Liebe Leser:innen,
heute ist Tag der Pressefreiheit und es steht nicht gut um sie. Laut Reporter ohne Grenzen haben sich die Bedingungen für journalistische Arbeit im vergangenen Jahr weltweit deutlich verschlechtert. Es gibt mehr Repression, mehr Zensur, mehr Überwachung. Alles andere als rosige Aussichten im Superwahljahr 2024, in dem rund die Hälfte der Weltbevölkerung dazu aufgerufen ist, wählen zu gehen.
Deutschland ist im Ranking ein paar Plätze nach oben gerückt. Das ist jedoch kein Grund zu größerer Freude. Zwar werden Journalist:innen hierzulande auf Demos seltener physisch angegriffen als im Vorjahr. Reporter ohne Grenzen geht jedoch weiterhin von einer hohen Dunkelziffer an Übergriffen aus. Vor allem aber verdankt sich das bessere Abschneiden dem Negativtrend in anderen Ländern.
Diesem Negativtrend will sich Europa offenkundig nicht verschließen. Am Dienstag weichte der Europäische Gerichtshof seine einst grundrechtsfreundliche Haltung zur Vorratsdatenspeicherung weiter auf. Die anlasslose Massenüberwachung ist demnach auch zulässig, um jegliche Art von Straftaten zu verfolgen – und sogar Urheberrechtsverletzungen.
Chloé Berthélémy vom Dachverband europäischer Digital-Rights-Organisationen (EDRi) sieht in dem EuGH-Urteil eine „traurige Wende“. Im politischen Kontext der zunehmenden Unterdrückung von Journalist:innen, Menschenrechtsverteidigern und der Zivilgesellschaft untergrabe das Gericht auf gefährliche Weise das Recht, online anonym zu bleiben, so die Expertin.
Bundesinnenministerin Faeser hingegen witterte umgehend Morgenluft. Der EuGH habe entschieden, so Faeser in einer Pressemitteilung, dass „eine Pflicht zur Speicherung von IP-Adressen zur Verbrechensbekämpfung nicht nur ausdrücklich zulässig ist, sondern auch zwingend erforderlich ist“. Der Zombie der anlasslosen Massenüberwachung ist damit in dieser Woche vollends auf die politische Bühne zurückgekehrt.
Wer angesichts solcher untoten Debatten etwas Positives sucht, sollte unseren Longread der Woche lesen. Die Gastautor:innen Maria Farrell und Robin Berjon plädieren darin für eine Verwilderung des Internets und damit für ein vielfältiges und selbstverwaltetes Netz jenseits der ummauerten Gärten der Tech-Giganten.
Habt ein wildes Wochenende!
Daniel
Danke für den Hinweis im NP-Ticker:
https://www.eff.org/deeplinks/2024/05/no-country-should-be-making-speech-rules-world
„No Country Should be Making Speech Rules for the World.“
Ein super Thema, welches vertiefend diskutiert werden sollte.
Wollt ihr dazu mehr schreiben?