Pressefreiheit: Generalanwalt gegen Zensurheberrecht bei Afghanistan-Papieren

Laut Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs durfte die Funke-Mediengruppe die sogenannten Afghanistan-Papiere veröffentlichen. Damit gibt er die Richtung für ein Urteil des Gerichts vor. Das Verteidigungsministerium ließ die Verbreitung von militärischen Lageberichten mithilfe des Urheberrechts verbieten.

Screenshot von afghanistan-papers.army

In seinem Schlussantrag vor dem Europäischen Gerichtshof hat sich der Generalanwalt Maciej Szpunar heute gegen das Veröffentlichungsverbot der sogenannten Afghanistan-Papiere ausgesprochen. Das Verteidigungsministerium von Ursula von der Leyen habe mit seinem Vorgehen die Meinungsfreiheit missachtet.

Die Recherche-Redaktion der Funke Mediengruppe hatte 2012 etwa 5.000 Seiten aus militärischen Lageberichten über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ins Internet gestellt. Diese „Unterrichtungen des Parlaments“ zeigen, dass die Lage der Bundeswehr in Afghanistan von 2005 bis 2012 prekärer war als von der Bundesregierung zuvor berichtet. Nach einer Klage des Bundesverteidigungsministeriums und einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln mussten die Journalisten die Papiere wegen angeblicher Verletzung des Urheberrechts löschen. Lediglich ein Twitter-Bot verbreitet weiterhin einzelne Seiten der Papiere.

Staat darf nicht Grundrecht auf Eigentum gegen Grundrecht auf Meinungsfreiheit ausspielen

Der Generalanwalt argumentiert, dass der Staat zwar grundsätzlich über geistiges Eigentum verfügen könne. Er könne sich allerdings nicht auf das Grundrecht am Eigentum berufen, um ein anderes Grundrecht wie die freie Meinungsäußerung zu beschränken. Durch Grundrechte werde der Staat nicht begünstigt, sondern verpflichtet.

Offensichtlich habe das Verteidigungsministerium mithilfe des Urheberrechts versucht, die Verbreitung bestimmter Informationen zu unterdrücken: „Dies hat aber überhaupt nichts mit den Zielen des Urheberrechts zu tun. Das Urheberrecht wird hier somit für die Verfolgung von Zielen instrumentalisiert, die ihm völlig fremd sind.“

Dokumente nicht schutzfähig nach dem Urheberrecht

Außerdem äußert der Generalanwalt Zweifel daran, dass militärische Lageberichte wie die Afghanistan-Papiere überhaupt urheberrechtlich geschützte Werke darstellen. Sie seien als Informationsdokumente in einer völlig neutralen und standardisierten Sprache abgefasst und damit vermutlich nicht als Werk im Sinne des Urheberrechts zu begreifen.

Die Richter des Europäischen Gerichtshofs werden in den kommenden Wochen den Schlussantrag des Generalanwalts beraten und voraussichtlich Anfang 2019 das Urteil verkünden. Folgt der Europäische Gerichtshof – wie er es regelmäßig tut – dem Antrag des Generalanwalts, würde das Vorgehen des Verteidigungsministeriums und der Kölner Gerichte als rechtswidrig anerkannt werden. Das in Luxemburg ansässige Gericht würde ein eindeutiges Signal gegen den Missbrauch des Urheberrechts als Zensurheberrecht senden.

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10 Ergänzungen

  1. Hallo Arne, irgendwas stimmt an dem Artikel nicht:

    Die Argumentation ist merkwürdig verschwurbelt. Liegt das an Deinem Artikel oder an der Argumentationslinie des Generalanwaltes? Würde der EUGH dieser Argumentation folgen, würde er (wieder einmal) Deutsches Recht falsch verstehen und damit brechen.

    „Der Generalanwalt argumentiert, dass der Staat zwar grundsätzlich über geistiges Eigentum verfügen könne. Er könne sich allerdings nicht auf das Grundrecht am Eigentum berufen, um ein anderes Grundrecht wie die freie Meinungsäußerung zu beschränken.“ Offensichtlich fehlt es dem Generalanwalt schon am Verständnis deutschen Rechts – wie das so oft bei EU-Organen ist.

