Heute wurde in der Türkei ein Gesetz verabschiedet, das der Regierung weitgehende Sperr- und Überwachungsrechte im Internet einräumt. Wir haben uns mit Vertretern der Alternatif Bilişim Derneği (Alternative Informatics Association) über die Situation unterhalten.
Seit 2010 wird die Türkei von Reporter ohne Grenzen auf der Liste der Internetfeinde in der Kategorie „unter Beobachtung“ geführt. Was war passiert?
Die Regierung hatte 2007 das Gesetz #5651 für Internetüberwachung und Netzsperren eingeführt. Über 40.000 Webseiten sind derzeit geblockt. Vor einigen Jahren wurde ein neuer Filtermechanismus eingeführt. Ursprünglich war das Filtern obligatorisch und Internetnutzer mussten sich zwischen den Optionen „Standard“, „Familie“ und „Kinder“ entscheiden. Nach einem Aufschrei in der Bevölkerung und Massendemonstrationen gegen den Filter wurde er optional. Anfang 2014 ließen nur 4-5% der Internetnutzer filtern. Allerdings waren die mehr als 40.000 Websites, die oft auch ohne Gerichtsbeschluss auf der Liste gelandet sind, auch ohne Filter nicht ohne Umwege erreichbar.
Eines unserer Mitglieder, Ahmet Yildirim, zog vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, weil sites.google.com, wo seine wissenschaftlichen Studien gehosted sind, geblockt worden war. Der EGMR entschied, dass das Gesetz #5651 den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt:
Noch schlimmer ist das neue Gesetz, das die Einschränkungen von Gesetz #5651 noch verschärft.
Was ändert sich in diesem Bereich durch das neue Gesetz?
Bis vor einigen Monaten wurde durch IP-Sperren geblockt. Dadurch wurde die komplette Seite unzugänglich gemacht, wenn irgendwo Material zu finden war, das der Regierung nicht gefiel. Im Fall von Ahmet Yildirim ging es beispielsweise nicht um das, was er gepostet hatte, sondern um etwas ganz anderes. Jetzt sieht es so aus als hätten sich die technischen Möglichkeiten in letzter Zeit fortentwickelt. Sie können jetzt auch URL-basiert sperren. Das meiste, was zuletzt gesperrt wurde, handelte von Korruption in der Regierung, wovon auf YouTube und Soundcloud berichtet wurde.
Das neue Gesetz sieht vor, dass IP-basiert, URL-basiert oder „durch andere Mittel“ geblockt werden kann. Es ist offensichtlich, dass sie vorhaben, Deep-Packet-Inspection-Systeme zu verwenden, die nicht nur blocken können, sondern auch neue Möglichkeiten zur Überwachung liefern. Das neue Gesetz zwingt alle Provider, Mitglied in einer Gesellschaft zu werden, die dazu da ist die Sperr- und Überwachungsanordnungen der Regierung zu übermitteln und die Durchführung zu kontrollieren. Alle 196 Provider sind erbitterte Gegner des Gesetzes, weil sie DPI-Systeme kaufen und installieren müssen wenn es verabschiedet wird. Das ist auch deswegen schlecht für die Nutzer, weil diese Kosten auf die eh schon hohen Zugangskosten aufgeschlagen werden.
Wie sieht es mit Social-Media-Nutzung aus?
Die Massenmedien sind in einem erbärmlichen Zustand und werden nicht dazu genutzt, Nachrichten zu verbreiten, sondern sie zu verstecken. 95% der Massenmedien werden entweder direkt von der Regierung kontrolliert oder von Konzernen, die finanzielle Verbindungen zur Regierung haben, etwa durch Ausschreibungen. Durch diese Situation waren die sozialen Medien essentiell für das, was im Juni 2013 rund um den Gezi-Park passierte und für die Verbreitung von Informationen eine entscheidende Rolle spielte. Premierminister Erdogan nannte Twitter damals „eine Gefahr für die Gesellschaft“. Während der Gezi-Park-Proteste wurden viele Menschen verhaftet, die Informationen über die Geschehnisse verbreiteten oder zum Mitmachen aufriefen. Während Twitter sich weigerte, mit der Regierung zu kollaborieren, gaben Facebook und Microsoft Informationen über ihre Benutzer weiter.
Welche Pläne gibt es jetzt in diesem Bereich?
Erdogan hat seine Einstellung zu Twitter offensichtlich geändert, denn seine Partei hat jetzt eine 6000 Mann starke Armee von Twitter-Nutzern, die Nachrichten auf Kommando posten und sich mit der fundamentalistischen Twitter-Armee der Anhänger von Fethullah Gulen bekämpfen. Gulen ist ein mächtiger Imam, der in den letzten Jahrzehnten eine halb-klandestine Organisation aufgebaut hat. Jetzt liefert er sich einen erbitterten Kampf um die Macht mit der Regierung.
