Diskussion über Liquid Feedback

Das Blog Streetdogg hat sich mal etwas genauer die Nutzung von Liquid Feedback durch die Piratenpartei angeschaut und darüber gebloggt: The Tale of Liquid Feedback. Ihm ist aufgefallen, dass das Prinzip des Delegated-Voting dazu führt, dass wenige Nutzer eine Entscheidung maßgeblich beeinflussen können. Das funktioniert dadurch, dass man sein Stimmrecht z.B. für einzelne Themenfelder an andere delegieren kann. Diese delegieren das Stimmrecht aber munter weiter, bis dann einzelnen Personen soviele Stimmen zudelegiert wurden, dass diese in einer Entscheidung die Mehrheit haben. Streetdogg sieht durch die Kumulierung von Stimmen auf wenige „Mächtige“ ein Problem des Systems und plädiert für eine Abschaltung der Delegationen.

Sebastian Jabbusch hat daraufhin bei den Demokratiepiraten sehr ausführlich auf die Analyse geantwortet: Der Sinn und Zweck von „Delegationen“. Er argumentiert sehr ausführlich für Delegationen und geht mit Gegenargumenten in die Debatte.

Auf jeden Fall sind beide Beiträge eine interessante Analyse und nicht nur für Politikwissenschaftler interessant. Immerhin sieht man hier ein politisches und spannendes Experiment in Echtzeit, was immer wieder aufs Neue auf den Prüfstand sollte, um es besser zu machen.

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34 Ergänzungen

  1. „Ihm ist aufgefallen, dass das Prinzip des Delegated-Voting dazu führt, dass wenige Nutzer eine Entscheidung maßgeblich beeinflussen können.“

    Ach was? Laserhirn!

    1. Naja, vielleicht wenigstens etwas transparenter als unsere „repräsentative“ Demokratie mit teils nicht-öffentlichen Ausschüssen und (verfassungswidrigem, aber nicht wirklich bestrittenem) Fraktionszwang.

  2. lol LQFB spielt doch gerade im Mix von Delegation und Direktstimme seine Stärke als Essenz aus. Trottel. Als ob es bei der repräsentativen Demokratie nicht genauso schon ist, nur dass die Direktstimme oft fehlt.

    1. Ja, aber wie wirkt sich das Wechselspiel von Delegation und Direktstimme in der Praxis aus? Wer die Vorteile von zwei unterschiedlichen Konzepten verbinden will, verbindet leider oft auch die Nachteile der Konzepte. Die Information „X ist kompetent im Urheberrecht“ mag zwischen zwei Personen klappen, aber wie ist es, wenn Stimmrechte über zwei Ecken, oder gar drei, vier Delegationen weitergetragen wird? Ist der Kompetenteste am Schluss am Schalthebel oder der Sympathischste, der Populist oder der Bücherwurm?

      1. Es ist doch so, dass Liquid Democracy beide Konzepte als Grenzfälle beinhaltet. Wenn alle selbst abstimmen, hat man Direktdemokratie, wenn stattdessen nur Delegierte abstimmen, hat man Repräsentativdemokratie. Das Kontinuum an Mischformen ist aber offensichtlich viel größer. Durch Liquid Democracy gibt es sozusagen mehr Freiheitsgrade und so können alle Beteiligten ihre Präferenz an Direktbeteiligung genau einstellen. Dadurch werden die Nachteile der anderen Systeme aber gerade gegeneinander aufgehoben. Das Delegationssystem löst das Problem geringer Beteiligung in Direktdemokratien und sorgt bei komplexen Sachverhalten dafür, dass Personen, die sich mit der Materie auskennen, die Entscheidung fällen. Die Möglichkeit der Direktbeteiligung an Abstimmungen gibt jedem die Kontrolle in persönlich wichtigen Einzelfragen zurück und löst so das Problem der Repräsentativdemokratie, nämlich dass man immer ein „Entscheidungspaket kauft“, das selten alle eigenen Präferenzen abdeckt.

