T-Mobile USA gegen Netzneutralität: Drosselung ist nicht Drosselung und die Erde eine Scheibe

Bei den Aussagen des T-Mobile-USA-Chefs John Legere bleibt einem das Popcorn im Hals stecken. CC BY-NC 2.0, via flickr/Joakim Wahlander

Durchaus unterhaltsam hat sich in den vergangenen Tagen der Chef des Mobilfunkbetreibers T-Mobile USA, John Legere, um Kopf und Kragen geredet. Mit zunehmend bizarren Aussagen versuchte Legere, das Binge-On-Programm zu verteidigen, das Videoangebote von Partnerdiensten vom monatlichen Datentransfervolumen ausnimmt, die Videos dafür aber mit einer verringerten Bitrate und damit schlechteren Bildqualität ausliefert.

Kritiker werfen dem Konzern deshalb vor, das Prinzip der Netzneutralität zu verletzen, da der als Zero Rating bekannte Ansatz bestimmte Plattformen bevorzugt behandelt und dadurch den Weg in ein Zwei-Klassen-Netz ebnet.

Dumm nur, dass sich dieser Eingriff nicht nur auf Videos der Partnerplattformen auswirkt, sondern sämtliche Videos betrifft, die im Netz von T-Mobile USA angesehen oder heruntergeladen werden. Ganz recht: Wie die Electronic Frontier Foundation (EFF) nachgewiesen hat, beschränkt der Netzbetreiber selbst dann die verfügbare Bandbreite auf 1,5 MBit/s, wenn Kunden eine Videodatei zum späteren Konsum herunterladen und nicht ausdrücklich aus dem standardmäßig aktivierten Binge-On-Programm ausgestiegen sind. Den Vorwurf der Drosselung weist T-Mobile freilich von sich und bezeichnet die Praxis stattdessen als „Optimierung“.

Kritik ist „bullshit“, Kritiker sind „jerks“

Damit nicht genug, legte Legere nach und ging in einem Blogposting (samt passendem und mit zusätzlicher Profanität gespicktem Video) zur Offensive über – ohne ernsthaft auf den Kern der Kritik einzugehen, dass T-Mobile jegliches Videomaterial drosselt. Und wohl, um sich als einfacher Mann des Volkes zu inszenieren, komplett mit groß geschriebenen, also geschrienen, Worten, Auslassungspunkten und mehrfachen Fragezeichen an Satzenden, wenn auch ohne Schimpfworte wie im Video.

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Die Kritik an dem Programm sei fehlgeleitet, so Legere, denn T-Mobile habe immer … IMMER … die Wünsche der Kunden im Blick. Und diese hätten das Programm bisher gut aufgenommen, wie das gesteigerte Videoaufkommen zeige. Kritiker würden „semantische Spielchen“ betreiben, wenn sie von „Drosselung“ sprechen würden. In Wahrheit gehe es betroffenen Plattformen wie Youtube oder Interessensgruppen wie der EFF um etwas gänzlich anderes:

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Video die Glaubwürdigkeit der EFF in Frage zu stellen versuchte und sich dabei beide Füße wegschoss:

Part B of my answer is, who the fuck are you, anyway, EFF? Why are you stirring up so much trouble, and who pays you?

Wenig überraschend verursachten diese Aussagen einen veritablen Shitstorm, der das ursprüngliche Ziel der aggressiv geführten Marketing-Kampagne verblassen ließ und schließlich zu einer Entschuldigung seitens Legere führte – diesmal in einem deutlich weniger aufgeregten Tonfall.

Mag sein, dass es T-Mobile USA mit dieser Aktion in die Schlagzeilen geschafft hat und Binge On nun wirklich allen bekannt ist. Ob aus den ursprünglich anvisierten Gründen bleibt allerdings fraglich. Uns jedenfalls wird eher die Verlogenheit und Ignoranz des Netzbetreibers nachhaltig im Gedächtnis bleiben und uns erneut in Erinnerung rufen, dass die Branche selbst scheinbar benevolente Angebote nicht ohne doppelzüngige Aussagen auf den Markt werfen kann. Fortsetzung folgt bestimmt.

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8 Ergänzungen

  1. Finger weg von Drosselkom und Vodafone, wo das Veräppeln und Gängeln Methode hat. Unterstützt eure lokalen Netzanbieter – die freuen sich wenigstens über euch als Kunden!