Gibt es Parteien, die sich gegen das Gesetz gewehrt haben? Ist Internetfreiheit ein Gegenstand der politischen Debatte?
Man kann schon sagen, dass das Thema auf der politischen Agenda stand. Allerdings hat die regierende AKP eine absolute Mehrheit im Parlament und in dieser Situation ist es natürlich unwahrscheinlich, dass ein Gesetz noch abgelehnt wird. Wie die Zivilgesellschaft und die Provider ist auch die Opposition gegen das Gesetz, aber ihr Widerstand ist dabei offensichtlich nicht besonders wirksam.
Wie steht es um die Zivilgesellschaft?
Unsere Organisation, die Alternative Informatics Association, und viele andere NGOs setzen sich aktiv für die Freiheit des Internets ein und haben versucht, das neue Gesetz zu verhindern. Einige unserer Mitglieder waren auch im Parlament, um Überzeugungsarbeit zu leisten.
Und die Medien? Welche Position nehmen die ein, wenn es um Zensur und Überwachung geht?
Die von der Regierung kontrollierten Medien haben das neue Gesetz unterstützt und es als Mechanismus gegen Diffamierung dargestellt, also beispielsweise gegen Vorwürfe gegen korrupte Minister und andere Offizielle. Einige Medien haben auch einfach nur über den Prozess der Gesetzgebung berichtet, ohne das Gesetz selbst zu kommentieren. Die meisten Journalisten können nichts sagen, denn die Regierung hat es geschafft, dass sie sich bereits selbst zensieren. Das liegt daran, dass mehr als 70 Journalisten im Gefängnis sitzen und viele ihre Jobs verloren haben. Trotzdem schaffen es manchmal, wenn auch selten, unbeschönigte Berichte über die wahre Natur des neuen Gesetzes in die Mainstream-Medien.
Gemeinsam mit Access ruft Alternatif Bilişim Derneği dazu auf, sich an den türkischen Präsidenten zu wenden. Access hat dafür ein praktisches Tool aufgesetzt.
Nie war die Türkei weiter weg von Europa als jetzt.
Wenn es erlaubt ist, möchte ich Netzpolitik.org einmal ausdrücklich loben. Das Blog berichtet über alle „Schweinereien“ gegen die Freiheit im weltweiten Netz, egal von wem sie verübt werden.
Selbstverständlich bin ich nicht mit jedem einzelnen Artikel einverstanden, aber insgesamt ist Netzpolitik in Deutschland ohne Netzpolitik.org für mich nicht vorstellbar.
Das Beispiel aus der Türkei zeigt aber auch, dass eine isolierte Netzpolitik wenig erreicht. Netzpolitik ist eng verknüpft mit den Freiheitsrechten an sich. der Justizpolitik und der inneren und äußeren Sicherheit in Abwägung zu den Bürgerrechten.
Sehr informativ. Danke.
Warum die Türkei euch als eu nicht mag. Keiner glaubt eucht oportnisten und Verräter n und Vergewaltigen nicht. Die Zivilisation wonach sich viele Türken sehnen, kommt nicht mehr von euch nicht
Haupsache deutsche Waffen lassen sich überall verkaufen. Ist denn euch etwss heiliger als geld. Was war mit euronews ist das nur fur reiche. Das nächste mal sagt ihr was mir einfällt euch zu kritisieren. Seit ihr Gott. orange scheisse aller Länder vereint euch. Auf sollchen dreck stehen unsere linke nicht.und ihr seit alle Hitler. Und ich bin stalin. Ich scheiß auf
Eure Bauern Weisheiten. Wenn ich nichts kriege kriegt ihr wss vm
Also verwirklichen die Türken jetzt den alten CDU/SPD Traum. Internet nur noch für’s Konsumvieh und zur totalen Überwachung. Damit man demnächst auch viel besser in Mali zurück schiessen kann.
Aber an sich ist jede Kritik, vor allem aus Europa oder den USA völlig fehl am Platz. Die Zensur findet auch in vielen europäischen Ländern statt und die Überwachung ist schon lange da. Entweder weil sie von den Sicherheitsesoterikern (tolles Wort) voran getrieben werden oder wenn das nicht geht über Bande durch ausländische Geheimdienste kommen.
Und wenn man mal drüber nachdenkt, unsere Mainstreammedien sind auch nicht wirklich viel unabhängiger, nur das bei uns nicht der Staat, sondern wenige Unternehmer die Fäden in der Hand haben.
na und. trotzdem wählen sie den grossen meister erneut. dank der grossartigen bundesregierung, die diesem kasper immer wieder eine bühen für seine hetzerei bietet.