Geschafft! Als wir unsere Spendenkampagne Mitte November gestartet haben, war die Million noch in weiter Ferne. Bis zum letzten Moment war ungewiss, ob wir unser hoch gestecktes Ziel erreichen können. Am 30. Dezember war die Million dann endlich voll – und damit die Finanzierung des letzten Jahres gesichert.
Über das gesamte Jahr 2021 sind 1.013.529 Euro zusammengekommen. Allein im Dezember haben uns 7.685 einzelne Menschen gespendet und das alles möglich gemacht. Darüber sind wir überglücklich und unfassbar dankbar. Weil ein Wort des Dankes in diesem Fall zu kurz greift, haben wir zusammen einen ganzen Artikel geschrieben. Eure Unterstützung verstehen wir als Auftrag, uns auch in diesem Jahr unermüdlich für Grund- und Freiheitsrechte einzusetzen. Mit dem erreichten Spendenziel können wir jetzt gut für das neue Jahr planen. Eines ist auf jeden Fall klar: Wir haben die besten Unterstützer:innen der Welt!
Außerdem könnt ihr im monatlichen Transparenzbericht von Stefanie Talaska nachlesen, für was wir im November Geld ausgegeben haben.
Von einer hauchdünnen blauen Linie und einer verhängnisvollen Rechnung
Eine eingeschworene Schicksalsgemeinschaft und die letzte Instanz gegen Chaos und Kriminalität? So stellt sich die Polizei gerne mal dar. Symbol für dieses besonders bei rechten Beamt:innen beliebte Selbstbild ist die „Thin Blue Line“, eine dünne blaue Linie. Diese erschien zu Weihnachten auch auf den Twitter-Accounts von verschiedenen deutschen Polizeirevieren. Mittlerweile gibt es sogar schon Webseiten, die mit dunkelblauen Linien bedruckte Aufnäher, Tassen und Shirts verkaufen. Matthias Monroy erklärt, was an der Symbolik so problematisch ist und warum Polizeiausbilder vor einer Radikalisierung warnen.
Ein fragwürdiges Bild ergibt sich auch, wenn wir die kürzliche Stellungnahme des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki zu Ende denken. So flog vor ein paar Wochen auf, dass einige polnische Oppositionelle durch den Staatstrojaner Pegasus ausgespäht wurden. Wie Olaf Pallaske berichtet, tauchte diese Woche eine Rechnung auf, welche den Kauf eben dieses Staatstrojaners bestätigt. Dem Ministerpräsidenten zufolge, geht die Spionage allerdings nicht von seiner Regierung aus, sondern stammt von außerhalb. Folglich ist die polnische Opposition dem „Ausland“ offenbar wichtiger als die Regierung selbst – zumindest scheint sich Morawiecki keine Sorgen zu machen, dass auch sein Regierungskabinett betroffen sein könnten. Derweilen veröffentlicht die polnische Zeitung Gazeta Wyborcza weitere Details zu Polens eigenem „Watergate-Skandal“.
So schmutzig sind Bitcoin und Co.
Kurios ist die neue Funktion des Antiviren-Scanner Norton 360. Mit dem Programm lässt sich nun die Kryptowährung Ethereum schürfen. Die Funktion wird automatisch per Update installiert und lässt sich nicht entfernen, was für Aufregung unter den Nutzer:innen sorgte. Neben den hohen Rechen- und Stromkosten nimmt das Unternehmen eine 15-prozentige Provision. Weitere Hintergründe erklärt Tomas Rudl.
Während Norton noch neue Möglichkeiten zum Kryptomining schafft, sieht sich Mozilla mit einem Aufschrei um dessen kryptofreundliche Spendenpolitik konfrontiert. Die Firma hatte angekündigt, Spenden nun auch über Bitcoin und Co. anzunehmen. Anschließend kritisierte selbst einer der Gründer Mozzilas den Schritt scharf. Kryptomining steht zunehmend in der Kritik: Kryptowährungen sind aufgrund ihrer extrem schwankenden Kurse nicht nur alles andere als eine stabile Geldanlage, ihr rechenintensives Mining kostet zudem enorm viel Energie – so viel wie alle Gaskraftwerke von RWE zusammen. Wegen des Aufschreis hat Mozilla bereits einen Rückzieher gemacht und nimmt vorerst doch keine Kryptospende mehr an. Alexander Fanta hat die Kontroverse kommentiert.
„Zuckerverbot“ auf Tumblr und Millionen-Cookie-Klage für Google und Facebook
Am Mittwoch fand das Bundeskartellamt heraus, dass es sich bei Google um einen großen Konzern handelt. Diese fast banale Feststellung hat allerdings weitreichende Folgen: Sie eröffnen rechtliche Möglichkeiten, um die Marktmacht des Internetriesens zu beschränken. Anna Biselli erklärt, wie es (endlich) zu der Entscheidung kam und was das Kartellamt jetzt machen kann.
