Schon mal von einem CoderDojo gehört? Es geht dabei um ein Angebot an Kinder ab ungefähr sieben Jahren, die – unterstützt von Mentoren – in einer entspannten Atmosphäre Programmieren lernen können, um beispielsweise eine App zu kreieren, eine Website zu verschönern oder ein Spiel zu bauen oder aufzumotzen. Es geht eher zu wie in einem Workshop, nicht so sehr wie in einem Klassenraum.
Natürlich gehört zu den Zielen, den Kindern das Arbeiten an und mit Technik näherzubringen. Doch im Zentrum steht weniger das klassische Vermitteln von Programmierfähigkeiten, sondern die Idee, ein Interesse und ein Verständnis für die Aufgabenstellungen rund um das Programmieren zu wecken: Welche Ziele kann ich mit welchen Mitteln erreichen? Dazu müssen komplexe Aufgaben und Ziele in kleinere unterteilt werden, die dann Stück für Stück angegangen werden.
CoderDojos für Kinder werden weltweit von Freiwilligen initiiert: beispielsweise in Irland, in Italien, in den Vereinigten Staaten, in Frankreich, Bulgarien, Großbritannien, Spanien, Rumänien, Portugal, Südafrika, Japan, Brasilien oder auch in Deutschland. Über eintausend Dojos aus 63 Ländern sind aktuell registriert.
Sie können sehr unterschiedlicher Art und Größe sein: von kleinen Gruppen mit zwei Dutzend Teilnehmern bis zu großen Veranstaltungen von mehr als einhundert Kindern. Viele lokale CoderDojos finden in regelmäßigen Abständen statt. Um Erfahrungen auszutauschen, kommen die Organisatoren auch zu einer eigenen Konferenz zusammen: die DojoCon, die es seit 2013 und mittlerweile auf mehreren Kontinenten gibt.
Wir haben Lucas Dohmen in einem Interview zu seinen Erfahrungen mit CoderDojos befragt. Er ist Informatiker und Senior Consultant bei der Firma innoQ und entwickelt beruflich hauptsächlich Web-Anwendungen. Neben seinem Beruf organisiert er das CoderDojo in Köln, macht den fabulösen Podcast Nerdkunde und arbeitet am Open-Source-Community-Kalender hacken.in und an etwa 43 Repositories.
Mund-zu-Mund-Propaganda
netzpolitik.org: Erkläre doch mal unseren Lesern: Wie läuft ein typisches CoderDojo ab?
Lucas Dohmen: Jedes CoderDojo funktioniert anders. Wir haben uns dafür entschieden, den Ablauf sehr frei zu gestalten. Wir wollen, dass es für die Kids so wenig wie möglich wie Schule ist. Das bedeutet für uns: Die Kids bringen ihre eigenen Ideen mit, woran sie arbeiten wollen. Und wir Mentoren helfen ihnen dabei, sie umzusetzen. Da ist dann alles Mögliche dabei: von der ersten Webseite über Roboter bis Java Mods für Minecraft. Einige Kids kommen auch ohne Ideen – gerade, wenn sie zum ersten Mal kommen. Die versorgen wir mit ein paar Vorschlägen.
Dabei können die Kids auch im Laufe des CoderDojos wechseln und etwas anderes machen, wenn sie darauf keine Lust mehr haben.
netzpolitik.org: Woher wissen die Kinder, dass es Euch gibt und dass ein CoderDojo angeboten wird?
Lucas Dohmen: Als wir angefangen haben, waren es Kids, die die Mentoren „mitgebracht“ haben, also teilweise eigene Kinder, teilweise von Freunden. Die haben dann mit der Zeit Freunden davon erzählt – also Mundpropaganda. Wir hatten aber auch Interviews in einem Familienmagazin und im Radio, wodurch noch weitere Kids auf uns aufmerksam geworden sind. Damit ist dann die Anzahl der Kids immer weiter gestiegen.
netzpolitik.org: Was kostet das für die Kinder? Gibt es auch Sponsoren?
Lucas Dohmen: Die Teilnahme ist kostenlos und wird immer kostenlos sein. Alle Mentoren arbeiten am CoderDojo vollständig ehrenamtlich und einfach aus Überzeugung und Spaß an der Sache. Sponsoren gibt es nur in Form der „Raum-Sponsoren“, also Firmen in Köln, die uns an einem Samstagnachmittag ihre Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung stellen. Damit braucht unser CoderDojo kein Geld und wir keine Sponsoren oder Eintrittsgeld.
Wer sind die CoderDojo-Mentoren?
netzpolitik.org: Du hast von „wir Mentoren“ gesprochen. Wer sind die Mentoren denn?
Lucas Dohmen: Unsere Mentoren sind Menschen, die begeistert sind vom Programmieren, Elektronik oder anderen verwandten Themen. Rekrutiert habe ich sie aus meinem Freundeskreis sowie Usergroups in Köln. Die meisten unserer Mentoren sind beruflich Entwickler oder Admins. Ein paar sind auch Studenten.
netzpolitik.org: Was für Usergroups meinst Du?
Lucas Dohmen: Vor allem die Usergroups für die Programmiersprachen Ruby und JavaScript, weil ich dort schon länger hingehe. Aber ich habe auch vor, ein paar andere Usergroups zu besuchen und das Dojo vorzustellen, um den Pool der Coaches zu vergrößern.
netzpolitik.org: Freiwillige sind also das Rückgrat von CoderDojo. Es steckt kein kommerzieller Hintergrund dahinter, sondern der Spaß am Lernen und Arbeiten mit Computern und Kindern?