        Dass der Ansatz grundsätzliche Probleme menschlicher Bewertung nicht löst, kann man ihn kaum zum Vorwurf machen. Alle Kompetenz nützt in einer Demokratie eben nichts, wenn man nicht auch gleichzeitig in der Lage ist Zustimmung zu finden. Genauso wie die Wichtung von Kompetenz gegen persönliche Sympathie eher eine Frage der Vernunft der Beteiligten, als eine Frage des Demokratiemodells ist.

      2. Andrè: Es geht nicht darum, einer Software oder einem Prozess Schuld zuzuschieben. Man setzt ein Ziel, probiert den Prozess aus und vergleicht dann Ergebnis mit der Zielvorstellung. Dass LQFB im ersten Versuch ohne weitere Anpassungen reibungslos funktioniert, hat niemand erwartet.

  3. @Markus: Neben dem Problemfeld der Delegation (siehe Torsten), thematisiert die Analyse noch ein weiteres, das ich – übrigens gerade auch im realweltlichen Kontext von #adhocracy und #eidg – für weit interessanter halter:

    Das der technischen Determinierung durch eine (hoch)komplexe Plattform. Es reicht wenig überraschend nicht, lediglich eine technische Plattform zur eigenständigen Problemlösung anzubieten. Selbst wenn diese zunächst angekommen wird, versanden die Prozesse dort mit der Zeit. Und das selbst bei einer Prüfgruppe, der man wohl eine hohe Technikaffinität nachsagen darf (hier: Mitglieder der Piratenpartei).

    Wie sich die Akzeptanz für derartige Lösungen beim normalen Bürger entwickelt, wenn bereits eine mit entsprechenden Lösungen vertraute Zielgruppe nach einiger Zeit die Lust verliert, kann man sich wohl leicht vorstellen.

    Sonderlich überraschend ist dabei aber allenfalls, dass nicht aus Fehlern gelernt wird: Angefangen von Hans Geser („Auf dem Weg zur „Cyberdemocracy“?“ ,1996) bis Leggewie/Bieber („Demokratie 2.0“, 2005) ist das Thema auf der theoretischen Ebene nämlich gut abgehangen. Statt auf diesem Wissen aufzubauen, macht in der Praxis aber jeder lieber die gleichen Fehler ,(

    1. Es gibt so verdammt viele Theorien und diese Widersprechen sich dann oftmals auch noch. Da ist es im Grunde kaum mehr möglich Philosophische bzw Soziologische Theorien sinvoll einzusetzen. Man muss es eben einfach probieren und sehen was hinterher dabei rauskommt.

      1. Man hat’s ja probiert. Immer und immer wieder. Dem Nutzer ein Stück Software hinzuwerfen, wie einem Hund einen Knochen, funktioniert im Bereich der partizipativen Demokratie ebenso wenig, wie (die Einbindung von Experten) in der Wikipedia.

        Es sei denn, man steht auf Knochen (= bestimmte Nutzertypen setzen sich durch, dummerweise selten die, die man gebrauchen kann) . Aber nicht einmal die kann man dauerhaft halten, wie „The Tale of Liquid Feedback“ einmal mehr zeigt.

    2. Das ist auch in meinen Augen das wesentlich größere Problem. Die Frage ist nur, wie sich die Teilnahme entwickeln würde, wenn den gefällten Entscheidungen eine höhere Bedeutung zukommen. Sprich der Bürger/Parteimitglied auch direkt bindende Entscheidungen treffen kann. Die per LQFB entschiedenen Abstimmungen gehen bisher i.A. unter oder münden maximal in einen Antrag an den nächsten Bundesparteitag. Dieser Antrag lässt sich aber ohne LQFB auch einfach direkt an die Antragskommission stellen. Daher ist das System im Moment nur ein zusätzliches Feature, dass keine echte Relevanz hat und auch deswegen nicht genutzt wird

      1. Eine höherer Beteiligung würde die negativen Effekte zunächst wohl erhöhen. Siehe Expertendiskurs in der Wikipedia, bzw. das Problem der „kleinen Herrscher“ in thematischen Randbereichen.

        Leggewie schrieb bereits 2004 (PDF):

        Meist bleibt die Online-Kommunikation deshalb episodisch und flatterhaft, seltener auf Dauer angelegt und auf das wechselseitige Aufgreifen der behandelten Themen und Topoi.

