Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.
Mit dem Relaunch der ZDF-Mediathek im Oktober 2017 wurde auch ein vorsichtiger Einstieg in die Personalisierung des ZDF-Online-Angebots gewagt. Seither ist es möglich, sich dort sowie in der ZDF-App zu registrieren. Zu Beginn waren die damit verbundenen Folgen für das Nutzungserlebnis gering. Bis heute ist das ZDF zum Beispiel bei personalisierten Empfehlungen, wie man sie von Netflix oder YouTube kennt, zurückhaltend. Durchaus mit guten Gründen: Eine stupide Klick- und Verweildaueroptimierung ist mit einem öffentlich-rechtlichen Auftrag kaum vereinbar; Empfehlungsalgorithmen, die anderen Logiken folgen (politisches Kontroversitätsgebot, Bildungsauftrag etc.), sind ungleich schwerer zu entwickeln und zu implementieren.
Seit September 2018 gibt es jedoch für registrierte Benutzer die Option, ihr Alter verifizieren zu lassen. Dann lassen sich altersbeschränkte Angebote wie die Serie Parfum auch außerhalb des Zeitfensters zwischen 22 und 6 Uhr online ansehen. Die Auswirkungen des neuen Features auf die Registrierungszahlen waren beträchtlich. Gab es bis zur Einführung der Altersverifikation im September 2018 weniger als 200.000 aktive registrierte Nutzer, so hat sich deren Zahl inzwischen auf 618.436 mehr als verdreifacht (Stand 08. Januar 2019). Angesichts der Konkurrenz von Netflix und Co, deren Angebot natürlich immer schon rund um die Uhr nutzbar war, stellt die Einführung der Altersverifikation somit ein überaus notwendiges Nachziehen von Seiten der öffentlich-rechtlichen Anbieter dar.
Trotz Login weiterhin Geoblocking
Ausgeschlossen von der Altersverifikation sind jedoch jene Haushaltsabgabenzahler, die nicht über einen deutschen Personalausweis oder Reisepass verfügen. In den FAQ zur Altersfreigabe heißt es dazu:
Die Altersfreigabe ist aktuell nur für Ausweis-Dokumente wie dem deutschen Personalausweis, Reisepass und/oder einem deutschen Aufenthaltstitel möglich. Weitere Länder im EU-Ausland und der Welt können für die Altersfreigabe leider nicht berücksichtigt werden. Alle jugendgeschützten Inhalte können je nach geografischer Verfügbarkeit aber weiterhin zwischen 22 und 6 Uhr ohne Altersfreigabe angesehen werden.
Der Hinweis „je nach geografischer Verfügbarkeit“ gilt jedoch auch für Menschen mit deutschem Ausweis. Trotz Registrierung können selbst diese weiterhin bei Urlaubs- oder Arbeitsaufenthalten im Ausland nicht ohne weiteres auf Inhalte zugreifen, die geografisch gesperrt sind. Das ist vor allem deshalb bedauerlich, weil auf europäischer Ebene mit Verabschiedung der Portabilitätsverordnung (PDF) seit April 2018 die rechtlichen Voraussetzungen für grenzüberschreitenden Zugriff auf Inhalte geschaffen wurden.
Seither sind kommerzielle Streamingdienste wie Netflix oder Sky sogar dazu verpflichtet, ihren Abonnenten Zugriff auf die Inhalte zu gewähren, wenn diese sich vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat der EU aufhalten. Wie das Europäische Verbraucherzentrum betont, müssen die Angebote „unter denselben Bedingungen wie im Heimatland zur Verfügung stehen: selber Inhalt, selbe Produktauswahl, selbe Anzahl von Endgeräten und dieselben Funktionen.“ Zusatzgebühren für den Zugang im Ausland sind unzulässig.
Keine Portabilitätspflicht für ARD, ZDF & Co
Ausgenommen von dieser Portabilitätspflicht sind neben kostenlosen Angeboten auch „öffentliche Rundfunkdienste“. Gemäß Artikel 6 ivM Artikel 5 Abs. 1 lit. d) der EU-Verordnung können diese aber durchaus Zugriff auf ihre Online-Dienste auch im Ausland gewähren, sofern sie den Wohnsitzmitgliedstaat prüfen. Im konkreten Fall müsste wahrscheinlich die Altersfreigabe um eine Prüfung der Entrichtung der Haushaltsabgabe ergänzt werden. Dann wäre auch eine grenzüberschreitende Nutzung der öffentlich-rechtlichen Angebote zumindest in der EU problemlos möglich.
