JMStVCamp: Interview mit dem netzpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag NRW Matthi Bolte

Im Rahmen der Serie zum JMStVCamp in Essen haben wir heute zwei weitere Interviews. Und zwar mit:

Matthi Bolte überraschte mich Anfang September 2010 mit einer ausführlichen Mail, in der er erklärte, warum die rot-grüne Koalition in NRW den Jugendmedienschutzs-Staatsvertrag eigentlich nicht stoppen könne, auch wenn man es gerne würde.

Der Landtag hat zwar das formelle Recht, Staatsverträge abzustimmen, es würde aber allen politischen Gepflogenheiten und nicht zuletzt auch der Verfassungstradition (Kontinuitätsgebot) widersprechen, wenn ein Landtag zu einem so weit fortgeschrittenen Zeitpunkt im Verfahren den Staatsvertrag scheitern ließe. […]

Ich weiß, dass dieses Vorgehen nicht sofort nachvollziehbar ist, und wir haben auch im Verlauf der letzten Woche eine Menge interner Debatten geführt. Die Lage ist aber nun, wie sie ist, und wir kommen nicht umhin, diese Schwarz-Gelbe Altlast zunächst mitzutragen, dann aber sofort in den Evaluationsprozess einzusteigen.

Zum Glück kam es dann doch anders. Um so gespannter war ich natürlich auf unser Gespräch auf dem JMStVCamp in Essen:

Netzpolitik: Herr Bolte, die Grünen unterstützen das JMSTCamp als Sponsor und sind auch in den Diskussionsrunden vor Ort gut vertreten. Sind Sie enttäuscht, dass kaum Kollegen aus der SPD-Fraktion der Einladung nach Essen gefolgt sind?

Matthi Bolte: Also ich glaube, die SPD-Fraktion und auch die Jusos, die ja auch mit als Sponsor auftreten, sind hier ja durchaus gut vertreten. Der medienpolitische Sprecher der Landtagsfraktion (Anmerkung der Redaktion: Interview folgt morgen) ist hier, ebenso der Medienstaatssekretär. Von daher glaube ich schon, dass auch die SPD-Kollegen die Chance hier zum Dialog nutzen.

Netzpolitik: Union ist relativ dürftig, CDU, da habe ich, glaube ich, noch gar keinen gesehen, oder?

Matthi Bolte: Die netzpolitische Basis der CDU ist da.

Netzpolitik: Stimmt, zwei Blogger, ja. (Anmerkung der Redaktion: Malte Steckmeister hat vom JMStVCamp getwittert)

Matthi Bolte: Als grüne Landtagsfraktion waren wir sehr früh hier im Planungprozess eingebunden. Das JMSTVCamp ist ja auch ist ja auch sozusagen im Rahmen einer von uns durchgeführten Veranstaltung mit entstanden, bzw. die Idee für dieses Camp ist dabei enstanden. Wir haben von Anfang gesagt, wir wollen sehr gerne eine überparteiliche Diskussion ermöglichen und haben natürlich entsprechend dann auch die Kollegen von allen anderen Fraktionen eingeladen. Insofern hätte ich mich natürlich sehr gefreut, wenn die Kollegen auch der Einladung gefolgt wären.

Netzpolitik: Im Gegensatz zur Grünen Jugend, die sich ja relativ früh auch im letzten Jahr schon gegen den JMStV gestemmt hat, haben Sie den JMStV als netzpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion recht lange verteidigt. Wie hat sich die innerparteiliche Diskussion in den letzten Monaten entwickelt?

Matthi Bolte: Wir hatten im letzten Jahr ja eine sehr schwierige Situation dadurch, dass der abgewählte Ministerpräsident die Novelle noch im Juni unterzeichnet hat. Von daher war einfach die Frage, kann man mit sowas umgehen? Es ist ja tatsächlich so, dass es insgesamt in den 60 Jahren des Bestehens der Bundesrepublik nur zweimal vorgekommen ist, dass ein bereits unterzeichneter Staatsvertrag abgelehnt wurde in den Parlamenten. Insofern standen wir vor der Herausforderung mit dieser schwierigen Situation umgehen zu müssen. Da haben wir dann eine, wie ich fand, durchaus erfreuliche Diskussion innerhalb der Grünen, aber auch innerhalb aller Parteien hier in Nordrhein-Westfalen erlebt, wo tatsächlich Netzpolitik mal als ein sehr prominentes Thema gesetzt wurde. Das ist grundsätzlich erstmal positiv zu bewerten. Natürlich haben wir dann auch durchaus schwierige politische Debatten zu führen gehabt im letzten Jahr. Von Ergebnis her bin ich sehr glücklich darüber, dass die Novelle, so wie sie im letzten Jahr vorgelegen hat, gescheitert ist.

Netzpolitik: Jürgen Ertelt und Christian Scholz haben sich beschwert, dass der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, genau wie alle Staatsverträge, in Staatskanzleien hinter verschlossenen Türen erarbeitet wurden. Das ist, glaube ich, eine Sache, über die sich auch Fachpolitiker regelmäßig beschweren. Glauben Sie, dass eine Veranstaltung wie das Camp hier Impulse liefern kann, die Prozesse zu öffnen?

Matthi Bolte: Ich glaube, insgesamt müssen wir über das System Staatsverträge stärker sprechen. Nordrhein-Westfalen wird diese Diskussion auch gestalten. Das Problem war, dass die Parlamente erst sehr spät und gewissermaßen erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen, beteiligt wurden. Ich glaube aber, es ist nicht nur eine Frage die Parlamente stärker zu beteiligen. Wir müssen es von vornherein stärker schaffen auch die Beteiligten und die Betroffenen in den Prozess einzubinden.

Das ist sicherlich im System Staatsverträge, so wir es bisher kennen, so noch nicht gegeben und insofern einfach eine ganz große Herausforderung, dass wir das hinbekommen. Auch wenn ich da noch keine Prognose abzugeben vermag, bis wann wir die Verbesserungen an diesem System hinbekommen. Aber, das ist nicht nur durch die JMStV-Diskussion absolut auf dem Schirm. Ich habe es eben ja schon gesagt, es sind Vertreter mehrerer Parteien aus den Landfraktionen und auch Regierungsmitglieder hier vertreten, insofern ist das sicherlich schon einmal ein Weg, durch solche Barcamps die Diskussion zu öffnen.

Mehr Infos zum JMStVCamp gibt es hier

 

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