Gestern gab es die dritte Runde des netzpolitischen Dialogs mit Innenminister Thomas de Maiziere im Logenhaus der Freimaurer in Berlin. Thema war diesmal „Staatliche Angebote im Internet“. Also (fast) alles mit „e-„: e-Government, e-Demokratie usw. Die Runde war diesmal um eine Stunde gekürzt, weil der Innenminister vorher den Euro retten musste. Dadurch konnte man eine Stunde länger mit den anderen Eingeladenen quatschen, was deutlich interessanter war als die anschließende Runde Tisch – Diskussion.
Von der knapp 130 Minuten langen Diskussion gibt es eine MP3 zum nachhören. Wir haben bei der Gelegenheit auch noch auf das gemeinsame Positionspapier zu Open Government vom Opendata Network und Gov20-Netzwerk hinweisen können und dem Minister ein ausgedrucktes Exemplar mitgegeben.
Was wieder deutlich wurde: Die Verknüpfung von Online-Konsultation und Offline-Runde klappt nicht wirklich. Erstmal kommen kaum Fragen bei der Online-Konsultation und dann werden sie Offline auch nicht beantwortet. Man könnte also auch darauf verzichten.
Die spannendste Frage ist aber, ob es noch eine vierte Runde in drei Wochen geben wird, wo doch gerade Gerüchte die Runde machen, dass Thomas de Maiziere Wolfgang Schäuble als Finanzminister ablösen könnte.
Der letzte Absatz hat einen recht wirren fehler:
„Die spannendste Frage ist aber, ob es noch eine vierte Runde geben wird in drei Wochen geben wird, […]“
Zweimal „geben wird“ passt hier nicht so ganz! ;)
Stimmt.
Die Behauptungen des Innenministers (bzw. „provokanten/hermeneutischen Fragen“, wie er es nennt) zum Thema „Staat“ (ca. 39:00), was als Innenminister eigentlich sein Thema sein sollte, habe ich nicht verstanden (Sein-Sollen-Fehlschluss?) … und auch der behauptete Kausalzusammenhang zwischen der abnehmenden Bedeutung des Nationalstaats, der zunehmenden Nicht-Umsetzbarkeit von Plebisziden und dem Vorteil des repräsentativen Prinzips (meine Wortwahl), im „Zeitalter der Globalisierung“ (was das?) finde ich erklärungsbedüftig (Verwechslung Alle-Einige, Ursachen-Gründe, Sein-Sollen-Fehlschluss?; er nennt es „weites Feld“) (ca. 2:20:25).
Die sinnvollen Aktivitäten des Staates im Netz lassen sich wie folgt zusammenfassen:
– Transparenz schaffen (z.B. durch verbindliche Ausschreibungen ALLER öffentlich vergebenen Stellen / Aufträge im Internet)
– Infrastruktur fördern (z.B. ungenutzte Frequenzbänder im ländlichem Raum für Wlan freigeben)
– Bildung der Netznutzer einfordern, viele der Probleme (Phishing, SPAM usw.) sind nur für WIRKLICH Ahnungslose ein Problem. Zukünftige Generationen müssen an den Schulen die Grundtechniken des Netzes vermittelt bekommen. Die Annahme, das könnten die Schüler allesamt schon von Haus aus, ist falsch. Und eine Teilhabe ohne Grundbildung ist nicht möglich.
– Öffentliche PGP-Keys signieren (hier könnte so manche klamme Gemeinde problemlos Geld zusätzlich einnehmen, ausserdem kann ein teures redundantes Projekt wie D(AU)-Mail dann eingespart werden
– Gesetzliche Rahmenbedingungen für Netzneutralität schaffen (alle IP-Pakete sind gleichberechtigt weiterzuleiten und dürfen weder verzögert noch blockiert werden)
– Vertrauen der Bürger in den Staat nicht durch Überwachung und überzogene Massnahmen gefährden (z.B. werden Terroristen ihre Pläne bestimmt nicht ungetarnt und unverschlüsselt per e-mail übermitteln, was bringt dann eine flächendeckende Überwachung dieses Dienstes durch den Staat?)
– Eine Kulturflatrate für mind. 1 Jahr probeweise einführen. Eingezogen wird die Gebühr monatl.( z.B. 10 Euro) durch die ISPs und dann an die Gema überwiesen. Private Nutzung, die ja ohnehin stattfindet, würde dann endlich auch bezahlt werden.
– Verbrechensbekämpfung im Netz mit den Mitteln des demokratischen Rechtsstaats (Das Fehlverhalten weniger darf nicht dazu führen, dass alle Nutzer unter Generalverdacht gestellt werden. Löschen statt sperren bei illegalen Inhalten, Kulturflatrate gegen Medien-Piraterie, konsequente Anwendung bestehender Möglichkeiten bei Delikten wie z.B. Versandbetrug (dafür brauchts keine IP!)
Man sollte sich m. E. gar nicht so sehr nur auf inhaltliche Aspekte konzentrieren. Einfach mal die Person dieses Politikers ins Visier nehmen. Und auch beachten, was er in Sachsen so getan und gesagt hat. Dann weiß man, finde ich, viel mehr: Absichten wie Schäuble, nur für die Außenwelt netter verpackt.
Für Interessierte hier ein Link zu meinem Bericht zum (gleichen) Netzdialog:
http://www.gov20.de/im-detail-3-netzdialog/. Dem kann man entnehmen, dass ich die kritische Bewertung teile. Allerdings finde ich, dass durchaus viele Fragen online gestellt worden sind – was jedoch in der Tat wertlos ist, wenn sie nicht beantwortet werden. Dass ich dem Minister das gemeinsame Positionspapier übergeben konnte, läßt mich zumindest hoffen, dass er da auch einmal hineinschaut. ´
Anke Domscheit
http://www.gov20.de (government 2.0 netzwerk deutschland)