„Tatort Internet“: … in der Schweiz!

Ich weiß nicht, ob es nur ein Vorurteil von mir ist oder tatsächlich stimmt, aber manchmal habe ich den Eindruck, dass Schweizer an manche Themen komplett anders herangehen, als ich, als Deutscher. Mir scheint das nicht nur eine Frage unterschiedlicher Persönlichkeiten und Elternhäuser, sondern tatsächlich eine grundlegender kultureller Unterschiede. Das mag mit unserer Geschichte zusammenhängen, sicher auch mit dem zweiten Weltkrieg und unserem Verständnis von Gesellschaft, jedenfalls: Schweizer ticken irgendwie anders.

Besonders deutlich wurde mir das auch wieder, als ich mir die unaufgeregte Herangehensweise in den Clips folgender Lesermail angesehen habe:

Das Schweizer Fernsehen hatte in 10vor10(=Tagesthemen) eine dreiteilige Serie zum Thema, aber ohne Guttenbergs, Sensationsgier o.ä. sondern mit journalistischen Beiträgen und praktischen Hinweisen:

1. Teil (Verdeckte Fahnder der Polizei im Netz):
http://www.videoportal.sf.tv/video?id=0b199a72-1e77-46eb-98c0-00fad3576647
2. Teil (Föderalistisch-Politische Diskussion, weniger interessant):
http://www.videoportal.sf.tv/video?id=3a8a6e33-a7d6-4ea7-a31e-bde885f13b55
3. Teil (Praktische Hinweise):
http://www.videoportal.sf.tv/video?id=45fce866-9fc9-412c-aac0-1d975c90e33c

So einfach kann es sein. Oder eben auch nicht.

Kurz zum Background: In der Schweiz gilt ab dem 1. Januar eine neue Strafprozessordnung, die den Einsatz von verdeckten Ermittlern auf Bundesebene verbietet. D.h. ab Anfang nächsten Jahres dürfen Ermittler nicht mehr präventiv auf „Chatstreife“ gehen, bis es entsprechende Regelungen auf Kantonsebene gibt.

In Deutschland gehen seit 1999 Beamte des BKA verdachtunabhängig auf Internetstreife. Nicht viele, aber immerhin. Darüber, dass generell zu wenige Beamte ihren Arbeitsplatz im Netz haben, sind sich Politik und Polizei dabei längst einig. Was die konkreten Aufgaben der „Cyber-Cops“ und die Finanzierung entsprechender Planstellen betrifft, gibt es hingegen noch Klärungsbedarf.

PS: Nein, es gibt leider keine Untertitel.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

13 Ergänzungen

  1. Wow – nach drei Minuten wird ein Kind im Internet-Chat von einem Pädophilen belästigt, sagen die Schweizer. Wo ist denn dieser Internet-Chat? Facebook? Twitter? Myspace? SchülerVZ? – gar ALLE, überall und grundsätzlich? Und auch DIE Kinder, die nicht mit 12 oder 13 offensiv nach sexuellen Kontakten suchen, wie bei RTL II demonstriert (die Zahl der „Pädophilen“ unter 18, die ein solches Angebot liebend gern annehmen würden, dürfte noch größer sein, als die über 18)?
    Und woher hat der schweizer Moderator diese doch sehr exakte Zahl? Wer hat das gemessen, wo sind die Statistiken, und woher will man das in einem mehr oder weniger anonymen Medium so genau wissen?

    Wenn man sich erstmal abgewöhnt hat, jeden noch so ernst im Fernsehen ausgesprochenen Satz einfach so zu glauben (besonders wenn Zahlen drin vorkommen), dann lässt einen dieses Medium zunehmend verwirrt zurück.

  2. Hm. Ganz so eindeutig sehe ich das nicht. Ich bin zufälligerweise am Montag über die Sendung gestolpert – und habe mich sehr geärgert. Der zugrunde liegende Ton mag in der Schweiz gemässigter sein. Die politische Aussage und Wirkung dürfte aber ähnlich sein. Ich bin froh, dass wir hier ähnliche öffentliche Hetzkampagnen (noch) nicht kennen. Jedoch zur Erinnerung: Die Schweiz kennt DNS-Sperren und die Vorratsdatenspeicherung seit Jahren.

    http://www.kire.ch/blog/2010/10/19/chatroom-pados/
    http://www.kire.ch/blog/2010/10/20/chat-padophile-nachtrag/

