Es soll ein großer Wurf werden: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron drängt seit seinem Amtsantritt im Vorjahr auf eine stärkere Besteuerung der großen US-Digitalkonzerne. Die EU-Kommission nahm den Ball auf und legte im März detaillierte Pläne für eine Steuer vor, die das Geschäftsmodell „Nutzerdaten“ ins Visier nimmt.
Denn Konzerne wie Google und Facebook entziehen sich durch ihr grenzüberschreitendes Geschäftsmodell der Steuerpflicht in zahlreichen EU-Staaten, in denen sie gutes Geld verdienen. Die Digitalsteuerpläne der EU sehen einen kurz- und langfristigen Weg zu einer gerechteren Besteuerung vor. In beiden vorgeschlagenen Modellen zieht die EU-Kommission unter anderem die Zahl der Nutzer eines Dienstes und die Menge an gesammelten Daten als Grundlage für die Besteuerung heran – ein neuartiger Ansatz, der vehemente Gegenwehr aus Industriekreisen provoziert.
Deutschland laviert
Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich gegenüber den Plänen der Kommission zunächst skeptisch. Ihr Finanzminister Olaf Scholz schwieg bei einer ersten Debatte mit seinen europäischen Amtskollegen zu dem Thema. Doch seither schwenkte Merkel zumindest rhetorisch um: Bei einem Kongress in Berlin Ende Mai sprach die Kanzlerin von der Bepreisung der Daten als dem „zentralen Gerechtigkeitsproblem der Zukunft“. Vergangene Woche betonten Deutschland und Frankreich in der Meseburger Erklärung ihre Absicht, noch 2018 eine Lösung bei der „Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle“ zu erreichen. Das Bundesfinanzministerium schätzt, dass die Steuerpläne der Kommission Deutschland zumindest 600 Millionen Euro im Jahr an Einnahmen bringen könnten.
Ernst meint die Bundesregierung es aber mit der Steueridee offenkundig nicht. Das SPD-geführte Bundesfinanzministerium stellt in ihren Antworten auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Danyal Bayaz (pdf) klar, dass Berlin kaum Anstrengungen hin zu einer Digitalsteuer macht. Im Gegenteil, man steht den Ideen aus Brüssel und Paris abwartend bis skeptisch gegenüber. Die Bundesregierung prüfe bisher die Vorschläge der EU-Kommission, heißt es in dem auf den 14. Juni datierten Schreiben der SPD-Staatssekretärin Christine Lambrecht. Aber zugleich setzt man eine rote Linie: „Der Digitalisierungsprozess in der deutschen Wirtschaft darf nicht behindert werden.“
Damit hat sich die Argumentation der Gegner bereits durchgesetzt. Offiziell will man sich erst nach Abschluss der Verhandlungen mit den anderen EU-Mitgliedsländern festlegen, ob man dafür ist oder dagegen, heißt es in dem Schreiben des BMF. Bis dahin fehlt die gewichtige Stimme Deutschlands in der Debatte.
Auch die restlichen Antworten des Ministeriums klingen mutlos. Man stelle selbst keine Überlegungen an, wie die Datennutzung von Unternehmen zu bewerten und gegebenenfalls zu besteuern sei, heißt es. Das Ministerium will zudem zu einem zentralen Vorschlag der Kommission keine Einschätzung abgeben. In Brüssel möchte man als längerfristigen Weg zu einer gerechteren Besteuerung der Digitalkonzerne das Prinzip der virtuellen Betriebsstätte einführen, nach der Profite dort besteuert werden, wo die Nutzer der Dienste sitzen. „Ob der Vorschlag der EU-Kommission von der Bundesregierung unterstützt wird, kann erst nach Abschluss des Prüfungsprozesses entschieden werden“, heißt es. Ziel der Bundesregierung sei es, bei der Frage der Betriebsstätte eine „globale Lösung unter dem Schirm der OECD“ zu finden. Dem Klub der Industrieländer gehören neben den meisten EU-Staaten auch die USA, Kanada und Japan an – eine Lösung dort wäre noch weitaus langwieriger als im EU-Rahmen.
Bloße Lippenbekenntnisse
Am Ernst der Regierung bei der Digitalsteuer sei zu zweifeln, sagt der Grüne Bayaz. „Dafür müssen noch einige offene Fragen geklärt werden, etwa ob wir in der Bundesrepublik eine Änderung des Grundgesetzes für eine Implementierung bräuchten, wie wir digitale Umsätze abgrenzen können oder welchen Wert wir Daten geben. Das BMF scheint in seinen Überlegungen dazu noch ganz am Anfang zu stehen.“
Der grüne Abgeordnete aus dem Finanzausschuss im Bundestag fordert das Bundesfinanzministerium dazu auf, sich zu positionieren und Vorschläge vorzulegen. „Die Besteuerung großer Digitalkonzerne muss europaweit einheitlich erreicht werden. Wir brauchen gemeinsame Mindeststeuersätze und eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer in der EU. Nur so verhindern wir, dass Staaten wie Irland oder Luxemburg über steuerliche Sonderregime den großen Digitalkonzernen als Einfallstor für ihr Steuerdumping dienen“, erklärte Bayaz in einer schriftlichen Stellungnahme an netzpolitik.org.
Bisher leistet Merkel zu den gemeinsamen Digitalsteuerplänen mit Macron nur Lippenbekenntnisse. Anstalten, tatsächlich ernst zu machen, gibt es von ihrer Seite und ihrem fiskalpolitisch CDU-ähnlichen Finanzminister Olaf Scholz nicht. Dieser ist bisher vor allem mit Steuersenkungsplänen aufgefallen. Die Steuergerechtigkeit gegenüber den großen Digitalkonzernen in ganz Europa ist Scholz angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen des Bundes und dem Widerstand aus Wirtschaftskreisen in Deutschland wohl kein echtes Anliegen.
Wieso besteht die EU gefühlt nur aus Deutschland und Frankreich, wennes was zu entscheiden git