9.000.000 Byte, und das wiederum entspricht 72.000.000 Bit. Das sieht doch jede schwäbische Hausfrau ein, daß das für eine Pressestelle reichen muß!!

  10. Also das ist dermaßen albern und beweißt mal wieder wie ungebildet viele Politiker im Umgang mit Computern sind. Davon abgesehen das 9MB völlig aus der Zeit gefallen sind… Also man kann es sich ja kaum vorstellen, dass es sowas überhaupt gitb, aber man kann die Mails doch immerhin archivieren (Vorrausgestzt, die Festplatte hat mehr als 50 MB :-D ).

    Auch die Aussage man werde die Größe des Postfaches nicht weiter kommentieren, weil dadurch ja ein potentieller Angreifer einen maßgeschneiderten Angriff vorbereiten könnte, dokumentiert eindrucksvoll Friedrichs Fachkenntnisse. Am einfachsten wäre es wohl die Postfächer mit ein paar emails zuzumüllen. Viel braucht es dazu nicht, 4-5 Mails mit einem Anhang von etwa 2MB und schon ist der Laden dicht ^^

  11. Wenn mich nicht alles täuscht, müsste es doch zumindest irgendwo einen Ausdruck des Mailverkehrs existieren. Man nennt sie ja nicht ohne Grund Internetausdrucker.

  12. Und Backups der Emails (Server) gibt es auch nicht?
    Das schreit nach der nächsten Anfrage an das BMI.

    PS: Die 9MB sind doch wohl eher die Grenze für Anhänge und nicht für die Mailbox.?!?
    Was machen denn die Mitarbeiter wenn die mal 2 Tage im Urlaub / Krank sind, schon wenige einzelne Mails mit Bilder oder PDFs im Anhang würden doch die Mailbox überlaufen lassen …

  13. Ähh, das ist vollkommen normal. Ich kenne nur wenige Ministerien, die mehr als 50 MB Postfachgröße haben und ja damit ist die Größe des Postfachs gemeint und nicht die maximale Größe eines Anhangs.

  14. Es ist unglaublich, aber wahr, aber … es ist möglich eMails (echt jetzt, wenn ich es doch sage, wirklich), also man kann die Dinger einfach lokal auf dem Rechner speichern, einfach so, ohne Raketenwissenschaften studiert zgu haben!

    1. Wenn denn ein Rechner zur Verfügung stünde. Tatsächlich finden sich in Verwaltung und Behörden heutzutage oft nur noch Thin Clients. Aufgestellt und gewartet werden die von IT-Firmen, mit denen die Behörde einen Rahmenvertrag hat. Die Dinger werden übers Netz gebootet und haben maximal ein paar MB als Pufferspeicher, aber z.B. keine eigene Harddisk.

  15. Könnte der Fall eintreten, das falls ich Freitags nachmittag eine Mail mit 3 Pics an das BMI schicke, gegen mich Ermittlungen durch das BKA wegen erheblicher Gefährdung des Internets durchgeführt werden? Immerhin kann dann das BMI bis Montag Vormittag keine Mails mehr in Empfang nehmen,

    Ich frage nur mal so

    1. Nö, der Empfang wird nicht blockiert nur der Benutzer kann keine Emails mehr schreiben bis er sein Postfach aufgeräumt hat.

  16. Ich brauch dringend noch ein paar zusätzliche Hände – die zwei, die ich hab, reichen schon längst nicht mehr zum Facepalmieren aus.

  17. Es ist vielleicht so eingerichtet damit immer alle ihr Postfach schön aufgeräumt haben? Soll ja nicht zu viel Datenmüll rumliegen :) Oder die haben Angst, dass zu viele Lustige Powerpoint Präsentationen herumgeschickt werden…

  18. Sie wollten nur ein Exempel statuieren, warum dieses komische eMail-Zeug so unzuverlässig ist. Mit der neuen DE-Mail wäre das natürlich NICHT passiert … ;)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.