Update, 16.09.: Im FAZ.net findet sich ein lesenswerter Kommentar der Thesen von Detlef Borchers.
Ich fühle mich schuldig. Obwohl ich an guten Tagen durchaus in der Lage bin, mehr als 140 Zeichen am Stück zu erfassen, konnte ich mich noch nicht dazu aufraffen, die „zehn Thesen zu Wikileaks“ von Geert Lovink und Patrice Riemens zu lesen.
Dabei lohnt es sich durchaus, sich ein paar halbe Stunden Zeit zu nehmen und Lovinks Mail an die Nettime-Liste durchzuarbeiten. Keine Sorge, es ist kein dumpfes Wikileaks-Bashing, sondern eine Analyse des Status Quo.
Wem der Text im englischen Original zu lang/zu komplex ist, sei die deutschsprachige Zusammenfassung von Torsten Kleinz empfohlen. Neben vielen Selbstverständlichkeiten finde ich inbesondere Punkt 3 und 4 interessant:
3. Mit seinen Angriffen auf die US-Regierung und die Kriege in Irak und Afghanistan hat Wikileaks ein dankbares Ziel ins Auge gefasst. Bereits seit Jahren wird vom Abstieg der Weltmacht USA geschrieben. Die Wikileaks-Publikationen passen prima ins Bild und werden daher von Journalisten und Öffentlichkeit begierig aufgenommen. Andere Ziele wie Russland, China oder auch Taiwan sind eine größere Herausforderung.
4. Wikileaks zu analysieren fällt schwer, da sich auch die Aktivisten selbst noch nicht auf eine Rolle für Wikileaks geeinigt haben: publiziert man nur Informationen oder will man sie selbst analysieren?
Die in Punkt angerissene Wandlung vom – zumindest nach eigenem Anspruch – neutralen Mittler zum politischen motivierten Player ist für eine Whistleblowerplattform meiner Meinung nach alles andere als unproblematisch. Ob sich Wikileaks damit einen Gefallen tut, darf man bezweifeln.
wikileaks in die überschrift, nicht wikipedia, oder?
Natürlich. Offenbar reicht es heute nicht einmal 140 Zeichen ,)
Bei diesen „Thesen“ fehlt ein bisschen der geistige Nährwert.
Die Autoren suggerieren, WL würde sich auf die USA beschränken, andere wie China auslassen. Unfug: http://www.wikileaks.org/wiki/Category:China
Solange WL die Originaldokumente veröffentlicht, kann sich jedermann und jede Redaktion ein eigenes Urteil bilden. Wenn man hin und wieder mit kriegskritischen Sonderaktionen auf solche Dokumente aufmerksam macht, kann ich aus humanistischer Perspektive keinen Fehler erkennen. Wem das der Wertung zu viel ist, kann seine eigene Whistleblower-Seite aufmachen oder die Inhalte von WL kopieren und so präsentieren, wie er es für richtig hält.
Die konventionelle Presse, deren Verlage und Autoren aus wirtschaftlichen und politischen Gründen solche Themen lieber auslässt, ist jedenfalls keine Alternative.
@RA Kompa: Danke, genau so sehe ich das auch.
RA Kompa: Hast Du denn mal geguckt, was für Dokumente in der Kategorie China abgelegt sind? Die meisten Einträge sind lediglich Zweitveröffentlichungen – und das brisanteste Dokument befasst sich mit dem vermeintlich gefälschten Alter von Olympia-Athleten. Dass sogar eine Choreografie einer offiziellen Jubelfeier auf Wikileaks gelandet ist, betont die Leere sogar noch.
@RA Kompa, Tom: Das, was Torsten sagt. Was China betrifft, scheint der Ehrgeiz nicht ganz so groß.
Was durchaus ein klein wenig verwunderlich ist, immerhin wurde Wikileaks laut Eigenlegende ja von chinesischen Dissidenten gegründet.
Jörg-Olaf: Wobei man auch sagen muss: China ist eine erheblich schwerere Nuss zu knacken. Allein die Sprach- und Kulturgrenzen sind immer noch riesig.
Zudem: „China hat gegen Menschenrechte verstoßen“ sorgt nicht grade für aufgeregte Reaktionen.