Das heiß umkämpfte Binge-On-Angebot des US-Mobilfunkbetreibers T-Mobile verletze den Wettbewerb, behindere Innovation sowie freie Rede und sei deshalb „vermutlich illegal“, schreibt die Netzneutralitäts-Expertin und Stanford-Professorin Barbara van Schewick in einem Report an die US-Regulierungsbehörde Federal Communication Commission (FCC). Dort untersuchen die Regulierer derzeit, ob solche Angebote gegen die allgemeinen Rahmenbedingungen („general conduct rule“) der FCC-Regeln zur Netzneutralität verstoßen und demnach das „offene Internet“ untergraben würden.
„Binge On“ wurde vergangenen Herbst gestartet und erlaubt Nutzern, Videos bestimmter Partnerplattformen anzusehen, ohne dass das dabei verbrauchte Datenvolumen auf das monatliche Transferlimit angerechnet wird. Die vor knapp einem Jahr beschlossenen FCC-Regeln verbieten die als „Zero Rating“ bekannte Praxis nicht ausdrücklich, sondern sehen lediglich Untersuchungen auf Fall-zu-Fall-Basis vor, die etwaige Verstöße gegen die Netzneutralität aufdecken sollen.
Netzbetreiber als Gatekeeper
„‚Binge On‘ unterminiert die Grundvision von Netzneutralität: Anbieter, die uns mit dem Netz verbinden, sollten nicht als ‚Gatekeeper‘ auftreten und Plattformen zu Gewinnern oder Verlierern machen, indem sie bestimmte Anwendungen bevorzugen“, erklärte Schewick. Nicht nur begünstige „Binge On“ Videoanbieter, die an dem Angebot teilnehmen würden, sondern generell Video als Anwendung. Das schränke die Wahlfreiheit von Konsumenten ein und benachteilige Plattformen, die nicht an dem Programm teilnehmen.
Zudem sei es gar nicht so trivial, die Voraussetzungen von T-Mobile zu erfüllen, um aufgenommen zu werden. Zu einem prominenten Opfer zählt etwa die größte Videoplattform der Welt, Youtube, die UDP als Transportprotokoll nutzt und Verschlüsselung einsetzt – beides erschwert oder verhindert gar die zuverlässige Identifizierung von Videomaterial, wie aus den technischen Kriterien des Netzbetreibers hervorgeht. (Was T-Mobile freilich nicht davon abhält, auch derart ausgelieferte Videos als solche zu erkennen und sie trotzdem pauschal zu drosseln. Dieser recht eindeutig gegen das Drosselungsverbot verstoßende Aspekt war jedoch nicht Gegenstand der Untersuchung.)
Die Großen gewinnen
Kleine und innovative Anbieter, insbesondere die aus dem Non-Profit-Bereich, hätten nicht die Ressourcen, ihre Infrastruktur an T-Mobile anzupassen – und schon gar nicht an die von mehreren Netzbetreibern, die früher oder später ähnliche Programme starten dürften, sollten sich Zero-Rating-Angebote auf dem Markt durchsetzen. Umgekehrt würden sich Inhalteproduzenten dafür entscheiden, ihre Videos auf Plattformen zu veröffentlichen, die von Konsumenten bevorzugt werden. Also auf jenen, die sich nicht auf das Datentransfervolumen auswirken. In Summe schränke das laut van Schewick die Meinungsfreiheit ein und verhindere Innovation.
Was das für Europa bedeutet
Die EU-Regeln zur Netzneutralität lassen Zero-Rating-Angebote zwar weiterhin zu, allerdings evaluiert das für die Feinjustierung zuständige Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) derzeit, inwieweit „kommerzielle Praktiken“ wie Zero Rating mit den neuen Regeln vereinbar sind und ob das die Rechte der Nutzer einschränken würde. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass die europäischen Regulierer den Gesetzestext in diesem Punkt kippen können. Allerdings dürfte eine etwaige Entscheidung der FCC die europäischen Rahmenbedingungen beeinflussen, die auch auf ein Verbot von Zero-Rating-Angeboten hinauslaufen könnten, da GEREK eine enge Zusammenarbeit und fortlaufenden Erfahrungsaustausch mit der FCC angekündigt hat.
Auch lohnt der Blick nach Indien, wo das „Free Basics“ genannte Zero-Rating-Produkt von Facebook stark unter Beschuss gekommmen ist und von der Regulierungsbehörde TRAI bis auf Weiteres vom Markt genommen wurde. TRAI prüft derzeit, ob der kostenlose, aber eingeschränkte Internetzugang von Facebook gegen die Netzneutralität verstößt. In Ägypten wiederum wurde ein zweimonatiger Testlauf des Facebook-Angebots nicht weiter verlängert und lief Ende Dezember 2015 ohne Begründung vorerst aus.
Gähn. Jegliche rechliche Ansprüche („vermutlich illegal“) verschwinden sehr schnell, wenn man BingeOn als optional betrachtet.
Dies ist nur ein weiterer Versuch Anbietern vorzuschreiben, wie das Angebot auszusehen hat und DAS ist definitv wettbewerbswiedrig.