Das Gesetz, das unter dem Kürzel NetzDG bekannt ist, soll noch vor der Sommerpause den Bundestag passieren: Heiko Maas’ Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Der Konzern Facebook ist besonders betroffen von den geplanten Regelungen, die Hassreden und sogenannte Fake News eindämmen sollen. Insofern überrascht es nicht, dass sich das Unternehmen nun in einer Stellungnahme zu Wort meldet, in der auf die „gravierenden Folgen“ hingewiesen wird. Facebook fordert darin vom Bundesjustizminister, auf das Gesetz zu verzichten. Grund sei die Verfassungswidrigkeit des Vorhabens. Der Staat könne sich nicht so einfach aus der Verantwortung ziehen und das Problem der Hassrede an Private delegieren. Man schaffe mit dem Gesetz vor allem Rechtsunsicherheit und zudem einen „nationalen Alleingang“, daher sei das Gesetz abzulehnen. Außerdem seien die Pläne ungeeignet, das anvisierte Ziel überhaupt zu erreichen.
Die Stellungnahme (pdf) hat kaum neue Argumente, sondern greift inhaltlich vieles auf, was in den letzten Wochen schon diskutiert wurde. Dennoch ist die Tatsache bemerkenswert, dass sich der Konzern überhaupt schriftlich zu Wort meldet. Es unterstreicht die Bedeutung der deutschen NetzDG-Diskussion für das international tätige Unternehmen, denn in so manchem Staat ernten die Regierungen nur ein Achselzucken, wenn sie Forderungen an den Werbekonzern stellen. In Deutschland jedoch positioniert sich Facebook klar: dagegen.
Die geplanten Bußgelder sind Facebook natürlich ein Dorn im Auge. Deren Höhe sei schlichtweg inakzeptabel:
Die Höhe der Bußgelder steht außer Verhältnis zu dem sanktionierten Verhalten. Soziale Netzwerke sollen für formelle Verstöße nach dem Gesetzentwurf höhere Bußgelder zahlen als die Geldstrafe für einen Täter ausfallen könnte.
Man biete schließlich nur eine Plattform an, hier sei keine strafrechtliche oder gefahrenabwehrrechtliche Verantwortlichkeit per se vorhanden. Die Befürchtung in der öffentlichen Diskussion um das Gesetz ist allerdings vor allem, dass es sich aus unternehmerischer Sicht besser rechnen könnte, wenn wegen der Bußgelder lieber mehr als weniger Inhalte gelöscht werden.
Bestimmtheitsgebot
Besonders heftig kritisiert Facebook auch die mangelnde Bestimmtheit des Gesetzes:
Das NetzDG-E ist mit dem verfassungsrechtlich garantierten Bestimmtheitsgrundsatz unvereinbar. Die wichtigsten unbestimmten Regelungen betreffen den Anwendungsbereich des Gesetzes, die Anknüpfung und den Inhalt der bußgeldbewehrten Pflichten. Diese Unbestimmtheit macht das NetzDG-E weder für die betroffenen sozialen Netzwerke umsetzbar noch für die zuständigen Behörden und Gerichte vollziehbar.
Das Bestimmtheitsgebot ist keine Kleinigkeit, sondern eine im Grundgesetz festgeschriebene Regel, die jedes Gesetz zu erfüllen hat. Der Gesetzgeber hat schlicht die Pflicht, eine verständliche Norm zu schaffen, die Betroffene und den Anwendungsrahmen klar werden lässt. Daher fordert der Konzern, zunächst diese Unklarheiten auszuräumen.
Besonders der Begriff des „offensichtlich rechtswidrigen Inhalts“ ist ein Streitpunkt. Denn was „offensichtlich rechtswidrig“ ist, muss innerhalb von 24 Stunden geprüft und gegebenenfalls gelöscht werden. Doch wenige Inhalte sind so einfach zu definieren, dass sie darunter fielen. Man denke nur an Satire und Humor, auch an Kunst und damit zusammenhängende Provokation, vor allem aber an grenzwertige Inhalte bei Beleidigungen oder hitzigen Diskussionen, die vielleicht strafbar sein könnten, vielleicht aber auch noch nicht die Grenze zur Strafbarkeit überschritten haben.
Umstritten ist zudem die sogenannte Bagatellgrenze von zwei Millionen Nutzern (§ 1 Abs. 2 NetzDG-E), ab der ein Unternehmen betroffen ist. Facebook moniert, dass die Gesetzesbegründung zwar angibt, dass „höchstens zehn soziale Netze“ gemeint seien. Dennoch bleibe der Anwendungsbereich unklar, denn die Frage von Parlamentariern, welche konkreten zehn Netzwerke dies denn seien, beantwortete die Bundesregierung nicht.