        […] Experimente mit deliberativen Meinungsumfragen, digitalen Planungszellen und virtueller Konfliktmediation zeigen, dass Online-Kommunikation bei entsprechender Moderation ausgezeichnete Ergebnisse zeitigt. […]

        […] Anspruchsvolle und kompetent moderierte Online-Foren vernetzen den Menschen auf der Straße behutsam (und auf dem letzten Stand der Informationstechnik) mit den Informationseliten, also mit dem gut informierten Bürger, der ‚scientific community‘ und mit den Beratungs- und Entscheidungsgremien des politisch-adiministrativen Systems. […]

        […] Das Erfolgsgeheimnis von Online-Diskursen besteht also in der optimalen Verbindung von „Reichweite“ (Massenkommunikation) und „Intensität“ (moderierte, zum Teil iterative Foren mit wenigen Dutzend Teilnehmern) sowie in der Kombination von Stetigkeit und Ereignisinszenierung. Eine so gestaltete Kommunikationsplattform weist unterschiedliche Grade an sachlicher Strukturierung (Thematik) und personeller Strukturierung (Moderation) auf. Sie reicht von FAQs, Glossaren und komplexeren Erklärfunktionen über offene Chats und Diskussionsforen bis zu spezialisierten Fachdiskursen. Zu den diskursiven und interaktiven Komponenten treten Archivierung und Speicherung in Datenbanken und Infotheken. Auch die Vernetzung mit Entscheidungsgremien wie Bundesregierung und Bundestag und Beratungsgremien wie einer Enquetekommission und nicht zuletzt Initiativen der Zivilgesellschaft ist leicht möglich, […]

        Wie gesagt, das Paper ist von 2004.

      2. Bindende Entscheidungen mit Liquid Democracy zu treffen wäre eine Einladung zum Stimmenkauf. Wer will schon überprüfen ob die Delegation erteilt wurde weil man von der Kompetenz des Delegierten überzeugt ist oder ob der Delegierte einfach Geld dafür auf den Tisch gelegt hat?

      3. @Acamir
        und wo ist da jetzt der Unterschied zu normalen politischen Entscheidungen? Diese werden ja ebenfalls durch Lobbyisten „beeinflusst“ um es mal politisch korrekt zu sagen.

      4. @R3v
        Richtig, es gibt keinen. Liquid Democracy ist genauso schlecht wie unser jetziges System. Aber eine echte Basisdemokratie mit geheimen Abstimmungen und ohne Delegationen hätte dieses Problem nicht.

    3. @Jörg-Olaf Schäfers: Es ist so wie ich es überall beobachte. Der Mensch hat kein Verlangen danach sich immer um alles selber zu kümmern. Es bedeutet Arbeit sich intensiv mit einem Thema zu beschäftigen, ständig Entscheidungen zu treffen. Viel einfacher ist es doch, wenn man die Verantwortung auf einen Abschieben kann, dem man danach auch die Schuld in die Schuhe schiebt. Und solange es einem persönlich gut geht, ist es dem Mensch doch eigentlich auch sehr egal, wer „da oben“ für ihn entscheidet. Das beobachte ich im Kleinen und im Großen, das findet man im Staat und in der Kirche.
      Sobald es darum geht, dass man mehrere Möglichkeiten hat, ist es doch am einfachsten einen Kapitän da vorne ans Steuer zu stellen und sich dann Achtern im Liegestuhl zu sonnen. Wenn das Schiff in stürmische Gewässer fährt wird der Kapitän ausgewechselt und gehofft, dass der neue etwas länger durchhält.
      Der Mensch liebt die Freiheit und er hasst es Entscheidungen zu treffen, denn das bedeutet, dass er für sein Tun und Handeln selber Verantwortlich ist. Ein Paradoxon erster Klasse. Es gab schon immer die Tendenz, dass der Mensch sich ein Vorbild gesucht, eine Leitfigur gewünscht, eine Autorität vorangestellt hat. Je nach dem welchen Quellen man da vertrauen möchte findet man dieses Phänomen schon vor 5000 Jahren aufgeschrieben. Unsere Geschichtsbücher sind voll davon.
      Aber es gab auch immer schon diese kleine Gruppe von Menschen, denen das nicht egal war, die sich ihrer Verantwortung bewusst waren, die immer wieder versucht haben den Rest der Truppe aus dem Dornröschenschlaf aufzuwecken, einen Spiegel vor zuhalten. Es gab diese Menschen in jeder Generation und es wird sie immer geben. Wenn man genau hinsieht, findet man sie. Manchmal vereinzelt, manchen in Grüppchen kämpfen sie eine Kampf gegen Windmühlen. Unerlässlich. Man könnte das Ganzen mit der Metapher einer Ungleichung beschreiben, die immer in die eine Richtung hängt, mal stärker, mal schwächer, aber die sie wird immer gültig bleiben, das Verhältnis hat sich noch nie und wird sich nie umdrehen.

