Meike Richter hat ihre Magisterarbeit zum Thema „FAIR CODE – Free/Open Source Software and the Digital Divide. Focus on Latin America“ in ihrem Fair Code-Blog veröffentlicht. Ich habe dankenswerterweise schon vorab eine gedruckte Fassung bekommen und kann jetzt nochmal auf die beiden PDF-Dateien (1 / 2) verweisen, die seit heute online sind.
Passend dazu gibt es auch einen zusammenfassenden Artikel für das Open Source Jahrbuch 2006 und die 22c3-Dokumentation. Meike wird am 30. Dezember um 13 Uhr einen Vortrag zum Thema auf dem 22c3 halten. Alle Publikationen stehen unter der Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 2.0 Germany Lizenz.
Was hat Software mit nachhaltiger Entwicklungspolitik zu tun? Diese Magisterarbeit untersucht die Rolle von Freier/Open Source Software (FOSS) im entwicklungspolitischen Diskurs um den globalen Digital Divide. Im Fokus der Arbeit steht Lateinamerika. Aufbauend auf die „Informationalismus-Theorie“ von Manuel Castells wird im theoretischen Teil dargelegt, warum fehlender Zugriff auf Informations- und Kommunikationstechnologien (ICTs) entwicklungspolitisch relevant ist. Eine kurze Zusammenfassung des Digital Divide-Diskurses zeichnet die wichtigsten Positionen nach.
Der empirische Teil der Arbeit analysiert mit Blick auf die Fragestellung Literatur über den Digital Divide sowie qualitative Interviews mit lateinamerikanischen FOSS-Aktivisten [1]. Das Ergebnis zeigt, dass Freie/Open Source Software im Zusammenhang mit fehlenden Zugang zu ICTs bisher kaum eine Rolle gespielt hat. Diese Situation ist weniger mit technologischen, sondern mit einer Vielzahl politischer, ökonomischer und kultureller Gründe zu erklären: Es gibt wenig Wissen über FOSS bzw. gegensätzliche Positionen, was Software überhaupt ist (ein knappes Produkt oder ein freier Prozess?); Programme zur Überbrückung der digitalen Spaltung werden oft von proprietären Firmen gesponsert, in der Folge verhindert eine solche Public-Private-Partnerschaft den Einsatz von freiem Code; Lobbyismus spielt eine zentrale Rolle. Auch weil Ökonomie, Kultur und Werte von FOSS sich fundamental von der des „Meatspace“ unterscheiden, ist dieses Software-Modell in dem seit rund 10 Jahren geführten Diskurs kaum zum Einsatz gekommen. Oft verhindert auch die informelle Organisationsstruktur freier Projekte den Umstieg auf nicht-proprietäre Software.
Erst in jüngster Zeit ist zu beobachten, dass die Beschaffenheit von Code in die Diskussion um den Digital Divide integriert wird. Entwicklungs- und Schwellenländer empfinden die Regelung geistiger Eigentumsrechte zunehmend als ungerecht. Mit dem Umstieg auf GNU/Linux ist der Wunsch nach technologischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit verbunden. Zudem wird Migration einfacher.
Bei Software geht es nicht nur um Code, sondern um Rechte, Kontrolle, Freiheiten, Transparenz und Macht.
[1] Federico Heinz, Programmierer, Sprecher der FSF/ Beatriz Busaniche, Kommunikationswissenschaftlerin & Teilnehmerin am WSIS/ Fernanda Weiden, Programmiererin, Beraterin der brasilianischen Regierung
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