Heute ist es etwas ruhiger in Rio. Das liegt u.a. daran, dass es gestern Abend ein gemeinsames Essen mit Freigetränken gab, was dazu führte, dass heute morgen erstmal einige Referenten ausfielen. Wir waren pünktlich da, vor allem, wiel unser Hotel mit einem grösseren Geräuschpegel ein auschlafen unmöglich macht. Das erste Panel zum Thema “Towards a bridge between the commons in science, art and innovation” war teilweise interessant. Vor allem James Boyle, der sehr eloquent auf verschiedene Strategien hinwies, wie man in Argumentationsfallen laufen kann, bzw. diese vermeidet, wenn man für eine Commons /Allmende argumentiert. Hier wird ja alles aufgezeichnet und später gibts dazu die passende Aufnahmen. Er sprach einfach zu schnell und mit Akzent, um nach dem ersten Kaffee den Argumentationen bloggend zu folgen.
Jenny Toomey von der Future of Music Coalition war auch cool, die versuche ich noch, für ein Interview zu bekommen. Aber dann gabs Fussball und wir setzten uns dazu ins Hotelrestaurant, wo man gleichzeitig einen Blick auf einen grossen Fernseher und auf den Strand vorm Fenster werfen konnte. Zum Glück kamen wir pünktlich, um beide Tore mitzubekommen. Später gabs ein Panel zu „Open Business – The Enterprise Commons“, was mich vor allem auch beruflich interessiert. Allerdings hatte ich mir ein wenig mehr davon erwartet. Interessant war die Idee eines „Model Agency Agreement“ in Form einer „Commercial Commons Licence“. Dazu gibts eine ausführliche FAQ und weitere Infos auf der Open Business – Webseite.
Komplett unpassend fand ich die Präsentation von „my mojay“ aus Südafrika. Die wollen so ein „Virtual Recording Studio“ für Handies und Internet anbieten, womit man Klingeltöne und Musik erstellen kann und das ein wenig Social Software Features aus bekannten Diensten wie last.fm & co integriert. Das Geschäftsmodell dahinter ist, dass es ja einen Mehrwert für die Telkos und Handyhersteller wäre. Was das mit Open Business zu tun haben soll, erschliesst sich mir immer noch nicht. Da könnte man eigentlich fast jedes x-beliebige Businessmodell, was irgendwie auf Austausch von Daten ausgelegt ist, auch dazu zählen.
Sonst gabs eine Präsentation von zwei Wissenschaftlern der London School of Economics, wo ich aber erst zum Schluss nach einem verwirrten Mittippen feststellte, dass sie lediglich ihren Studiengang vorstellten und nichts konkretes. Das war vielleicht verwirrend und man hätte es ruhig auch am Anfang mitteilen können. Die Folien bis dahin sahen durchaus interessant aus, wenngleich auch wenig zusammenhängend, was sich aber erst nach 10 Minuten erschloss. Ich musste extra neben mir bei eine nativer Speakerin nochmal nachfragen, ob ich das jetzt richtig verstanden hätte.
Zum Schluss stellte sich noch das FGV mit seiner Arbeit hier in Brasilien vor. Das ist sowas wie das brasilianische Berkman-Center undmacht interessante Arbeit. U.a. untersuchen sie die Wertschöpfungsprozesse von Tecno-Brega, um das Open Business Modell dahinter zu verstehen. Tecno-Brega hört man hier oft in den letzten Tagen, das ist Funk aus den Favelas und scheint das neue grosse Ding aus der brasilianischen Underground-Musik zu sein. Vor allem anscheinend aus der Stadt Belum im Staate Para. Das interessante dahinter ist, dass es sehr populäre Künstler dieser Musikrichtig gibt, die allesamt keine Plattenfirma haben. Sie releasen ihre Musik nur als MP3, andere mischen diese MP3s mit eigener Musik und daraus entstehen neue Mixe, die wiederum einfach weiterkopiert werden. Strassenhändler verkaufen gebrannte CDs und insgesamt ergibt sich eine äusserst interessante Wertschöpfungskette, wo vieleMenschen unterschiedlich an der Musik verdienen und die Künstler trotzdem davon profitieren und bekannter werden. Das wird alles im Rahmen eines Forschungsprojektes untersucht und ich bin mal auf die Ergebnisse gespannt. Auf der OpenBusiness-Webseite gibt es ein paar Informationen dazu:
A music scene called Tecno Brega making use of an alternative business model has emerged in the city of Belem in Brazil. This parallel music industry has been active for years and has achieved great success. Several hundred new Tecno Brega records are produced and released every year by local artists, with both the production and distribution taking place outside of the mainstream music industry. The tecno brega model is simple: the music lies outside the realm of traditional copyright and is used as a method of marketing events. Every weekend the “sound system” parties attract thousands of people to the outskirts of Belem to listen to the Tecno Brega music. The parties are advertised by the distribution of the music itself. The numbers are incomplete, but the Belem scene alone brings in yearly revenues of several million US dollars.
Ansonsten scheint OpenBusiness noch nicht so weit zu sein, wie ich eigentlich dachte. Und vor allem bin ich mit falschen Erwartungen in das Panel gegangen. Das diente erstmal zum kennenlernen der wenigen akademischen Akteure, die sich zum ersten Mal treffen und ich komme ja eher von der praktischen Seite. Aber interessant ist der Ansatz schon. Die Idee dahinter ist, Geschäftsmodelle rund um Creative Commons wissenschaftlich zu untersuchen. Bei der Wizards of OS 4 im September in Berlin wird es auch ein Panel dazu geben.
Heute Abend gibts Salsa und Samba und ich kann bald keine Caipirinhas mehr sehen. Aber Spass machts trotzdem.
Update: Kleiner Nachtrag, weil ich mich nach dem bloggen noch mit den OpenBusiness Menschenunterhalten habe. Der „My Mojay“ war wohl eher ein ungeplanter Unglücksvortrag, der von anderer Seite dort untergebracht wurde. Und die beiden von der London Schoolof Ecnomics zeigten einen unzusammenhängenden Mischmasch aus zwei verschiedenen Präsentationen, was eigentlich auch nicht so geplant war.
1 Ergänzungen
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.