Damit hörte es für Google diese Woche allerdings noch nicht auf. Wie Anna Biselli berichtet, müssen Google und Facebook zusammen 210 Millionen Euro Strafe zahlen. Das gab die französische Datenschutzbehörde CNIL am Donnerstag bekannt. Weil es komplizierter ist, Tracking-Cookies auf einer Webseite abzulehnen, würden viele User:innen den schnelleren Weg wählen und die Cookies annehmen. Die französische Datenschutzbehörde CNIL fordert daraufhin: Das Ablehnen und Annehmen der Cookies muss gleich viele Klicks benötigen. Google und Facebook können die Entscheidung allerdings noch anfechten.
Das Leben ist kein Ponyhof – es sei denn, wir bewegen uns auf Tumblr für iOS. Wer in der Apple-Version von Tumblr nach „Toilette“, „Zucker“ oder „Selbstportät“ sucht, findet derzeit keine Ergebnisse mehr. „Die Blogging-Plattform Tumblr beschneidet sich selbst“, findet Sebastian Meineck. Offenbar haben Apples strenge Richtlinien dafür gesorgt, dass dort jene vermeintlich anstößigen Begriffe nicht mehr angezeigt werden.
Shutdown für die Meinungsfreiheit
Wenig erfreuliche Nachrichten gibt es diese Woche auch aus Hongkong. Mit „Citizen News“ schließt innerhalb von weniger als einer Woche das zweite regierungskritische Online-Medium in der chinesischen Sonderverwaltungszone. Erst am 29. Dezember hatten die Behörden das unabhängige Medienunternehmen „Stand News“ kaltgestellt. Weil sie unter dem zunehmenden politischen Druck aus Peking die Sicherheit ihrer Angestellten nicht mehr garantieren könnten und ein ähnliches Schicksal fürchteten, gab nun auch Citizen News seine Auflösung bekannt . Das Medium stand seit seiner Gründung vor fünf Jahren für Freiheit, Offenheit, Vielfalt und eine überparteiliche und unabhängige Berichterstattung. Christina Braun berichtet.
Auch in Kasachstan sieht es aktuell düster aus. Die Massenproteste, welche das autoritär geführte Land Anfang des Jahres in Atem halten, haben sich mittlerweile zu einer ernstzunehmenden Staatskrise entwickelt. Grund für die Proteste waren die Auto-Gaspreise gewesen, welche die Regierung zum Jahreswechsel verdoppelt hatte. Am Mittwoch Morgen hatte die Regierung von Präsident Qassym-Schomart Tokajew dann das Internet landesweit komplett abgeschaltet und den Ausnahmezustand ausgerufen, berichtet Markus Reuter. Mittlerweile hat die Regierung die Preiserhöhung zurückgenommen und ist bis auf den Präsidenten Toqajew geschlossen zurückgetreten – die Proteste gehen aber trotzdem weiter, das Regime lässt scharf auf die Demonstrierenden schießen. Auf Bitten Toqajews hat Russland jetzt so genannte „Friedenstruppen“ ins Land gesendet.
Im äthiopischen Bürgerkrieg sollen Kampfdrohnen das Blatt gewendet haben. Überraschend kam es dort kurz vor der Eroberung der Hauptstadt durch die Tigray-Rebellen zu einem Waffenstillstand. Ausschlaggebend sollen dabei die neuen Drohnen des äthiopischen Militärs gewesen sein. Unklar bleibt allerdings, ob und welche Drohnen bereits einsatzbereit waren. Welche Länder die unbemannten Flugobjekte lieferten und was über die Kampfdrohnen bekannt ist, berichtet Matthias Monroy.
Ein LUCAtives Geschäft
Mitten in der Corona-Pandemie befindet sich die Luca-App im Überlebenskampf. Die Gesundheitsämter nutzen die App kaum mehr zur Konktaktnachverfolgung, ihr Nutzen für die Pandemiebekämpfung ist damit fraglich. In den kommenden Wochen müssen die Länder entscheiden, ob sie den Vertrag mit den Betreibern der Luca-App kündigen, berichtet Markus Reuter.
Für die App-Betreiber:innen wäre eine Absage allerdings nicht unbedingt das geschäftliche Aus – sie dürfen die App offenbar weiter auch für andere Zwecke als die Pandemiebekämpfung nutzen. Durch ihre riesige, staatlich verordnete Nutzer:innenbasis hat die App jetzt schon einen enormen Wert. Schon im August des letzten Jahres haben die Betreiber die Lobbyagentur Finsbury Glover Hering engagiert, für die auch ein ehemaliger Gesundheitsstaatssekretär arbeitet. Markus Reuter erklärt, wie Luca auch nach der Pandemie weiter Kasse machen kann.