    Der Staat kann sich gegen seine Bürger nie auf Grundrechte berufen. Denn Grundrechte sind Freiheitsrechte des Bürgers gegen den Staat. Er darf sie nicht umkehren und gegen die Bürger richten. Tut er hier aber auch gar nicht, denn er leitet seine Rechtsposition aus dem Urheberrecht ab. Weiter greift der Staat überhaupt nicht in das Grundrecht der Meinungsfreiheit Art 5 GG ein. Danach darf man sich nämlich nur aus „allgemein zugänglichen Quellen informieren“. Das war die Quelle aber nicht. Eine Grundrechtsabwägung ist hier absolut fehl am Platz. Es treffen gar nicht zwei Grundrechte aufeinander.

    Beim Urheberrecht kommt es nicht darauf an, ob es „in einer völlig neutralen und standardisierten Sprache abgefasst“ ist, sondern, ob es „persönliche geistige Schöpfungen sind“ § 2 UrhG. Jedenfalls können auch „amtliche Werke“ dem Urheberrecht unterliegen, wenn „sie nicht im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht“ sind § 5 UrhG.

    Erörtert werden müsste also die Frage, ob hier ein für das Parlament produziertes Dokument „zur allgemeinen Kenntnisnahme“ veröffentlich wurde. Das ist aber – wie das OLG Köln feststellt, gerade nicht der Fall.

  2. Das ist ein merkwürdig verdrehter Artikel:

    Der Staat kann sich nie auf Grundrechte berufen, die stehen nämlich nur Bürgern zu. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist gar nicht tangiert. Denn einerseits wird niemandem durch das Urteil des OLG Köln eine Meinungäusserung verboten, andererseits gewährt Art 5 GG nur Zugang zu öffentlich freien Informationen. Das war das Afghanistanpapier eben nicht.

    Dementsprechend beruft sich das Bundesverteidigungsministerium auch gar nicht auf Grundrechte sondern auf das Urheberrecht. Dabei spielt aber eine „völlig neutrale und standardisierte Sprache“ keine Rolle, sondern ob eine „persönliche geistige Schöpfung“ , § 2 UrhG, vorliegt. Das ist kaum zu bestreiten. Darüberhinaus schützt auch § 5 UrhG behördliche Informationen, wenn sie nicht zur Veröffentlichung vorgesehen sind.

    Die gesamte Argumentationskette des Generalanwalt ist schlichter Unsinn. Oder handelt es sich vielleicht um ein Fehlverständnis des Autors?

    1. Es geht um den grundgesetzlichen Schutz des (geistigen) Eigentums. Das hat schon alles seine Richtigkeit. Aber die dazugehörigen Texte sind ja alle verlinkt, die kann man gerne nachlesen.

  3. Was ändert das?
    Art 10 EGMRK ist nicht weit weg von Art 5 GG und enthält in Absatz 2 weitere Einschränkungen bezüglich des Zugangs zu Dokumenten. Auch hier kommt es auf die Qualifizierung des Dokuments als der Öffentlichkeit zugänglich an.
    Das Argument „freie Meinungsäußerung“ bleibt immer noch unschlüssig. Denn daran wird ja niemand gehindert.

    1. Wenn du ab Punkt 49. ff, wenn du schon das Dokument nicht ganz lesen willst, die Argumentation des Generalanwalts des Europ. Ger. nachliest, mag dir das ggf. schlüssiger vorkommen.

      Meinungsfreiheit ist sowohl ein passiver, wie auch ein aktiver Begriff, der die Verwendung von Quellen als Belege und einen erweiterten sozialen Kontext in jedem Fall mit einbezieht. Du kannst den Begriff nicht einfach nur sprachlich aufschlüsseln (i.d.F. frei (von staatlicher Verfolgung) Meinung äußern zu können).

  4. Sach´ich doch:
    In Wirklichkeit geht es also um die „Informationsfreiheit“, die Freiheit, Informationen ohne behördliche Eingriffe zu empfangen und weiterzugeben. Diese unterliegt zwar den Einschränkungen gem. Art 10 EMRK, das Bundesministerium hat sie aber gar nicht geltend gemacht, sondern stattdessen das Urheberrecht bemüht.

    Selbstverständlich kann der Urheber eines Textes darüber entscheiden, ob er ihn veröffentlich oder nicht. Hier wurde das Dokument für den Bundestag erstellt und bereits an diesen kommuniziert. Und deshalb stellt sich nun die Frage, 1.) ist es trotz Kommunikation an den Bundestag ein lediglich internes Dokument oder ist vielleicht doch schon eine Veröffentlichung erfolgt und 2.) ob man über das Urheberrecht die „Weiterverbreitung“ eines nicht als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Dokuments verhindern kann.

    @ „Ich finde“
    Danke für den Link, aus dem Artikel wird es wirklich klar, was der Generalanwalt meint.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.