Nach einer Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Fluggastdatenspeicherung stehen weitere Urteile bei deutschen Gerichten aus. Der EuGH hatte im Juni gefordert, dass die Datensammlung und -auswertung von Flugreisenden auf das absolut Notwendige beschränkt werden müsse.
Die Entscheidung des EU-Gerichts bezieht sich auf eine Beschwerde aus Belgien, aber auch in Deutschland beschäftigen sich Gerichte mit der Fluggastdatenspeicherung. Insgesamt betreut die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) fünf Klagen vor dem Amtsgericht Köln und Verwaltungsgericht Wiesbaden.
Wie die GFF mitteilt, hat das Urteil des EuGH Auswirkungen auf die in Deutschland laufenden Verfahren. Denn auch deutsche Gerichte hatten Klärungsbedarf an den EuGH übermittelt.
Bei Fluggastdaten, auch Passenger Name Records (PNR) genannt, speichern die Behörden massenhaft Daten von allen Passagier*innen, die in die EU, beziehungsweise aus der EU, fliegen. Diese Daten bekommen sie etwa von den Airlines selbst. Dabei braucht es keinen konkreten Verdacht auf eine Straftat. Zusätzlich haben viele Mitgliedstaaten auch für Flüge innerhalb der EU diese Daten gesammelt.
Die EU-Richtlinie trat 2016 in Kraft, bis 2018 mussten die Mitgliedstaaten die Regelung in ihre nationalen Gesetze überführen. Die zuständigen Behörden haben die Datensätze bis zum EuGH-Urteil für fünf Jahre gespeichert. Zu den gespeicherten Informationen gehören neben dem Namen des Reisenden unter anderem auch Kontakt- und Adressinformationen sowie Reisedetails, etwa die Sitzplatznummer.
EuGH schränkt Fluggastdatenspeicherung ein
Die Richter*innen haben entschieden, dass die Behörden die Daten nur noch sechs Monate speichern dürfen. Auch dürfen Fluggastdaten nur noch zur Aufklärung sowie Verhinderung bestimmter Straftaten genutzt werden. Das sind terroristische Straftaten oder Straftaten, die in Verbindung mit dem Flugverkehr stehen. Ein Datenabgleich bei Umweltkriminalität, Mord oder anderem ist demnach nicht mehr möglich.
Das Gericht hat außerdem die maschinelle Mustererkennung verboten, etwa wenn Behörden automatische Systeme einsetzen, um auffällige Reisende zu identifizeren. Die Richter*innen begründen diese Entscheidung mit der hohen Fehleranfälligkeit dieser Systeme und den daraus resultierenden Falschverdächtigungen. Zusätzlich hat das Gericht die Erhebung von PNR-Daten auf Flügen innerhalb der EU deutlich eingeschränkt. Dies soll nur noch erlaubt sein, wenn etwa ein terroristischer Anschlag akut bevorstehen könnte.
Klagen vor deutschen Gerichten
Die deutschen Verfahren beim Verwaltungsgericht Wiesbaden richten sich konkret gegen die Speicherung von Fluggastdaten zweier Betroffener beim Bundeskriminalamt. Die Kläger*innen erhoffen sich, dass das Gericht die Löschung ihrer Daten anordnen wird. Die Verfahren beim Amtsgericht Köln wiederum beziehen sich auf die Frage, ob die Fluggesellschaften die Daten der Reisenden an das BKA übermitteln dürfen.
Die GFF möchte durch die Klagen eine weitreichende Klärung der Fluggastdaten-Situation in Deutschland erreichen. Bijan Moini koordiniert die Verfahren. Der Jurist erklärt dazu: „Die beiden Gerichte haben nun die wichtige Funktion, die Maßstäbe, die der EuGH in seinem Urteil entwickelt hat, auf die deutsche Rechtslage anzuwenden. Sie werden voraussichtlich erklären, inwieweit das Fluggastdatengesetz, das die PNR-Richtlinie in deutsches Recht umsetzt, Unionsrecht verletzt.“
Erste Auswirkungen des EuGH-Urteils gibt es bereits: Das BKA muss seine Praxis verändern, dies hat die Behörde der Tageszeitung taz bestätigt. So hätten nur fünf Prozent der Datentreffer einen Terrorismusbezug gehabt. Die überwiegende Mehrheit der Datenabgleiche sei wegen anderer Straftaten erfolgt.
Auch auf der Erhebungsseite der Daten gibt es durch das Urteil starke Einschränkungen. Das BKA gibt an, dass 61 Prozent der Datensätze auf Flügen innerhalb der EU erhoben wurden. Nach dem Urteil des EuGH darf das BKA diese Datensätze nicht mehr speichern.
Die Änderungen in der Praxis gehen der GFF nicht weit genug. „Das Fluggastdatengesetz muss umfassend überarbeitet werden. So müssen etwa die Speicherfristen verkürzt werden, es muss ein Konnex zwischen den verarbeiteten Daten und Gefahren vom bzw. durch den Flugverkehr sichergestellt werden und Binnen-EU-Flüge dürfen nur noch unter strengen Voraussetzungen sowie im Einzelfall überwacht werden“, fordert Moini.
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