Letzte Woche gab es einige Mails und einen Taz-Artikel zum Thema Zensur von Webseiten des BUND Freiburg zum Thema Atomkraft. Konkret geht es darum, dass Atomkritische Informationswebseiten bei Google nicht mehr auffindbar sind. Hier spielt die Gatekeeper-Funktion und die Instransparenz von Google eine grosse Rolle: ca. 80% der deutschen Internetnutzer nutzen Google und niemand weiss genau, warum und wie bestimmte Seiten aus dem Index verschwinden. Das erschien mir schon etwas schwierig zum recherchieren, weil das alles sehr nach Verschwörungstheorie klang. Die Taz brachte dazu einen Artikel: Atomlobby googelt mit.
Doch plötzlich sind dort die Seiten, die unter www.bund-freiburg.de abgelegt sind, nicht mehr zu finden. Und die Zugriffszahlen sind in den letzten Tagen eingebrochen. Mayer ist kein Verschwörungstheoretiker, er glaubt auch nicht an eine Manipulation durch Google. Er hat einen anderen Zusammenhang entdeckt: Google präsentiert die Seiten nicht mehr, seit sie im interaktiven Web-Lexikon Wikipedia in einer Spam-Liste auftauchen. Nun gibt Google selbst keine Auskunft darüber, nach welchen Algorithmen die Suchmaschine die Treffer sortiert. Doch für Mayer ist klar, dass Google die Spam-Liste von Wikipedia auswertet – und ignoriert, was dort gelistet ist. Mayer ist sich sicher, dass die Atomlobby es geschafft hat, alle Links zu den Anti-AKW-Seiten des BUND auf die schwarze Liste zu bringen. Diese Liste wurde eigentlich für allzu werbliche oder auch politisch radikale Seiten geschaffen. Mayers Indiz: Unverfängliche Links des BUND sind bei Wikipedia stehen geblieben – etwa solche zum Bau von Nistkästen.
Nun liest man in der Badischen Zeitung, dass der BUND-Freiburg selber nicht so ganz unschuldig bei der Sache war, wie es sich anhörte: BUND Freiburg: Machtkampf im Netz.
Mayer stellte dafür eigens einen Zivildienstleistenden des BUND ab, der allein die Aufgabe hatte, auf Wikipedia Links zu setzen. Das Problem: Kaum war er am Ende der langen Liste angelangt, konnte er gleich wieder von vorne beginnen. „Manchmal wurden die Links binnen Stunden, manchmal binnen Minuten wieder gelöscht“, berichtet Mayer.
Das klingt etwas nach Selbstverschuldung. Mit etwas Hintergrundwissen über die Arbeit der Wikipedia-Community hätte man rasch herausfinden können, dass diese Vorgehensweise absolut kontraproduktiv ist. Ich bekomme öfters Anfragen von NGOs, wie sie bei Wikipedia ihre Seite verbessern können. Ich empfehle dann immer, dass man dies transparent tun soll und immer an den neutralen Standpunkt denken soll. Im Optimalfall weist man offen und transparent mit guten Argumenten, den neutralen Gesichtspunkt im Blick, auf der jeweiligen Diskussionsseite an, dass im Artikel noch Punkte fehlen. Aktive Mitglieder lassen sich von guten Argumenten überzeugen. Alles andere läuft Gefahr, nach Hinten los zu gehen.
Und einen Zivildienstleistenden abzustellen, damit dieser mal überall Links setzt und Flame-Wars startet, kann man durchaus als Worst-Case bezeichnen.
Das mit dem Zivi ist ja lustig, ob die Stelle wohl offiziell so genehmigt wurde? Aber Problematisch ist es natürlich schon, dass Gebilde wie die Wikipedia für jemanden der sich nicht genau damit beschäftigt hat, kaum zu durchschauen sind.
In den Kommentarten zu dem taz-Artikel findet sich ein ausführlicher und recht lesenswerter Text aus der Schweizer Wochenzeitung Woz zu dem Thema.
Atomindustrie contra Meinungsvielfalt
BUND Freiburg vs. Atomlobby
Schon die Überschrift: BUND Freiburg vs. Wikipedia ist falsch. Es geht
nicht gegen die freie Enzyklopädie, sondern um den Einfluss der
Atomindustrie auf deren Inhalte.
Es ist leider typisch, dass einer der wenigen Fehler im Bericht der
Badischen Zeitung genutzt wird, um daraus einen Angriff zu konstruieren.
Wenn ein BUND-Zivi 9 Monate lang ununterbrochen Links gelegt hätte, dann
müssten das Hunderttausende von Links sein.
Der vom BUND augelöste, öffentliche Konflikt um den Einfluss der
Atomindustrie auf Wikipedia, hat schon positive Veränderungen gebracht.
Die bisher sehr einseitigen, Pro-Atomseiten werden langsam ein wenig
ausgewogener, die Umweltbewegung ist aufgewacht und beginnt sich zu
engagieren. Das ist auch ein Fortschritt für Wikipedia.
Was in dieser Debatte in der „Netzpolitik“ fehlt ist die Debatte
um Burson Marsteller.
Eine der größten PR-Firmen der Welt, Burson Marsteller, hat im Auftrag
der Öl- und Kohleindustrie jahrelang Kampagnen zur Verharmlosung des
Klimawandels organisiert. Jetzt arbeitet Burson Marsteller für die
Schweizer Atomindustrie („Nuklearforum“) und dreht die bisher verwendeten
Aussagen ins Gegenteil um. Die Kampagne „Kernenergie rettet das Klima“
stammt auch von der Werbefirma, die jahrzehntelang im Auftrag der Kohle-
und Öllobby die Klimaveränderung heruntergespielt hat.
Im Buch ”GIFTMÜLL MACHT SCHLANK” “Die Wahrheit über die Public-Relations-
Industrie” von John Stauber und Sheldon Rampton (ISBN: 3-936086-28-1)
wird genau beschrieben, wie Burson Marsteller Umweltorganisationen und
Soziale Bewegungen infiltriert, unterwandert, manipuliert und ausspäht.
Die Manipulation des Internets gehört heute zu den klassischen Aufgaben
solcher Werbefirmen. Die Anonymität von Wikipedia macht es den PR-Profis
sehr einfach gezielt Einfluss auf die Wiki-Atomseiten zu nehmen. Es war
erschreckend, wie wenig sich die die echten Wikipedianer und die
Umweltbewegung mit diesem Thema auseinander gesetzt haben. Der aktuelle
Konflikt könnte das ändern.
Mehr Infos:
http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/wikipedia-google-atomkraftwerk-manipulation.html
Axel, es geht mir hier nicht um Burson Marsteller, sondern darum, wie man die Wikipedia auch von NGO-Seite *richtig* nutzt, um solche Konflikte zukünftig zu vermeiden.