Die Folgen der neuen Pflichten für Facebook
Klar scheint aber eines: Facebook ist eine der betroffenen Plattformen. Es werden daher sieben wesentliche Folgen aufgelistet, die durch das Gesetz aus der Sicht des Werbekonzerns bewirkt werden:
- erhebliche Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit der Nutzer,
- Ungewissheit bei den geplanten gesetzlichen Pflichten, beim dafür benötigten Aufwand sowie bei den Bußgeldern,
- Anzahl und Umfang der Beschwerden schwer abschätzbar und damit keine realistische Personalplanung möglich,
- kurzfristige Ergänzung und Überarbeitung der konzerninternen Richtlinien,
- Schulung der Mitarbeiter (juristisch, psychologisch, sprachlich, sozialwissenschaftlich) und deren psychologische Betreuung,
- Einrichtung eines umfangreichen Berichts- und Dokumentationswesens,
- Rückstellung von mehrstelligen Millionenbeträgen wegen unternehmerischer Risiken durch das Gesetz.
Dass der Konzern natürlich nicht begeistert ist, wenn der Gesetzgeber ihm Pflichten aufbrummt, überrascht nicht. Wichtiger als der bemängelte unternehmerische und finanzielle Aufwand bleiben daher die Fragen zur Meinungsfreiheit, die immerhin an Platz eins der Facebook-Liste gelandet sind.
Zusätzlich kritisiert der Werbekonzern einen Rückzug des Staats von seinen Pflichten und die Übertragung seiner Aufgaben an Private:
Die Verhinderung und Bekämpfung von Hate Speech und Falschmeldungen ist eine öffentliche Aufgabe, der sich der Staat nicht entziehen darf.
Damit greift er die bekannte Kritik an der privaten Rechtsdurchsetzung auf, die aus dem Munde des Konzerns allerdings etwas deplaziert wirkt. Denn auch wenn die Verhinderung und Bekämpfung von Hate Speech und Fake News eine staatliche Aufgabe ist, heißt das im Umkehrschluss noch nicht, dass ein wesentlicher kommerzieller Player im Markt der Meinungen und Berichterstattungen keinerlei Verantwortung dafür hätte. Die abstoßende Kultur, die in Teilen von Facebook vorherrscht, muss sich der Konzern auch selbst zurechnen.
Kritik an nationalen gesetzlichen Pflichten
Auch eine Vertreterin des Konzern Facebook hatte sich zu der anhaltenden Diskussion um Heiko Maas’ Netzwerkdurchsetzungsgesetz geäußert und „Widerstand“ dagegen ankündigt. Das meldet die Wirtschaftswoche. Der Werbekonzern setzt sich nach Angaben einer Facebook-Lobbyistin für eine europäische Lösung ein, die nationalen gesetzlichen Pflichten vorzuziehen sei. Das deckt sich auch mit dem Tenor der schriftlichen Facebook-Stellungnahme.
Die Feinde meiner Feinde, sind nicht unbedingt Freunde. SpOn hat Kritik an Facebooks Brief: http://m.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/a-1149745.html
Heyho Fabian, ich denk, da gehen unsere Meinungen nicht allzu weit auseinander. Ich find allerdings die Überschrift übertrieben, denn ein Eigentor haben sie wohl doch nicht geschossen. Nun bin ich sicher kein Facebook-Freund, aber sie haben schon auch ordentliche Argumente zusammengeklaubt, die nicht so leicht vom Tisch zu wischen sind, nur weil man auch begründete Kritik am Verhalten von Facebook in den ganzen letzten Monaten üben kann. Dass und warum es ein schlechtes Gesetz ist, legt die Stellungnahme letztlich hinreichend dar. Aber offengestanden braucht man dafür auch kein Blitzhirn zu sein. *hust*
Da trifft Constanze auch meinen Nerv:
Dass Facebook betroffen ist, mag uns bezogen auf die erbrachte Wirtschaftsleistung, die trotz vieler europäischer Nutzer zu kaum europäischem Geld- und Warenkreislauf führt (also uns volkswirtschaftlich wenig nutzt), zumindest egal sein, die Verhaltensgebaren sind ein weiteres Thema. Aber:
… wo Argumente da sind, die nicht allein Facebook betreffen, sondern VOR ALLEM und wirtschaftlich viel heftiger zukünftige (vielleicht sogar europäische) Konkurrenten (Start-Ups) betreffen, sind eben Facebooks Argumente universeller Art.
Facebook könnte vielleicht eine „Milderung“ in der endgültig verfassten Version des Gesetzes erreichen, was denen genügen könnte (das ist das bestehende Risiko). Aber wir brauchen hier mehr: Auch mit milderen Strafen werden jegliche kleinere Community-Plattformbetreiber, und sei es nur z.B. die „Fotocommunity“, in ein Aufgabenfeld und in ein Risiko gebracht, das wirtschaftlich und im Interesse der Nutzer absolut kontraproduktiv ist. Neben der Verlagerung von staatlichen Aufgaben in Privatunternehmen und dem daraus folgenden Overblocking, ist der Betrieb von nennenswerten, vor allem ehrenamtlich oder mit geringer Entlohnung „nebenbei“ betriebene Community-Plattformen akut wirtschaftlich gefährdet.
