Google vs China

Im offiziellen Firmenblog hat Google heute einen Strategiewechsel in der eigenen China-Politik angekündigt, der es in sich hat: A new approach to China. Vorausgegangen sind wohl Attacken gegen die eigene Infrastruktur und Diebstahl von Firmengeheimnissen, die ihre Heimat in China haben sollen. Dabei soll es konkret u.a. um Attacken auf Google-Accounts von Menschenrechtlern gegangen sein. Interessant ist aber, dass der Diebstahl von Firmengeheimnissen in einem Nebensatz erwähnt wird und der ganze Spin der Story in Richtung der Menschenrechts-Sache geht. Google spricht aber auch davon, dass gegen rund 20 andere große Firmen ähnliche Attacken gefahren wurden. Nun arbeitet man mit den US-Behörden zusammen, um die Attacken zu untersuchen.

Als Konsequenz aus den Attacken in Kombination mit der fortwährenden Einschränkung von Meinungsfreiheit in China nimmt Google jetzt als Anlass, Gespräche mit der Chinesischen Regierung aufzunehmen. Google betreibt mit Google.cn eine an das Chinesische Rechtssystem angepasste Suchmaschine, die bei der Netzzensur mit den dortigen Behörden kollaboriert. Google will nun in den Gesprächen erreichen, dass die Suchergebnisse zukünftig ungefiltert erscheinen. Als Drohgebärde kündigt man an, dass die Konsequenz von gescheiterten Gesprächen die Schließung von Google.cn und die dortigen Firmen-Büros bedeuten könnten und man sich aus China zurückziehen könnte.

Unklar ist im Moment, wie das zu bewerten ist. Interessant ist die Konstellation und vielleicht sehen wir gerade die erste große Auseinandersetzung zwischen einem Multinationalen Konzern und einem Staat in Form eines Handelskrieges, was noch öfters im 21. Jahrhundert passieren könnte. Und sicherlich steckt da auch die US-Regierung ein wenig mit drin. Unklar ist auch, wie viel PR-Strategie und Drohgebärde dahinter steckt und was letztendlich dabei herauskommen wird. Google hatte in den letzten Jahren das eigene China-Engagement immer etwas herunter gespielt, mit den Behörden kollaboriert und dabei fleißig erzählt, dass man mit dieser Strategie doch wunderbar Menschenrechte durchsetzen könnte. Diese Strategie, die auch von anderen großen Unternehmen wie Yahoo und Microsoft gefahren wird, ist nicht aufgegangen. Ganz im Gegenteil, damit hat man sich zu Kollaborateuren in der Netzzensur und der Unterdrückung von Menschenrechten gemacht.

Ein weiterer Aspekt in der Sache soll ein Streit um die Herausgabe von Logfiles an chinesische Behörden sein. Gut möglich, dass Google jetzt eine Rückzug-Strategie fährt, um nicht noch mehr den Kopf in der Schlinge zu haben. Eine konsequente Menschenrechtsfreundliche Politik von Google erfordert mehr als nur Verlautbarungen und blumige Reden. Die weitere Entwicklung der Geschichte dürfte sicherlich spannend werden. Was ist z.B., wenn Google tatsächlich Google.cn nur noch als Weiterleitung auf eine andere Subdomain bei Google.com nutzt und die chinesische Internetzensur den Zugang zu Google-Services unterbinden will? Das wäre ein spannender Wettkampf, wenn die vielen intelligenten Techies bei Google mal anfangen würden, auf Firmenkosten konsequent Wege durch die Netzzensur-Mauer zu schlagen.

Die Netzzensur soll gerüchteweise bei Google.cn schon runter gefahren sein. Auf Twitter und in Blogs ist schon zu lesen, dass bei Google.cn wieder Suchergebnisse für “Tiananmen” zu finden sind. Aber das konnte ich bisher nicht verifizieren.

Update: Es gibt erste Agenturmeldungen.