      lg, Daniel

      PS: Ich bin Informatiker und kein Soziologe. Man verzeihe mir, wenn ich hier entgegen jedem Lehrbuch meine Schlüsse ziehe.

  4. Und? Wie ist das im Bundestag? Dort gibt’s auch fünf Fraktionen, von denen meistens zwei oder drei schon mangels Stimmen nichts ausrichten können und die zwei mit der Mehrheit eh das machen, was die Kanzlerin oder noch interessanter die EU vorgeben.

  5. Abschaltung der Delegationen? Na, das ist ja mal grandioser Unfug. Es ist doch gerade ein entscheidendes Feature von Liquid Democracy, dass man selbst bestimmen kann, inwieweit man sich in einbringt, inwieweit man sich selbst mit den Details der verschiedenen Anträge auseinandersetzen will. Solange es für den Einzelnen transparent ist, wer am Ende einer Delegationskette letztlich in ihrem Namen abstimmt, sehe ich kein Problem. Das Missbrauchspotential wird durch die Möglichkeit einer schnellen Revision der Delegation und die Möglichkeit eigener Abstimmung im Einzelfall begrenzt.

    1. Hi,
      Das Problem ist auch, dass ich nicht weiß an wen ich delegiere, das kann ich erst (mit mehr oder weniger viel Aufwand) im Nachhinein erfahren. (Ich weiß schon an wen ich direkt delegiere, klar, aber ich weiß nicht wer letztendlich für mich entscheidet.) Das bedeutet, dass ich nur wenn ich selber abstimme sicher sein kann, dass so abgestimmt wird wie das in meinem Interesse ist, weil derjenige an den ich delegiere (hoffentlich) Ahnung hat und für mich abstimmt, der nächste in der Reihe (an den mein Delegierter delegiert) aber vielleicht schon nicht mehr.
      (Sorry, wenn’s schwierig zu lesen ist ^^)
      Und das ist das Grundproblem der Delegationen glaub ich:
      Dass ich nicht weiß wer für mich abstimmt, diese Transparenz ist aber schwierig herzustellen, weil es ja eine geheime Wahl sein soll.

      mfg Xaleander

      PS: Steht auch so ziemlich alles auf Streetdogs Blog.

      1. Ich hoffe nicht, dass es sich um geheime Wahlen handelt. Laut diesem FAQ implementiert LiquidFeedback das jedenfalls nicht: http://liquidfeedback.org/faq/
        LiquidFeedback soll keine geheime Wahl ermöglichen. Nach der Abstimmung werden alle Abstimmdaten offengelegt (namentliche Abstimmung). Dies gilt auch für die Informationen darüber, wer mit wessen Vollmacht gestimmt hat.

        Alles andere wäre mit Repräsentation auch kaum zu vereinbaren. Wenn ich mich in einer Abstimmung vertreten lasse, muss nachvollziehbar sein, wie in meinem Namen abgestimmt wurde.

