Netzpolitischer Wochenrückblick KW43: Spannende Umfrageergebnisse und neue Ideen für KI-Regulierung

Unsere Umfrage ist vorbei, gelernt haben wir allerlei. Auch beschäftigten uns die Datenschutzvisionen von Apple, die hatte hier niemand auf dem Zettel. Das Unternehmen will sich steuertechnisch nicht beflecken, dafür haben Telekom und WhatsApp Dreck am Stecken. Das Thema Künstliche Intelligenz verfolgt man vielerorts mit mehr Konsequenz.

Rochen
Rochen – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com David Clode

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Im Juni haben wir die dritte netzpolitik.org-Umfrage durchgeführt und erfreulicherweise rund 3.300 vollständige Antworten erhalten. Die aktuellen Zahlen zu jeder Frage sind seit dieser Woche auf unserem Blog zu finden. Eine wichtige Erkenntnis aus der Umfrage lautet: Unsere Community ist gebildet, arbeitet in der IT-Branche und wählt nicht rechts.

Apple bricht Lanze für den Datenschutz

In Brüssel zeigte sich Tim Cook, derzeitiger Geschäftsführer des Tech-Konzerns Apple, als großer Freund der europäischen Datenschutz-Grundverordnung und forderte ein ähnliches Gesetz für die USA. Damit differenziert sich Apple von der Konkurrenz wie Facebook oder Google, deren Geschäftsmodell im Kern auf dem akribischen Sammeln von Daten für ihre Werbenetzwerke basiert. In wieweit der Applaus, den Cook damit erntete, lediglich die kürzlich bekannt gewordenen Steuervermeidungsstrategien übertönen soll, ist fraglich.

Künstliche Intelligenz

Das Geschäftsmodell der Datensammler gerät auch beim Thema Künstliche Intelligenz unter Druck. Von immer mehr Seiten wird Transparenz, Kontrolle und Regulierung gefordert. Der UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit David Kaye hat kürzlich einen Bericht veröffentlicht, in dem er vor steigender Vermischung der Interessen von Regierungen mit denen von privaten Firmen warnt. Er fordert, KI-Systeme strenger zu kontrollieren und insbesondere die großen Tech-Monopole stärker zu regulieren.

In Deutschland haben die Informationsfreiheitsbeauftragten (IFG-Beauftragte) von Bund und Ländern auf ihrer diesjährigen Konferenz ein Positionspapier mit Forderungen verfasst. Darunter die Forderung nach mehr Transparenz beim Einsatz von Algorithmen und KI in der Verwaltung, wobei sogar offene Software in Erwägung gezogen wird. Entsprechende Transparenzvorschriften sollen gesetzlich verankert werden.

Die IFG-Beauftragte des Bundes Andrea Voßhoff kritisiert indes das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Dieses verweigerte die Herausgabe eines alten Terminkalenders seines Ministers. Nachdem sich Voßhoff eingeschaltet hatte, löschte das Ministerium die Daten einfach. Nicht nur in Sachen Künstlicher Intelligenz brauchen wir mehr Transparenz.

Wie sieht’s aus in der Welt?

Die Antwort auf die Frage: Gar nicht so richtig erfreulich. Zu dem Fall des Anfang Oktober ermordeten Journalisten Jamal Kashoggi wurden neue Einzelheiten bekannt. Die New York Times berichtete, dass ein Bericht der Unternehmensberatung McKinsey die Aufmerksamkeit auf regierungskritische Stimmen lenkte, was die saudi-arabische Regierung veranlasste, gezielt gegen diese Personen vorzugehen. Die Zusammenhänge zu diesem komplexen Fall haben wir hier zusammengefasst.

Ein Exportschlager israelischer Firmen ist Überwachungssoftware, die in den Händen von internationalen Autokraten für die Überwachung von MenschenrechtsaktivistInnen eingesetzt wird. Die Software wird offensiv in autokratische Staaten und an Kunden verkauft, die diese auch für die Überwachung der eigenen Bevölkerung einsetzen und das auch in vollem Wissen der Softwarefirmen.

