Schüler-IDMagischer Glaube an die zentrale Datenbank

Politiker:innen verbinden mit der zentralen Schüler-ID große Hoffnungen. Doch primär entsteht ein großes Datenschutzproblem und noch mehr Überwachung. Investitionen in Bildung könnten ganz woanders gebraucht werden. Ein Kommentar.

Illusrration von Schülern:innen, die einen Ausweis mit eine Barcode um den Hals hängen haben.
Eine Schülerkennziffer und eine Datenbank sollen es richten. (Symbolbild) – Public Domain / generiert mit Midjourney

Mehrere Bundesländer arbeiten an einer Schüler-ID und auch die Bundesregierung will die zentrale Erfassung aller Schüler:innen vorantreiben. Dabei argumentieren die Befürworter mit geradezu magischen Fähigkeiten der neuen zentralen Datenbank. Cem Özdemir schwärmt davon, dass mit der ID weniger Schüler die Schule abbrechen würden, andere versprechen sich bessere Noten und auch ein Schulwechsel soll bald noch einfacher gehen. Man möchte meinen: Die deutsche Bildungsmisere löst sich mit der Schüler-ID in Luft auf.

Wieder einmal werden technische Lösungen für soziale Probleme ins Feld geführt. Mal wieder wird letztlich Überwachung als Allheilmittel angepriesen. Eine zentrale Personendatenbank soll jetzt alles besser machen, während Schulen mit dem privaten Google Docs ihren Unterricht fahren, weil keine ordentliche Software zur Verfügung steht und die Schuldigitalisierung zum Software-Zoo geworden ist.

Verknüpfen ohne Sinn und Verstand

Die Bundesregierung will das neue Bildungsregister dann auch noch mit der Bürger-ID verknüpfen. Damit schafft man die technische Möglichkeit, dass neben Schulen auch Behörden wie die Bundesarbeitsagentur darauf zugreifen könnten. Die Detailtiefe der für Behörden zugänglichen Daten wird weiter erhöht. Wo früher die Daten physisch an unterschiedlichen Orten lagen, werden heute Profilbildung und Zusammenführung technisch möglich. Datenschützer:innen und Wissenschaft kritisieren deshalb die Pläne. Die Probleme sind dabei die gleichen wie bei der Steuer-ID, die im Rahmen der Registermodernisierung zur einheitliche Personenkennziffer umgebaut wurde – und ausgebaut werden soll.

Doch schon im kleinen Rahmen sind mehr Daten nicht hilfreich: So verbaut die Schüler-ID all jenen die Chancen auf einen frischen Start an einer neuen Schule oder in einer neuen Klasse. Denn in Zukunft können dann Lehrkräfte, Schulverwaltung und andere angeschlossene Stellen einsehen, warum das betreffende Schulkind eigentlich gewechselt hat – und was das Problem in der Vergangenheit war. Stigma ick hör Dir trapsen.

Überwachung statt Investition in Bildung

Zurück zur Bildungsmisere: Bessere Schulnoten gibt es nicht mit mehr Überwachung, sondern mit kleineren Klassen, modernem Unterricht, mit mehr und motivierteren Lehrer:innen und weniger Unterrichtsausfall. Weniger Schulabbrecher:innen erreicht man mit guten Bildungsangeboten, mit mehr Chancengleichheit und sozialer Gerechtigkeit. Motivierte Schüler:innen gibt es mit coolen AG-Programmen und Nachmittags-Bildungsangeboten. Bessere Schulen sind die, wo die Schulgemeinschaft stimmt und wo nicht der Putz von der Decke bröckelt.

Mit zentralen Datenbanken adressiert man weniger das Wohl junger Menschen, sondern erreicht mehr Überwachung und Kontrolle sowie die Stigmatisierung derjenigen, die aus dem Raster fallen.

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3 Ergänzungen

  1. Und vergesst nicht, Einheitskleidung/Schulkleidungsfarben pflicht.
    Die Jungs gehen morgens zu Schule, um dem Vater nachmittags im Laden zu helfen…
    Die Mädels gehen nachmittags zu Schule, um der Mutter morgens im Haushalt zu helfen…
    Und Hausaufgaben werden dank Schüler ID von der AI bewertet um deren Leistung zu steigern.

  2. Die Schüler-ID entwürdigt SchülerInnen zu Datenvieh! Die Begründung der BildungsministerInnen, sie wollen aus den Sammlungen individueller Daten evidenzbasierte, datengestützte bildungspolitische Maßnahmen ableiten, um das Bildungsniveau der Schulen zu heben, ist ein Bildungsirrtum. Der Beweis: der zweite PISA-Schock 2022, – trotz 25Jahren Sammlung von Bildungsdaten. Der bildungstechnologische Bildungsansatz funktionalisiert die Schülerin/den Schüler als humanoiden Roboter.
    Der bildungstechnologische Bildungsansatz ignoriert den Schülermenschen. Ohne den Schülermenschen als Basis ist Bildung wie Hausbau ohne Fundament. Braucht Deutschland einen 3. PISA- Schock, damit die Bildungsakteure dieses simple Natur-Phänomen erkennen?

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