Die US-Bundesverwaltung schreibt an einem Strafbescheid von historischer Höhe für Facebook: Fünf Milliarden Dollar soll der Konzern für Datenschutzverstöße zahlen. Die Federal Trade Commission beschloss den Vergleich mit Facebook am Freitag, berichteten übereinstimmend Washington Post und Wall Street Journal.
Als Teil der Strafe muss Facebook laut den Berichten seinen Umgang mit den Daten von Nutzerinnen und Nutzern ändern. Es werde aber keine Änderungen beim Datenzugang für Dritte, etwa Werbekunden, geben, meldete der Guardian. Nähere Informationen zum Vergleich zwischen Facebook und FTC waren zunächst nicht bekannt. Das US-Justizministerium muss die Übereinkunft noch absegnen.
Bemerkenswert an dem Deal ist nicht nur, wie tief der unter US-Präsident Barack Obama noch hochgeschätzte und politisch äußerst gut verdrahtete Konzern im Ansehen gefallen ist. Interessant ist auch, dass nach den Berichten in dem politisch besetzten Gremium die Republikaner für den Vergleich stimmten, die Demokraten dagegen.
„Verfrühtes Weihnachtsgeschenk“
In Washington sehen einige solche Strafen längst als zu wenig an, um dem Konzern von Firmengründer Mark Zuckerberg Herr zu werden. Die Strafe sei höchstens ein „leichter Schlag auf das Handgelenk“ und ein „verfrühtes Weihnachtsgeschenk“ für Facebook, sagte der demokratische Abgeordnete David N. Cicilline, der dem Kartellkomitee im Repräsentantenhaus vorsteht.
Die Strafe sei in Wirklichkeit keine, sondern ein Gefallen für Facebook, argumentiert auch der Kartellexperte Matt Stoller vom Thinktank Open Markets Institute. Es handle sich um ein Knöllchen, dass Facebooks Verhalten legitimiere, sagte Stoller dem Guardian.
Investoren sehen das offenbar ähnlich: An den Aktienmärkten stieg der Kurs der Facebook-Aktie nach Bekanntwerden der Strafhöhe. Für den Konzern ist damit ein Risiko aus der Welt. Die Summe trübt wohl die Bilanz, mit einem Quartalsumsatz von 15 Milliarden Dollar allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 kann Facebook sich die Strafe aber leisten.
Die politischen Reaktionen auf die Entscheidung machen ein Umdenken in Washington deutlich. Seit dem Cambridge-Analytica-Skandal ist Datenschutz ein ernstes politisches Thema, die systematischen Verstöße von Konzernen wie Facebook kein Kavaliersdelikt mehr.
Zu den Bedenken gegen die Aushöhlung der Privatsphäre gesellen sich zudem Sorgen um den Wettbewerb. Facebook, Google und Amazon sind in vielen Märkten Quasi-Monopolisten, die kaum Konkurrenz zulassen.
Auch wenn die USA gegenüber Europa noch eine schützende Hand über die Datendominanz ihrer Konzerne halten, etwa im Verfahren des Datenschützers Max Schrems vor dem Europäischen Gerichtshof, gibt es nun deutlichen Widerspruch. Die Präsidentschaftsbewerberin Elisabeth Warren machte mit ihrem Vorschlag zur Entflechtung von Facebook, WhatsApp und Instagram die Zerschlagung der Datenkonzerne zum Mainstream-Thema.
„Strafen ändern keine Geschäftsmodelle“
In Europa formulieren es führende Behördenvertreterinnen und -Vertreter verhaltener als Warren, aber die Sichtweise ist eine ähnliche. Auf die Marktmacht der Konzerne müsse mit koordiniertem Vorgehen geantwortet werden, das Datenschutz und Wettbewerbsrecht verknüpfe. Mit Strafen allein, seien sie auch in Milliardenhöhe, sei es nicht getan. „Strafen ändern keine Geschäftsmodelle“, sagte die Chefin der britischen Datenschutzbehörde, Elisabeth Denham zuletzt in Brüssel.
Facebook baut seine Profite auf die systematische Aushöhlung der Privatsphäre seiner Nutzer. Auch wenn die US-Behörden nun für einzelne Verfehlungen Geld einsammeln, oder die EU-Kommission unter Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager Ähnliches tut, werden Facebook, Google oder Amazon die Strafen schnell einpreisen – und sie auf Werbekundschaft und Nutzer*innen umwälzen.
Der nächste Schritt muss daher sein, die Arbeitsweise der Plattformfirmen zu ändern. Bundeskartellamtschef Andreas Mundt sprach sich zuletzt in Brüssel für die innere Entflechtung der Konzerne aus. Seine Behörde geht bisher noch nicht so weit. Sie schrieb Facebook zuletzt bloß vor, Datensammlungen verschiedener Dienste nicht einfach ohne Einwilligung kombinieren zu dürfen. (Der Rechtsstreit darum läuft.)
Weitere Schritte werden längst debattiert: Etwa die Verpflichtung für die Konzerne, ihre Dienste mit anderen interoperabel zu machen. Große Baustellen gibt es außerdem noch bei der Durchsetzung der Datenschutzgrundverordnung, wo es bisher kaum hohe Strafen gegen die Datenkonzerne gab. Das wichtige Beiwerk zur DSGVO, die ePrivacy-Verordnung, fehlt weiterhin.
Noch mutiger gegen die Konzernmacht vorgehen ließe sich mit der Förderung von Alternativen. Für einzelne Nutzer könnte dies bedeuten, offene Netzwerke wie Mastodon zu nutzen. Von staatlicher Seite sollte statt Google-Docs und Microsoft-Lizenzen die Nutzung von Open-Source-Software vorangetrieben werden.
Strafen sind, so formuliert es die Datenschützerin Denham, ein guter Weg, die Aufmerksamkeit der Firmenchefs im Silicon Valley zu fokussieren. Längerfristig brauchen wir aber Strukturänderungen. Geld alleine reicht da nicht.
Wie bei Intel damals.