AFP: Google vermeldet chinesische Cyber-Angriffe auf Menschenrechtler.
DTS/ddp: Google droht mit Rückzug aus China.

Update: Danke an Eike für ein Video, das zeigt, dass die Suchmaschinen-Zensur in China durch Google schon teilweise aufgehoben wurde:

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63 Ergänzungen

  1. interessante koinzidenz mit den neuesten raketentests, da lässt jemand mächtig die muskeln spielen. in den usa wird übrigens gerade auch mal wieder über netzneutralität gestritten (tagesschau).

  2. Bezüglich Tiananmen:

    Google.cn -> Nach „Tiananmen“ suchen -> Image Search (zweiter Link oben links) -> Auf Zweite Seite wechseln -> Zweite Zeile, drittes Bild von Rechts: der Mann, der sich vor die Panzer stellt

  3. „die erste große Auseinandersetzung zwischen einem Multinationalen Konzern und einem Staat in Form eines Handelskrieges“

    Die Autoindustrie macht das seit mindestens 20 Jahren.

  4. ohne jetzt direkt die Verschwörungskiste aufzumachen, so riecht das aber verdamt nacht „die USA wollen auf China mit Hilfe eines mächtigen Konzerns druck ausüben“.
    Welche Gründe sollte Google haben, einen 1.3 Milliarenden Menschen umfassenden Markt, der in der Zukunft immer wichtiger wird, aufzugeben? Ich kann das nicht nachvollziehen… Das Motto könnte eher sein (auch wenn ich das nicht nachweisen kann): Google schreib in seinem Blog mal was Chinakritisches und dafür guckt die CIA etc. mal genauer nach, wer denn da die Firmengeheimnisse in China geklaut hat.

  5. Googles Marktanteil in China ist ziemlich gering, deswegn könnten sie einen Rückzug aus China recht gut verkraften. Was ich mich frage ist, warum Regime-Kritiker Google Mail verwenden, obwohl Google in der Vergangenheit mit der Regierung zusammengearbeitet hat.

  6. @domingo:

    Aus rein wirtschaftlicher Sicht läßt man einen so rapide wachsenden Markt wie China nicht sausen, selbst wenn es augenblicklich noch nicht so gut läuft wie man es sich vielleicht erhofft hatte. Da zahlt man zur Not auch jahrelang drauf, nur um einen Fuß in der Tür zu behalten.

  7. Suche nach „Free Tibet“ führt einen direkt auf eine Free Tibet Seite, ich glaube nicht, dass die „Filterung“ noch aktiv ist.

    LG

  8. China kann machen was es will, der „brave Westen“ wird sich nen Sch**** kümmern.

    In China wurde ein Brite wegen Drogenhandels zum Tode verurteilt, wo ist denn da der Aufschrei vom Westen gewesen? Achja, China ist ja Olympialand und bringt viel viel Geld, da kann man sowas ja mal übersehen…

  9. Bildersuche nach „tiananmen massacre“ auf google.cn bringt aber schon die richtigen Bilder mit Panzern und allem zum vorschein…

  10. Bei aller Skepsis, ohne die es wohl nicht geht: Googles Rückzug ist mehr als eine „Drohgebärde“, die sagen ziemlich unmissverständlich, dass sie ihren Dienst unzensiert anbieten oder gar nicht. Da sehe ich keinen Deutungsspielraum.

    Und sie sind wohl dabei, die Filter abzuschalten. Das Ranking ist noch ein anderes, und braucht wohl einige Zeit zum updaten (Suche auf images.google.cn nach „Tiananmen square“) aber der Filter ist weg (Suche nach „tiananmen massacre“ und Google Suggest).

    Was das Schließen der chinesischen Offices angeht: Die machen da mehr als google.cn. Letzteres ist wohl Geschichte, aber ob die da weiter Research&Development betreiben das nicht mit ihren chinesischen Diensten zu tun hat, ist offen.