        Ich sehe durchaus, dass es bei längeren Delegationsketten schwierig ist den Überblick zu behalten, da diese an jeder Stelle unterbrochen werden können, wenn sich jemand entscheidet selbst abzustimmen. Im Prinzip kann die eigene Stimme bei jedem aus der Delegationskette landen, inklusive einem selbst natürlich. Ganz abgesehen davon, dass sich die Ketten auch noch auffächern können, weil es nicht nur globale Delegation gibt. Es mag auch sein, dass das bei LiquidFeedback noch nicht übersichtlich genug ist. Es ist sicherlich in vielen Fällen nicht trivial so ein Netzwerk transparent darzustellen.

        Aber wer bei einer Abstimmung in meinem Namen wie abgestimmt hat, das ich muss ich mit einem Klick erfahren können.

    1. Z.B. das die Macht direkt vom Volk ausgeht?
      Demokratie bedeutet wortwörtlich „Volksherrschaft“.

      Was Demokratie jedenfalls nicht ist:
      Alle 4 Jahre zur Wahl gehen und dann 4 Jahre lang die Klappe halten und alles hinnehmen.

  6. Ja, aber mit den beliebig weiterdelegierbaren Delegationen treibt man im Extremfall den Teufel mit dem Beelzebub aus. Also unter der Voraussetzung, dass der Beelzebub noch weitaus schlimmer wäre, als der Teufel.

    Im Bundestag hat man am Ende nämlich trotz Fraktionszwang immer wieder Abweichler bzw. Leute, die man bequatschen kann und die ihre Meinung ändern. Hmm, also, was ich sagen will, beim Bundestag kann man nicht versehentlich alles auf eine Person deligieren, sondern es verteilt sich immer auf viele Köpfe, die zu einem gewissen Mass vielleicht doch mal selbst denken. Dadurch entsteht in gewisser Weise ein Limit an Delegationen pro Kopf.

    Und dann ist da das Problem von Torsten, dass bei weitergeleitetem LQFB vielleicht immer der maximale Populist gewinnt, weil es eben keine Vorentscheidung im kleinen Kreis der Partei (Listenaufstellung) gibt, die möglicherweise solche Leute vorher aussortiert. (Ja, ich weiss, klappt in der Praxis auch nicht so recht und schafft wieder ganz neue Probleme).

    Ich bin dafür, die Delegationen abzuschaffen und bei zu geringer Beteiligung einfach keine Entscheidung zu fällen. Dann wird sich die Anzahl der Entscheidungen auf die wesentlichen beschränken und es gibt einen Anreiz für \die Regierung\ bei den Teilnehmern um aktive Teilnahme zu werben. Ausserdem sehen die Teilnehmer, dass eben wirklich nichts passiert, weder das falsche noch das richtige, wenn sie nicht selbst teilnehmen. Nur so kann man garantieren, dass die Leute auch wirklich im Bewusstsein der Wirkmächtigkeit entscheiden.

  7. Ich kenne immernoch kein Argument das gegen LQFB spricht, das nicht auch gleichzeitig gegen repräsentative Demokratie spricht.
    Der Debatte um E-Democracy fehlt immer wieder der Aspekt, dass bereits diese „normale“ Demokratie nicht perfekt ist und E-Democracy ledig versucht einige dieser Imperfektionen zu verbessern.

    Meiner Meinung nach benötigt jedes Argument gegen/für LQFB/E-Democracy gleichzeitig eine Argumentation, dass dies kein Vorteil/Nachteil für die andere Seite ist ODER wieso der betreffende Aspekt in der anderen Seite besser/schlechter ist. Alles andere ist ungenau und wenig weiterführend.

    Außerdem werden bei Experimenten bei E-Democracy häufig umfangreiche Daten gesammelt und ausgwertet, während bei der „normalen“ Demokratieformen einfach vergleichbare Daten mangels Intransparenz völlig fehlen.
    Ich finde daher, dass die beiden Paper die von Jörg Olaf zitiert wurden keine guten Aussagen treffen können und sie daher ignorieren sollte.

  8. Gut, ich hatte dich so verstanden, dass du dich auf das Konzept selbst und weniger auf die konkrete Implementation in Form von Liquid Feedback beziehst. Und da wollte ich nur anmerken, dass Liquid Democracy aus meiner Sicht das mächtigere Konzept ist, weil es wesentlich komplexere Beziehungsnetze politischer Akteure (das klassische Wahlvolk eingeschlossen) darstellen kann und damit meist bessere partizipative Ergebnisse erzielen sollte als seine Grenzfälle.

