Seit 12. Oktober führen die EU-Mitgliedstaaten das neue Ein- und Ausreisesystem (EES) an ihren Außengrenzen ein. Es dient dazu, die Aufenthaltsdauer von Personen aus Drittstaaten elektronisch zu erfassen und zu überprüfen, wenn diese für einen Kurzaufenthalt von bis zu 90 Tagen (innerhalb von 180 Tagen) in den Schengen-Raum reisen. Die visafrei ankommenden Drittstaatsangehörigen werden seitdem elektronisch erfasst, inklusive vier Fingerabdrücken und Gesichtsbild. Zusammen mit den Pass- und Reisedaten werden diese Informationen drei Jahre lang gespeichert.
Das EES gilt in den 29 Schengen-Staaten, darunter 25 EU-Länder sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Seit November sei es zu mindestens drei größeren Ausfällen des Systems gekommen, heißt es aus EU-Kreisen. In einem Fall sei das EES sogar zwei Tage nicht verfügbar gewesen. Schwierigkeiten treten vor allem bei nationalen Anbindungen und lokalen Systemkomponenten auf. Angriffe auf das Zentralsystem oder andere sicherheitsrelevante Vorfälle gibt es aber, soweit bekannt, nicht.
Phase 2: Vorgaben werden nicht überall erfüllt
Das EES ist Teil des sogenannten Smart-Borders-Pakets der EU. Ziel ist es, die bislang analogen Passstempel zu ersetzen und Aufenthaltsüberschreitungen automatisiert zu erkennen. Die technische Verantwortung liegt bei der EU-Agentur eu-LISA. Wegen jahrelanger Verzögerungen erfolgt die Einführung stufenweise. Ab dem 10. April 2026 soll das System schengenweit vollständig laufen.
Am 10. Dezember begann die zweite Einführungsphase. Seitdem gilt die Vorgabe, dass mindestens zehn Prozent aller Grenzübergänge in jedem EU-Mitgliedstaat mit dem EES ausgestattet sein müssen. Dazu müssen alle biometrischen Funktionen verfügbar sein und alle neu angelegten Personenakten im System Fingerabdrücke und Gesichtsbild enthalten.
Soweit bekannt erfüllen aber mindestens Italien und die Niederlande diese Zehn-Prozent-Anforderung derzeit nicht. Dort fehlen entweder die notwendige Infrastruktur, geschultes Personal oder die Technik zur biometrischen Erfassung.
„Travel-to-Europe-App“ nur in Schweden nutzbar
Grundsätzlich ist das EES derzeit nur dort einsetzbar, wo Selbstbedienungs-Terminals und nachgelagerte E-Gates installiert wurden. Das betrifft fast ausschließlich große internationale Flughäfen, einzelne Seehäfen sowie wenige internationale Bahnhöfe. Selbst dort ist der Betrieb aber nicht flächendeckend gewährleistet. An kleineren Grenzübergängen, insbesondere im Straßenverkehr, wird weiterhin überwiegend mit Passstempeln gearbeitet.

Eine von Frontex für alle EES-Staaten entwickelte „Travel-to-Europe-App“ ist bislang ebenfalls kaum verbreitet – derzeit ist sie nur in Schweden nutzbar. Dort können Reisende vorab Passdaten, ein Gesichtsbild sowie einen Einreisefragebogen („Answer a few questions about your travel plans“) übermitteln. Die App ist in Apples App-Store und bei Google Play erhältlich. Andere EU-Staaten können sie später einführen, sind dazu aber nicht verpflichtet.
Ausnahmen und Sonderfälle
Neben technischen Problemen beschäftigt die EU-Kommission die Frage nach Ausnahmen von der Registrierungspflicht im EES. Als befreundet geltende Drittstaaten wie die USA drängen darauf, bestimmten Personengruppen Sonderregelungen zu ermöglichen. Dazu zählen unter anderem hochrangige Militärangehörige, etwa aus dem NATO-Umfeld, Diplomat*innen oder Angehörige von Königshäusern – also besonders prominente Personen oder sehr vermögende Reisende.
Ähnliche Probleme bestehen bei verdeckten Ermittler*innen, die mit echten biometrischen Merkmalen, aber falschen Identitäten reisen. In solchen Fällen wird das nationale Grenzpersonal bislang oft vorab durch vorausreisende Polizeiführer*innen informiert – ein Vorgehen, das mit dem automatisierten EES nur schwer vereinbar ist.
Die EU-Kommission prüft derzeit, welche Personenkreise künftig Ausnahmen geltend machen können und wie diese technisch umgesetzt werden könnten. Bereits bekannt sind zudem Registrierungsprobleme im Bereich der Privatfliegerei – denn an kleinen Flughäfen müssen nach derzeitigem Stand keine Fingerabdrücke oder Gesichtsbilder abgegeben werden. Auch hierzu hat die Kommission nun einen Fragebogen an die Mitgliedstaaten versendet.

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