Bislang scheuen die öffentlich-rechtlichen Anbieter aber offenbar den damit verbundenen Mehraufwand. Im Ergebnis sind die öffentlich-rechtliche Mediatheken und Apps – kaum, dass der Nachteil zeitlicher Abrufbeschränkungen verringert worden ist – damit wieder schlechter nutzbar als jene der privaten Wettbewerber, die ja zur Portabilität verpflichtet sind. Die große Akzeptanz der Registrierung zur Altersfreigabe lässt mich aber hoffen, dass die öffentlich-rechtlichen Anbieter auch im Bereich Portabilität nachziehen werden.
Ich würde dafür plädieren, nicht jugendfreien Content erst gar nicht in die Mediathek aufzunehmen, wenn der Jugendschutz wirklich Priorität haben soll. Ich würde als Erwachsener lieber auf solchen verzichten, als persönliche Daten für Registrierung und Kontrolle preiszugeben. Die Mediathek muss so anonym nutzbar sein wie die Nutzung von TV über Antenne.
Das Angebot bleibt ja weiterhin wie bisher zwischen 22 und 6 Uhr auch anonym nutzbar. Registrieren muss sich nur, wer außerhalb dieses Zeitfensters nicht-jugendfreie Inhalte konsumieren möchte.
Wenn Jugendschutz um 22.00 Uhr endet, kann man diesen kaum ernst nehmen. Das bringt nicht wenig Jugendliche um wertvolle Schlafenszeit. Das mag zwar für Fernsehen einigermaßen der Lebenspraxis entsprechen, wenn der Fernseher von den Erziehungsberechtigten kontrolliert wird.
Zugangsberechtigungen im Internet aber zeitlich zu beschränken halte ich so sinnfrei wie unwirksam.
Hierzu eine Frage: Im Text wird gesagt:
„sofern sie den Wohnsitzmitgliedstaat prüfen. Im konkreten Fall […] eine Prüfung der Entrichtung der Haushaltsabgabe“
Aber warum? Der Rundfunkbeitrag ist ja keine Nutzungsgebühr sondern ein Beitrag. Erhalte ich etwa ALG II oder andere Sozialleistungen, entrichte ich keine Haushaltsabgabe, sollte aber dennoch am öffentlich-rechtlichen Rundfunk teilnehmen können.
Faktisch findet ja schon jetzt eine Wohnsitzprüfung statt, da man ja ein Dokument, das Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltserlaubnis nachweist, haben muss. Sollte der Wohnsitz nicht zur Berechtigung reichen? Rechtlich gesehen zahlt ja jeder mit Wohnsitz den Beitrag.
Danke für die Frage. Zwei Punkte:
a) Natürlich soll auf die Berechtigung, nicht auf die Bezahlung der Haushaltsabgabe abgestellt werden.
b) die Portabilitätsverordnung sieht eine entsprechende Prüfung in Artikel 5 Abs. 1 Lit. d) vor: „Beleg für die durch den Abonnenten erfolgende Zahlung einer Lizenzgebühr für sonstige Dienste, die in einem Mitgliedstaat bereitgestellt werden, wie etwa für den öffentlichen Rundfunk;“
Ausgeschlossen wären demnach z.B. deutsche Staatsbürger, die keinen Wohnsitz in Deutschland haben und deshalb auch keine Haushaltsabgabe bezahlen. Aus der Logik der Portabilitätsverordnung heraus ist das auch logisch, weil sie ja nur bei vorübergehendem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedsstaat greift.
Diese „Auslandsaufenthalte“ werden doch anhand der IP-Adresse „erkannt“, oder? Das ist ein Problem, denn erstens sind GeoIP-Zuordnungen ungenau und fehleranfällig (siehe NSAUA) und zweitens nutze auch ich als Deutscher IP-Adressen aus dem “ Ausland“ per VPN und Tor (siehe Snowden). Ist das Problem im Fernsehrat bekannt? Gibt es eine Position dazu?