Lucas Dohmen: Genau so ist es. Uns Mentoren verbindet der Spaß am Gerät, und wir wollen die Kids auch dazu inspirieren. Genauso werden wir aber auch von den Kids inspiriert, von ihren Ideen und von ihrem Enthusiasmus.
Welche Software- und Hardware-Projekte wünschen sich Kinder?
netzpolitik.org: Ich kenne bisher CoderDojos mit Scratch, Arduino oder HTML, aber ist das repräsentativ? Was wird denn bei Euch in Köln am meisten gewünscht?
Lucas Dohmen: Am häufigsten ist der Wunsch „Minecraft!“. Seitdem bieten wir an, für Minecraft Scripts mit JavaScript zu schreiben, die zum Beispiel ein ganzes Hochhaus oder eine Pyramide für die Kids auf Befehl bauen. Das begeistert die vielen Minecraft-Fans unter den Teilnehmenden. Wir machen aber auch viel mit Webseiten, Scratch und Elektronikbasteleien.
netzpolitik.org: Lernen Kinder aller Altersgruppen zusammen, oder gibt es Unterschiede je nach Alter?
Lucas Dohmen: Bei unserem Dojo sitzt immer ein Mentor mit ein bis drei Kids zusammen. Die gruppieren wir nach Interesse, also beispielsweise ein Minecraft-Tisch, ein Tisch mit Web-Entwicklung und so weiter, aber auch nach Erfahrung. Dabei ist die Erfahrung ausschlaggebender als das Alter.
Trotzdem ist es natürlich so, dass eine Sechsjährige etwas anderes macht als eine Zwölfjährige. Unsere jüngste Teilnehmerin war fünf Jahre alt. Sie hat beispielsweise einfach Bilder aus dem Internet zusammengesammelt und daraus eine Webseite mit den süßesten Tieren gebaut. Dabei lag der Fokus eher auf dem Sammeln der Bilder als dem HTML Markup.
netzpolitik.org: Sind auch Pädagogen dabei oder habt ihr welche konsultiert?
Lucas Dohmen: Eine unserer Mentorinnen ist Lehrerin für Informatik, die ihre Erfahrung und ihr Wissen ins Dojo einbringt. Allgemein tauschen wir aber auch einfach Erfahrung unter den Coaches aus, welche Dinge mit den Kids gut und welche nicht so gut geklappt haben.
netzpolitik.org: Wie wichtig ist das Basteln an Hardware bei Euch, wie ist ungefähr das Verhältnis zwischen Software- und Hardware-Projekten?
Lucas Dohmen: Unter den Mentoren und den Kids ist das Interesse an Software größer als an Hardware. Aber es gibt immer mindestens eine Gruppe, die etwas mit Hardware macht: eine kleine Ampelschaltung oder auch einen Roboter, der einen Parcours abfährt.
netzpolitik.org: Wenn man in Köln und Umgebung wohnt: Wann ist das nächste CoderDojo? Habt Ihr noch Plätze?
Lucas Dohmen: Das nächste CoderDojo findet am 18. März statt. Die Anmeldung für das Dojo öffnet eine Woche vorher, und nach wenigen Stunden sind die Plätze dann auch schon belegt. Deswegen freuen wir uns immer über weitere Mentoren, die uns unterstützen.
Beim nächsten Mal haben wir als kleines Special noch eine Führung durch ein Rechenzentrum in Köln.
netzpolitik.org: Wenn jemand von unseren Lesern vielleicht Mentor werden möchte: Jetzt wäre die Gelegenheit, angehenden Freiwilligen zu sagen, wie sie sich beteiligen können!
Lucas Dohmen: Wer Interesse hat, Mentor zu werden, findet eine Kontaktmöglichkeit auf unserer Website. Es ist auch möglich, sich erstmal ein Dojo anzuschauen, bevor man mit dem Mentoring beginnt. Aber auch dann vorher kurz Bescheid sagen, damit es nicht zu eng wird.
netzpolitik.org: Ihr seid Teil eines größeren Netzwerkes: Was macht die irische CoderDojo Foundation und wie seid Ihr mit ihr verbunden?
Lucas Dohmen: Wir haben nur eine sehr lose Verbindung zur Foundation. Als Organisator des Dojos lese ich den Newsletter, der an alle Dojos verschickt wird, beantworte den jährlichen Fragebogen und informiere die Kids über besondere Aktionen der Foundation.
netzpolitik.org: Lieber Lucas, viel Erfolg und vielen Dank für Deine Zeit und das Interview!
Wer sich einen Eindruck vom Elektronikbasteln bei CoderDojo in Köln machen möchte, kann hier auch ein paar Videos ansehen.
Es gibt auch CoderDojos in Berlin.
Als kinästhetisch orientierter Mensch nehme ich die Umwelt stark über das Fühlen wahr. Daher sind das auch die Kinder, die ich gut unterstützen kann. Sie werden von schulischen Inhalten leider oft kaum angesprochen, weil Zahlen und Buchstaben sich so schlecht erfühlen lassen.
Das oben beschriebene Projekt scheint mehr die digital-auditive Zielgruppe ansprechen zu wollen, also die Logiker unter uns Menschen. Im Gegensatz zu visuell-orientierte Menschen sehen sie meistens nichts, wenn sie „visualisieren“ sollen. Sie führen eher innere Dialoge. Es ist schön, dass sich auch Menschen diesen Kindern und ihrer Entdeckungs- und Experimentierfreude widmen.
Dazu passend (Smartphone reicht, vielleicht sogar für Erwachsenenbildung): Calliope mini