    Wenn du von der Definition von Zielen sprichst, stellt sich allerdings erstmal die Frage, ob hohe Stimmgewichte, die auf Einzelpersonen entfallen, ein wirkliches Problem darstellen. Mir ist jedenfalls nicht klar, dass die Begrenzung des Stimmgewichtes von Einzelpersonen zwingend ein Ziel sein muss.

    Ich würde nicht das Aussehen des Delegationsnetzwerks zur Bewertungsgrundlage machen, sondern eigentlich müsste man erheben, wie oft in Abstimmungen jeder Einzelne so abstimmt, wie er es bevorzugt. Unter Realbedingungen schwierig zu messen, da sich die Teilnehmer dann hinterher mit den Themen, die sie über Delegation abgegeben haben, beschäftigen müssten, um zu bestimmen, ob in ihrem Sinne abgestimmt wurde. Aber so könnte man sehen, ob sich das System einem Optimum annähert, selbst wenn das bedeutet, dass solche Machtkonzentrationen auftreten.

  9. Warum die Delegationstiefe nicht begrenzen? Dazu gleichzeitig die Delegationsreihe für jeden anzeigen, falls dies noch nicht implementiert ist.

  10. Danke für den Artikel. Freut mich über das Interesse. Wie seit ihr drauf gestoßen?

    1. @Sebastian Jabbusch: Das wird Dich jetzt sicher vollkommen überraschen, aber die Links gingen ja rege über Twitter und Facebook rum. Ich kam nur über Ostern nicht zum bloggen.

  11. Das würde dazu führen, dass die Stimme von A, die über B, C, D, E, F delegiert wird bei F verloren ist, während sie eventuell bei E noch zählen würde. Angenommen die Delegationen sind alle im Sinne von A, dann wäre das schade um die Stimme, wenn F statt E abstimmt.

    Ich habe mich in StreetDoggs Blog schon für ein Stimmgewicht ausgesprochen, dass die direktdemokratische Partizipation höher wertet als indirekte Partizipation. Das Argument dafür ist die Annahme, dass eine Delegation immer Unsicherheit beinhaltet, ob \im Sinne\ des Delegierenden abgestimmt wird.(*) Dies würde im obigen Beispiel dazu führen, dass die Stimme von A, wenn sie von F gestimmt wird, nur ein wenig weniger wert ist als die Stimme, wenn sie von E gestimmt wäre und nicht gleich 0.

    Aber naja… Erst einmal werden Delegationen demnächst zeitlich auf 3 Monate begrenzt(**), heißt es, und die Delegationsketten (\Was passierte mit meiner delegierten Stimme?\) werden transparenter dargestellt, wie du es quasi auch forderst. Dann mal gucken, wie sich LQFB anfühlt und ob ich meine Forderung nach Stimmgewichten erneuere oder nicht. ;-)

    Gruß,
    Stephan

    (*) In LQFB gibt es drei Ebenen, auf denen delegiert werden kann. Hier denke ich, wird die Unsicherheit mit höherer Ebene höher. In der Konsequenz sollte also das Stimmgewicht mit höherer Ebene sinken. Aber darüber lässt sich natürlich streiten.
    (**) Hoffentlich auch die Mitgliedschaften in Themenbereichen, sonst gibt’s Probleme mit dem Quoren.

    PS: Auch hier auf Netzpolitik kann man nicht kommentieren ohne seine Daten an Google zu schicken. *seufz*

    1. Die Einzelstimme zu gewichten erschiene mir äußerst problematisch, da das den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Es ist auch schwierig „Unsicherheit“ als Argument heranzuziehen, denn genauso ist es ja möglich, dass exakt im Sinne desjenigen, der vertreten wird, abgestimmt wird. Etwa weil der Betreffende sich die Delegation sehr gut überlegt hat. Sollte das durch geringeres Gewicht der delegierten Stimme bestraft werden?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.