  11. Amnesty International ist auch auf google.cn zu finden. Die waren doch sicherlich auch geblockt, oder?

  12. Eines hat Google schon erreicht: Alle schauen gerade nach China und die Zensur ist im internationalen Blickfeld.

    So: Don’t be evil. Weiter so, Google.

  13. Das Argument, Google hätte ja in China „nur“ 20% Marktanteil, und hätte deshalb kein Interesse mehr an China, kann man z.Z. überall in den Kommentaren finden. Dabei ist das doch eigentlich offensichtlich absurd. Erstens spielt nicht der Marktanteil für die Rentabilität die entscheidende Rolle, sondern natürlich der Profit. Zweitens sind 20% eine enorme Größe, Konkurrenten wie Yahoo oder Ask mit einstelligen Marktanteilen geben auch nicht einfach auf. Dazu kommt, dass 20% in Bezug auf die absoluten Nutzerzahlen in China eine ganz andere Bedeutung haben als etwa in Deutschland. Der Marktanteil spielt also garantiert keine Rolle für den Rückzug von Google. Wer wirtschaftliche Gründe für den Rückzug von Google vermutet, müsste sich den Gewinn von Google China ansehen.

  14. Ich bin dafür, dass man China einfach digital von der Außenwelt trennt. Wer so wenig Wert auf Menschenrechte legt sollte nicht wirtschaftlich und technologisch vom Rest der Welt unterstützt werden egal wieviel Potenzial in der chinesischen Wirtschaft steckt. Hier sollte man ganz klar den Gedanken von Globalisierung und Weltoffenheit verwerfen und Härte zeigen. Zieht doch einfach den Stecker! Solange China Zugang zum Rest der Welt hat, digital als auch wirtschaftlich, wird es dort keine Besserung geben. Nur wenn die Mehrheit der Chinesen merkt, dass ihr Regime sie unterdrückt und ausraubt für den eingenen globalen Vorteil, kann es dort zu einer Revolution bzw zu einer Änderung der Verhältnisse kommen. Klar, dass damit auch Gefahren verbunden sind(siehe Studentenproteste 1989, Platz des himmlischen Friedens), aber Freiheit muss bitter erkauft werden und ich denke jede freiheitlich, demokratische Nation hat die tun müssen.

    GreeTz ChriZ

  15. What Google should do

    I know some will say that Google wasn’t doing that well in China anyway (it controls 31% of the market); they’ll ascribe cynical motives. But I say: Name one other company that finally said “enough!” and put ethic, morals, and company standards over its lust for the Chinese market. Not Yahoo. Not Cisco. Not Nokia. Not Siemens. Not The New York Times Company. Google has.

    Die Buzz Machine – http://www.buzzmachine.com/2010/01/12/what-google-should-do/

  16. erste bilder von der niederschlagung der demonstrationen auf dem tsuananmen-platz sind jetzt tatsächlich im chinesischen google auf den seiten 2, 4 und 7 zu finden. http://www.vibrio.eu/blog/?p=1352

    grundsätzlich ist das einfach erstmal gut. ob die google hier machtspielchen treiben mag dahingestellt bleiben. tsuananmen findet auf dem chinesischen google immerhin jetzt statt!

  17. mir ist nicht ganz klar warum hier immer von menschenrechten im zusammenhang mit zensur gesprochen wird. ein recht auf ein zensurfreies internet kann maximal ein bürgerrecht sein. dieses wird aber – im gegensatz zu menschenrechten – nur gewährt vom staat –> könnte somit wieder entzogen werden.

  18. Google raus aus China?

    Na und….?

    Wen interessiert das in China? Ist das so prickelnd, dass sich Heise schier überschlägt?

  19. Nur ein Hinweis: Googles Marktanteil war nach nur 3 Jahren bei 25%, das ist nicht „wenig“. Vor allem nicht, wenn man die Größe des chinesischen Markts betrachtet.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.