Datensammelwut bei Deutsche Wohnen und ein Antidiskriminierungsversuch von Airbnb
Jahrelang sammelte der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen massenhaft Kopien von Personalausweisen, Kontoauszügen und anderen sensiblen Dokumenten von Mieter:innen. Trotz mehrfacher Aufforderungen soll der für hohe Mieten und fehlende Reparaturen in der Kritik stehende Konzern die Daten aber nicht gelöscht haben. Für die Datensammelwut verhängte die Berliner Datenschutzbehörde ein Bußgeld in Höhe von 14,5 Millionen Euro. Wegen einem bizarren rechtlichen Widerspruchs landet der Fall jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof. Was Luxemburg gegen Deutsche Wohnen ausrichten kann und wie es jetzt weitergeht, berichtet Alexander Fanta.
Der Vermieterdienst Airbnb will mit einem Pilotversuch im US-Bundesstaat Oregon gegen Diskriminierung auf seinem Online-Portal vorgehen. Gäste in dem US-Bundesstaat müssen vor einer Anmietung nicht mehr den vollen Namen und das Gesicht zeigen. „So hat etwa eine unabhängige Studie bereits 2015 herausgefunden, dass Gäste mit Schwarz klingendem Namen signifikant öfter von Vermieter:innen abgewiesen werden als identische Gäste mit Weiß klingendem Namen“, erklärt Tomas Rudl. In seinem Bericht hat er die wichtigsten Infos zur Anti-Rassimus-Kampagne zusammengefasst.
Hinweis für unsere anglophone Leser:innenschaft
Auch Ingo Dachwitz hat sich mit datenbasierter Diskriminierung auseinandergesetzt. Letzte Woche berichtete er davon, dass die niederländische Regierung im Skandal um rassistische Diskriminierung bei der Überprüfung von Kindergeldansprüchen ein Bußgeld in Millionenhöhe akzeptiert. Den Text gibt es jetzt auch in der englischen Übersetzung zum Nachlesen.
Und damit wünschen wir euch einen guten Start ins neue Jahr und ein schönes Wochenende!
Naja, es ist eben Krieg. Krieg um Troja :). Überall soll es sein.
Dit wird mir jetzt aba zu anstrengend, wa.
Liebe Konsum-Enten und Konsum-Entinnen
geht Ihnen auch das Geschnatter auf den Keks, immer nur Bedenken und Datenschutz? Wer schützt denn unser Recht auf Bequemlichkeit beim Konsumieren, unser Recht auf Ignoranz und Unbekümmertheit, unser Recht auf Geselligkeit bis über alle Grenzen körperlicher Unversehrtheit?
Ein guter Staatsbürger ist ein üppig konsumierender Bürger. Und ein noch besserer Staatsbürger ist einer, der das digitalisiert tut. Die oberste Bürgerpflicht ist Datenlieferung, denn wer gibt, dem wird auch gegeben werden.
In beispielhaften Staatsformen der Zukunft war zum Neujahr auf Hochhäuser projiziert zu lesen: „Don‘t be concerned!“ (Dubai 2022). Und darüber das Konterfei des sich sorgenden Despoten, der etwas grumpy auf sein Party-Volk blickt. So schön kann Fortschritt sein.
Wer noch unentschieden ist, seine Daten notleidenden Start-Uupps(!) zu überlassen, sollte dankbar und altruistisch an die Altersvorsorge jener denken, die sich in zehntausenden von „Mann(!)stunden“ eigennütziger Kreativität hingeben mussten, wie sie an Menschen-Daten herankommen, um sie profitabel zu verwursten.
Konsumenten und Konsumentinnen sind Datenträger und nicht Bedenkenträger. Sie sollten ihre Daten, mit denen sie ja selbst nichts anfangen können, doch lieber anderen überlassen. Sorgen sie sich nicht und erleichtern Sie sich! Wer zu viel denkt, kann nicht unbeschwert konsumieren.
Ihre freiwilligen Datenspenden werden jederzeit und gerne entgegen genommen. Und nein, niemand beabsichtigt gegen Kompensation mittels anonyme Kryptowährung, seine Firewall vorübergehend einzureißen, um seine Daten-Reste-Rampe zu verscherbeln.
Hey, vielleicht wollt ihr noch den Link zur Englischen Übersetzung im (vor)letzten Absatz ergänzen :)
Danke für den Hinweis. Der Link ist jetzt im Text ergänzt.