  3. Es ist wirklich so, dass die Schweizer hier viel weniger aufgeregt sind, und das hat sicher mit dem Prinzip der Konsens- und der direkten Demokratie zu tun. Es ist in der Schweiz weitaus üblicher und selbstverständlicher im Rahmen von Volksabstimmungen sich sachlich mit den Themen auseinanderzusetzen, insbes. auch auf regionaler und lokaler Ebene. Bürgerbeteiligung heisst mehr als zur Demo zu gehen oder bei Facebook „I like“ zu klicken, es heisst sachlicher Diskurs, Argumente, Verantwortung übernehmen, Entscheidungen mittragen. Da passt die „Krawall“ Mentalität nicht wirklich gut.
    Dazu passt auch der Artikel im Handelsblatt „Die grosse Sprachlosigkeit“ (http://ht.ly/2Xzor) gut.

    Soviel meine Two Cents als Deutscher, der schon lange in der Schweiz lebt.

  4. @Ninjaturkey: Es ist ein Anhaltswert. Ich halte ihn – nach ~15 Jahren im IRCnet und mit Blick auf große Webchat-Communitys – nicht für völlig aus der Luft gegriffen. Polemik hin oder her.

  5. Etwas OT: mit dem „warten auf api.flattr.com“ kann man seine Website gut ins off schiessen..

    Das fällt mir in den letzten Tagen bei einigen blogs häufiger auf.

    mfg.de

  6. Na ja so unsubtil ist die Sendung auch wieder nicht, wenn sie extra ein Spinnennetz fuer die Gespräche an die wand des Polizeireviers werfen. 3:03 erstes Video.
    Wenn die nicht gerade Halloween feiern, ist der Trick schon toll :D

  7. Jojo. Direkte Demokratie. Konsens. Sachlich. Mitbestimmung. Aber auch: Vorratsdatenspeicherung. Minerettverbot. DNS-Sperren. Bundestrojaner in der Vernehmlassung etc.

  8. ja @hans-peter.
    Man kriegt, was die Mehrheit will.
    Das passt dann natürlich nicht jedem einzelnen Bürger. (evtl. dir nicht?) Aber zumindest ist dann auch die Mehrheit zufrieden. Zeig mir ein Land, wo alle Gesetze genau so sind, wie „du“ sie möchtest…

  9. @Michael
    Will nicht den Eindruck erwecken, dass ich gegen die Direkte Demokratie wäre. Jedoch werden Entscheide dadurch nicht unbedingt besser. Was würden wohl die 40% gut informierten Bürger abstimmen, die heute zur Urne gehen würden? Es braucht ein Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung, oder? Gemäss der Eidg. Strafprozessordnung (die am 1.1.2011 gilt), können diese aber angeordnet werden (nur nicht für Bagatell-Fälle). Die Frage ist auch, wieso verhaftet die Polizei nicht mehr Leute, wenn diese doch so einfach aufgespürt und überführt werden können. Es fehle an Leuten…

  10. Zum Thema direkte Demokratie: Ja, auch die Entscheidungen der Mehrheit sind nicht frei von Fehlern. Aber es ist ein Unterschied, wer entscheidet, welche Fehler gemacht werden. Darüber hinaus geht den Abstimmungen in der Schweiz ein öffentlicher Diskurs voraus, den zu führen wir in Deutschland leider noch nicht gelernt haben (vgl. Sarazzin-Debatte). Sofern dieser Diskurs stattfindet muss man die Ergebnisse nicht fürchten, wie das Schweizervolk immer wieder eindrucksvoll bewiesen hat. Die Neigung extremen Entscheidungen zu folgen ist dabei eher gering ausgeprägt. Ich wäre mir garnicht so sicher, dass der Trick mit Kipo hier funktionieren würde. Zumindest ist das meine Meinung nach fünf Jahren Schweiz.

    1. ….. das wichtige bei der volksbefragung ist die erziehung zum mündigen
      bürger. dann nämlich, kann er nicht mehr sagen : die da oben sind allein
      schuld , wenn es schief läuft , sondern er oder sie sind dann ent -scheidungsträger ! GANZ wichtig . und schweiz stärkend . das geht
      auch bei uns . — ausserdem wäre ich für eine wählerprüfung , wie
      beim führerschein. ( kritische sozialkunde und staatenvergleich) . wer diese besteht , dessen stimme zählt bei wahlen 3 fach und der darf
      volksabstimmen . rückkopplung ist hier das zauberwort !

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.