Die EU-Kommissarin für die digitale Agenda, Neelie Kroes, hat in einer Rede vor dem EU-Parlamentsausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) und auf Twitter eine gesetzliche Festschreibung für Netzneutralität gefordert und das EU-Parlament um Unterstützung gebeten. Dies ist komisch, denn das Parlament hatte die Kommission bereits im Oktober 2012 explizit aufgefordert, endlich ein Netzneutralitätsgesetz vorzulegen.
Das hat uns zumindest etwas überrascht, weil sie in letzter Zeit eher in Richtung „Der Markt wirds schon richten“ argumentiert hatte und nun zumindest rhetorisch wieder ihre Position verändert hat. Wahrscheinlich steckt der Teufel im Detail, was sie genau darunter versteht:
I want you to be able to say that you saved their right to access the open internet, by guaranteeing net neutrality.
Das könnte auch Richtung der Drosselkom-Pläne der Deutschen Telekom gehen, die ja auch davon spricht, im „offenen Internet“ (best effort) die Netzneutralität zu erhalten, und alles andere einfach über die Parallelinfrastruktur „Managed Services“ zu machen, die sie Kabelfernsehen nennen.
Joe McNamee von European Digital Rights (EDRi) kommentierte gegenüber netzpolitik.org in dieselbe Richtung:
„Das kann immer noch alles bedeuten. Das Recht auf Zugang zum offenen Internet garantieren geht in die von ihr bereits vertretenen Richtung, dass es auch parallel geschlossene Netze mit anderen Regeln geben darf.“
Auf Twitter konkretisierte sie etwas ihre Vorstellung:
Blocken und drosseln von Internetdiensten und Apps schadet uns allen, es gibt keine Gründe um wettbewerbsfeindlich zu sein. Bitte unterstützt mich, um das zu stoppen.
Das klingt dann wieder nach Kritik an der gängigen Praxis in vielen (vor allem mobilen) Verträgen, einfach mal bestimmte Services wie VoIP, IM und/oder p2p in den AGB zu verbieten und teilweise technisch zu blocken. Und die Drosselung wurde ja von der Deutschen Telekom angekündigt.
Aber gehen wir mal davon aus, dass sich Neelie Kroes tatsächlich in unsere Richtung weiter entwickelt hat und wirklich Netzneutralität gesetzlich absichern will, um (die leider gängige) Marktpraxis zu untersagen. Dann sollte sie rasch mal eine Verordnung auf den Weg bringen, die genau das für die EU absichert. Im kommenden Jahr wird das EU-Parlament neu gewählt und Neelie Kroes wird wohl in Rente gehen. Das Zeitfenster für legislative Wege innerhalb dieser Legislaturperiode schließt diesen Herbst, aber es ist machbar. Wenn man es will. Wir unterstützen ein solches Anliegen gerne, wenn es tatsächlich hilft, Netzneutralität endlich gesetzlich so zu sichern, dass die vielen Schlupflöcher geschlossen werden.
Evtl. kann ja Herr Guttenberg als Ihr Berater da etwas … ausarbeiten?
Ich kann den Mitgliedern der EU Kommission einfach nichts mehr glauben was sie sagen. Diese Leute sind nicht ehrlich der Öffentlichkeit gegenüber. Im Hintergrund laufen bestimmt schonwieder ganz andere Sachen und jetzt braucht man eben einen Aufhänger, damit sich nervige Leute dran abarbeiten können. Oder wie läßt sich zum Beispiel erklären, dass ein EU Kommissar das Verbot von Ölkännchen im Resturant an einem Freitag vorschlägt und sagt, es ist praktisch ein fertiges Gesetz und dann eine Woche später sagt, es wird doch noch überarbeitet? Wenn man diesen Vorgang, ohne Wertung des Inhaltes betrachtet, ist das ein Politikstil der Öffentlichkeit gegenüber der unter aller Sau ist und verboten gehört. In der Presse ließt man keine Kritik an diesem Vorgehen und als EU-Bürger hat man keine Möglichkeit sich Gehör zu verschaffen. Es interessiert auch niemanden, warum sollte ich mich dann also dafür interessieren was eine EU-Kommissarin zwischen Frühstück und Mittag der Presse in den Block diktiert?
Oder Neelie Kroes ist von der Komplexität des Themas überfordert und will einfach nur noch würdevoll in Rente gehen. Weil neu ist da ja alles nicht … Es ist auch nicht Demokratie, sondern nur pure Verwaltung mit etwas Öffentlichkeitsarbeit und vielen Vertreterbesuchen.
http://blogs.ec.europa.eu/neelie-kroes/netneutrality/