Über WhatsApp werden kurz vor dem zweiten Gang der brasilianischen Präsidentschaftswahl Falschinformationen über den Kandidaten Fernando Haddad und seine Arbeiterpartei PT gestreut. Wie viele Nachrichten in der groß angelegten Desinformationskampagne zugunsten des rechtsextremen Kandidaten Jair Bolsonaro an die Wähler gingen, ist schwer abzuschätzen. Kritische Stimmen fordern von WhatsApp, Maßnahmen gegen die virale Verbreitung problematischer Inhalte zu ergreifen, natürlich ohne die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung anzugreifen. Wie diese Forderungen genau aussehen, berichtet unser Kollege Leon.

Under Construction: Breitbandausbau

Vom Breitbandausbauförderprogramm der Bundesregierung hat bisher größtenteils die Telekom profitiert. Dies geht aus einer Antwort auf eine schriftliche Frage der grünen Infrastruktursprecherin Margit Stumpp hervor, die im Förderprogramm eine Umsatzsicherung für den Ex-Monopolisten sieht. Hinsichtlich des Breitbandausbaus steht die Telekom vielfach in der Kritik – zum Beispiel aufgrund der Praxis des „Überbaus“.

Pressefreiheit und Urheberrecht

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in dieser Woche entschieden: Der Bundestag muss der Presse in parlamentarischen Angelegenheiten keine Auskunft erteilen. Das könnte Anlass geben, ein Bundespressegesetz zu verabschieden, damit auch Auskünfte über Legislative und Judikative von der Presse eingefordert werden können. Damit könnte allerdings eine Verschlechterung der Transparenzpflichten einhergehen, wenn eine Bereichsausnahme für den Geheimdienst geregelt wird.

Nach einer Klage des Bundesverteidigungsministeriums gegen die Funke-Mediengruppe musste diese die online veröffentlichen sogenannten Afghanistan-Papiere wieder löschen, weil die Veröffentlichung gegen das Urheberrecht verstößt. Die Unterlagen zeigten die Lage der Bundeswehr in Afghanistan und machten deutlich, dass diese sich von der öffentlichen Darstellung der Lage durch die Bundesregierung deutlich unterschied. Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs urteilte nun: Der Staat könne sich nicht auf das Urheberrecht berufen, um das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken. In kürze wird das oberste EU-Gericht seine abschließende Entscheidung in dem Fall vorlegen.

Julia Krüger hat sich als freie Autorin derweil mit der EU-Urheberrechtsreform beschäftigt und fordert eine stärkere Orientierung am Gemeinwohl und der Förderung der öffentlichen Debatte.

Empfehlungen fürs Wochenende

Aber: Noch ist nicht alles verloren und wir haben wieder viele schöne Empfehlungen für euch, damit nicht alles so finster wirkt.

  • In dieser Woche lief der Dokumentarfilm „Im inneren Kreis“ bereits in Bremen und Berlin. Am 15.11. habt ihr die Möglichkeit, den Film in Wien zu schauen und euch mit den Filmemachern in der anschließenden Dokumentation darüber zu unterhalten. Wer es jetzt nicht schafft, den Film zu sehen, wird bald auch die Möglichkeit haben, ihn ganz old-school auf DVD oder als Download zu erstehen.
  • Auf unserer „Das ist Netzpolitik!“-Konferenz hat sich der Kollege Ingo Dachwitz mit der Publizistin Sophie Passmann über ihren Umgang mit sozialen Medien unterhalten. Den 40-minütigen Podcast dazu gibt es hier.
  • Jens Kubieziel vom Zwiebelfreunde e.V. war ebenfalls auf unserer Konferenz und hat uns erklärt, was Tor eigentlich ist und warum er zuletzt die Polizei im Haus hatte.
  • In dem neuen Buch „Smart Lies, alles smart?“ haben zwölf AutorInnen Science-Fiction-ähnliche Kurzgeschichten über die Probleme der zunehmenden Vernetzung veröffentlicht. Barbara Wimmer, Herausgeberin des Buches hat uns ihre Geschichte zur Verfügung gestellt und die gibt es hier zu lesen.

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