„Die Verhinderung und Bekämpfung von Hate Speech und Falschmeldungen ist eine öffentliche Aufgabe, der sich der Staat nicht entziehen darf.“
So Recht sie inhaltlich auch haben mögen – dass das ausgerechnet von der Firma kommt, die die Zusammenarbeit mit Strafverfolgungsbehörden in vielen Fällen schlichtweg verweigert, ist schon ein kleines bisschen Realsatire.
Nein. Keine Satire. Bestenfalls eine Interessenüberschneidung zwischen Facebook und denen, die sich ohne großen wirtschaftlichen Background eine Community-Plattform leisten. (s. oben)
Mal ein paar Fragen zur Handhabung von FB, die etwas OT sind.
Wie sieht es mit dem Neutralitätsgebot vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus?
Ein Verweis/Link auf ein kommerzielles Unternehmen ist doch Werbung und muss diese nicht als solche gekennzeichnet werden bzw. ganz unterbleiben?
Beispielsweise dürfen Brausegetränke/Markennamen in Talkshows etc. nicht explizit hervorgehoben werden, aber direkte Hinweise auf FB unterliegen anscheinend keiner Hemmschwelle.
Sind die zusätzlichen Links zu Twitter und G+, auf den Internetseiten vom ö.-r. Rundfunk, als Ausgleich zu verstehen? Müssten dann nicht auch alle weiteren kommerziellen
sozialen Netzwerke(ja die gibt es) mit aufgelistet werden, um dem Neutralitätsgebot gerecht zu werden?
Generell sehe ich keinen Zwang FB zu verwenden, da es andere Kommentar- und Kommunikationsmöglichkeiten gibt. Wer sich möglichst zensurfrei im Internet outen möchte, der erstellt seine eigene Homepage mit Blog etc. pp.
Zu Deinem letzten Absatz: Richtig. Da gibt es keinen Zwang.
Aber FB bietet die Option, seine Meinung recht intensiv verstärken zu lassen. Mit einer eigenen Homepage, Blog usw. ergibt sich sinngemäß das Gleiche in Form der „Suchmaschinenoptimierung“. Allerdings sind große Communityplattformen für Otto Normalverpöbler viel leichter zu missbrauchen. Jede andere Comunity bietet Ähnliches. Nur derzeit nicht mit so großem Verstärkungsfaktor, wie FB.
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Vielleicht sollte man es nicht mal „missbrauchen“ nennen. Sondern die Selbstverstärkung in der Kommunikation hat eine gewisse Suchtkomponente: Wer am Stammtisch seine eigene Meinung gut widergespiegelt bekommt, der kommt regelmäßig, um sich den sozialen positiven Kick zu geben. – Dass ist dann genau der Punkt, wo FB inhuman ist: Es nutzt dieses Suchtverhalten, egal ob positiver Art oder eben „pöbelicher“ negativen Art für seine Gewinnmaximierung.
Das das zu verurteilen ist, ist noch lange kein Grund, sämtlichen Communities den Risiko- und Blocking-Strick zu drehen. (Um wieder an den eigentlichen Beitrag anzuknüpfen.) Insaofern ist das Gesetzt eben auch in jeglicher abgemilderten oder rechtlich präziseren Form (wie von FB angesprochen) nicht akzeptaberl.
Das Gesetz macht keinen Sinn. Die armen Würstchen auf Facebook leben in ihren Filterblasen. Die können ich genauso im Darknet weiter gegenseitig begeistern. Das Internet ist kein Deutschnet, wo wenig bewanderte Politiker ihren Senf absondern können.
Die können veranstalten, was sie wollen, sogar chinesische Mauern hochziehen, nur nutzen wird das garnichts. Wenn ich in den vergangenen Jahren Hasskommentare und Falschnachrichten zur Kenntnis nehmen musste, kamen die ziemlich eindeutig von den Öffentlich Rechtlichen, egal, ob gerade über Assad, Erdokhan, Putin oder Trump Tünneff hergezogen wurde. Das sind zwar keine netten Leute, aber beleidigen muss man die auch nicht. Wenn sich jemand abfällig über Merkel und ihre „Regierung“ äußert, wundert mich das nicht. Es waren, sind und bleiben unbeliebte Personen, mit denen man nicht mal als kleines Kind im Buddelkasten gespielt hätte. Deshalb sind sie ja „Politiker“ geworden. Die heutigen „Politiker“ sind wahrscheinlich eine negative Auslese. Wo bleibt Darwin?