Oft, wenn wir uns rückversichern wollen, wie aufgeklärt unsere Gesellschaft (im Vergleich zu früher und im Vergleich zu den Wilden da draussen) doch ist, kommt eine zum abgeklärten Lächeln reizende Anekdote zum Einsatz. Klassiker ist die Geschichte von irgendwelchen Eingeborenen, die glauben, ihre Seele sei gestohlen worden, wenn man sie mit einer Kamera abgelichtet hat. Ersetze nun Kamera durch Google Street View und die Geolocation-Funktion.
Welche Grundannahmen und Spielregeln sollen gelten, wenn es darum geht, dem Internet eine Form zu geben, aus dem die Gesellschaft größten Nutzen ziehen kann – oder kommt diese Form von alleine? Welche Werkzeuge hat ein einzelner Staat heute noch, Werte der letzten Jahrzehnte und mitunter Jahrhunderte in einen weltweiten Marktplatz der Ideen einzubringen? Und überhaupt, wie steht es um die Innovationskultur in Deutschland?
Jene bereits im Posting erwähnte Firma hat vor einiger Zeit ein „Collaboratory“ angestoßen, um dem bunten Netzwerk (wer Fachrichtungen oder gesellschaftliche Gruppen dort vermisst, Vorschläge werden immer akzeptiert) derer, die sich um das Thema kümmern oder etwas dazu zu sagen haben, einen weiteren Platz zum Austausch zu geben. IMHO ein interessanter Spagat, etwas anzustoßen ohne zu dominieren, der klappen könnte.
Eines der ersten nach aussen sichtbaren Lebenszeichen ist eine derzeit noch bis Mittwoch laufende (Meinungs-)Umfrage an uns alle, Parameter der Innovationskultur abzufragen.
Die Beantwortung der Fragen sollte nicht mehr als 15 Minuten in Anspruch nehmen.
Ich wüsste gerne, wie viele von denen, die Google Streetview und Geolocation ablehnen, noch mit voller Adresse im Telefonbuch stehen.
Die Art und Weise (und Umfang) in der Google Streetview öffentlich kritisiert wird lenkt von den wirklich wichtigen netzpolitischen Themen ab. Von manchen Kritikern ist das sicher auch gewollt.
Google hat ein Privacy- und Datenschutz-Problem. Jedenfalls solange kein fundamentaler Wandel unseres Verständnisses von Datenschutz, informationeller Selbstbestimmung und Privatheit eintritt, hängt über Google das Damoklesschwert der Regulierung hin zu Datensparsamkeit und Datenvermeidung. Jeff Jarvis‘ Sauna-Geschichten auf der re:publica waren ein netzpolitischer Versuch davon ablenken, Ralf Bendraths ironische Aufforderung zur Sperrung von Google wegen Verstoßes gegen europäische Datenschutzregulativen ein Versuch darauf hinzuweisen.
Die kommunikative und ideelle Strategie von Google dürfte sein, Innovation (wichtig für Wirtschaft und Wachstum, Derivateinnovationen ausgenommen) mit Nicht-Privatheit (oder Offenheit des Persönlichen) und entsprechend Privatheit mit Innovationsunfähigkeit konzeptionell zu verknüpfen und die netzpolitische Agenden und Diskurse weg von Privatheit zu bekommen.
By the way: Die Info ist zwar nur ein Klick entfernt, aber wie wär’s mit einem Hinweis über die Teilnahme von Autor und Herausgeber?
Die Diskussion ist schon etwas paranoid. Jeden Tag erwägen irgendwelche Bundesländer, Politiker, Datenschützer ein „Gesetz“ gegen irgendeinen Dienst von Google zu starten.
Das Einbrecher (ein beliebtes Argument) auch schon dank Satellitenaufnahmen sehen können, was es für Fluchtwege und Hindernisse gibt – kein Thema. Einbrecher observieren ein Objekt entweder über lange Zeit oder machen Hit-and-Run, also rein in ein Wohngebiet, rein in dunkle Häuser und wieder weg.
Und dass die iPod-Datenbank eine halbe Milliarden (wenn ich mich recht erinnere) WLAN-Daten zur Positionierung enthält hat keinen interessiert, macht es aber Google, dann ist es selbstredend Böse.
Die Wirtschaft hat den Antichrist gefunden, den Lebrakranken, die Hexe, die Schuld an der Dürre im Ort ist. Also auf den Scheiterhaufen damit!
@ Stefan: Zustimmung. Nur den Scheiterhaufen bitte nicht allzu hoch stapeln. Wegen der Umwelt.
re:captcha mag ich heute -> maytag in..yupp
„Klassiker ist die Geschichte von irgendwelchen Eingeborenen, die glauben, ihre Seele sei gestohlen worden, wenn man sie mit einer Kamera abgelichtet hat. Ersetze nun Kamera durch Google Street View und die Geolocation-Funktion.
“
Ein kleiner Unterschied, so wie ich jemanden erlauben kann mich zu fotographieren möchte ich diese Option auch für mein Eigentum. Um es zu überspitzen, du kannst gerne erlauben dein Schlafzimmer zu veröffentlichen, aber erlaube mir auch gegen so etwas zu sein.
Wir können nun sicher über das ja auch hier veröffentlichte Statements des Papstes sein, aber mit „Intimität des Einzelnen“ hat er imo einfach recht. Das mögen viele anders sehen, aber denen die es nicht tun, bitte die Möglichkeit dazu einräumen. Hier tritt dann sicher auch die Kluft in unserer Gesellschaft auf. Sollen wir Hans Mustermann nehmen der am Fliesband arbeitet und vom Internet schon mal gerade so gehört hat. AUCH er sollte die Möglichkeit haben gegen die Veröffentlichung seines Eigentums in Google zu sein.
Die Google-Umfrage ist typisch. Schwarz-Weiss. Bei über der Hälfte der Fragen musste ich „Weder noch“ oder „Sowohl als auch“ dazu schreiben.
Die Netzneutralität muss z.B. vom Staat garantiert werden. Was soll man da antworten?
Genau das hab‘ ich mir auch gedacht. Meistens sind beide Antworten falsch (oder unter manchen Umständen die eine und unter anderen die andere richtig) oder lassen sich (mit etwas bösem Willen) so interpretieren daß etwas ganz anderes rauskommt als was ich sagen wollte. Absicht?
Für mich sieht es so aus, als ob die mit ihrer Umfrage nicht die Meinung erfragen sondern machen wollen.
Auf jeden Fall hab‘ ich noch nie in einer Umfrage so ausführliche Kommentare geschreiben…