  2. Man sollte auch mal die Kirche im Dorf lassen, finde ich. John Legere ist sicher eine schillernde Figur, über sein Auftreten braucht man gar nicht zu diskutieren. Aber das Produkt finde ich persönlich gut, halte es nicht für das Ende des Abendlandes und würde es in Deutschland begrüßen. 1. kann jeder Binge On abschalten, wenn er das nicht will (damit erübrigt sich schon jede Diskussion) 2. schlechtere Qualität – nicht wirklich, aber ok, auf dem Papier schon. Was bringt mir eine Full HD oder 4k Auflösung auf einem 5-Zoll-Screen? Optimiertes 480p ist mir viel lieber als ruckeliges 1020p. Ich würde das erst recht gerne in Kauf nehmen, wenn ich mit 480p mein knappes Datenvolumen nicht belaste. 3. Netzneutralität – ja, ein hohes Gut, aber rein ideologisch relevant. Ist heute schon genauso tot wie das Recht an der privaten Kopie, informationelle Selbstbestimmung, Datenschutz, Grundrechte und Disko. Sorry to say, aber die Gesellschaft insgesamt ist viel zu bequem und lässt sich genauso an der Nase herumführen wie ein dummer Hund, bei dem man so tut, als würde man Stöckchen werfen. Sonst wäre Snowden nicht Verräter und Exilant, sondern Held und/oder Präsident.

    1. 1. Ärgerlicher ist, dass die Telekom damit jedem User direkt Binge On andreht, ob man es nun will oder nicht. Ich als User habe zu entscheiden welche Dienste ich in Anspruch nehme und welche nicht.
      Ähnliche Fragestellungen kennen wir auch aus dem E-Mail Marketing: Besser ist (Double) Opt-in, statt Opt-out.

      2. Dafür liegen mir zu wenig Infos vor, jedoch bedingt die Bitrate die pro Sekunde übertragene Datenmenge. Ergo je geringer meine Bitrate, desto geringer die Qualität.
      Außerdem sind nur Partnerportale vom Volumen ausgeschlossen. Ist YouTube kein Partnerportal zählt die Datenmenge die über diesen Dienst gestreamt wird weiterhin auf das Volumen.

      3. „Netzneutralität – ja, ein hohes Gut, aber rein ideologisch relevant. Ist heute schon genauso tot wie das Recht an der privaten Kopie, informationelle Selbstbestimmung, Datenschutz, Grundrechte und Disko.“ Wundert mich, dass du dann noch Netzpolitik liest.

      1. 1. Was ist daran ärgerlich? Wenn man das irgendwo im Portal hinterlegt zum freiwilligen aktivieren, wird es die überwiegende Mehrheit der Nutzer nicht machen, weil sie es gar nicht mitbekommen. Wenn es jemanden stört, kann er es doch einfach deaktivieren. Wenn es eine echte Einschränkung wäre, würde man es merken und abschalten – meine These: 90% der Nutzer merken es gar nicht.
        2. Das ist doch eine Milchmädchenrechnung, Qualität mit Übertragungsrate gleichzusetzen. Da spielen so viele Faktoren eine Rolle, die die wahrgenommene Qualität beeinflussen… Natürlich ist die Menge übertragener Bildinformationen geringer – aber das muss man auf so einem kleinen Screen erst mal merken. Und was die Partner angeht – es gibt da einen Unterschied zwischen den Anbietern, weil manche das Preprocessing der Inhalte (noch) nicht zulassen oder aus technischen Gründen nicht zulassen können. Ja, für YouTube ändert sich nichts. Und weiter? Das ist doch genau, was Du für alles forderst, also kein Problem.
        3. Natürlich lese ich hier mit, weil ich es wichtig finde, genauso wie die anderen genannten Themen, die mit Füßen getreten werden. Aber polemische Kommentare als Artikel getarnt helfen nicht, glaubwürdig zu bleiben und als seriöses Medium wahrgenommen zu werden. Zielführender als hinter jedem Busch den Tod der freien Welt zu vermuten (oder herbeizuschreien), wäre es, gezielt die Angriffe auf zivilisatorische Errungenschaften aufzudecken und anzuprangern. Das geschieht auf dieser Seite hier glücklicherweise oft genug in professioneller Weise. In diesem Artikel schießt der Autor aber wieder mal übers Ziel hinaus.

      2. Die Datenrate bei Binge On liegt bei etwa 600-1400 KBit liest man in USA, da bekommt man eine Menge VP9 drin unter. Daran wird die Netzneutralität nicht untergehen.

        Bei 720p VP9 und >1000 KBit mußt Du Artefakte mit dem Mikroskop auf einem 5-6 Zoll Display suchen und selbst dann findest Du die höchstens, wenn Du das Original in >1080p zum Vergleich parallel auf einem Großbildschirm vorliegen hast.

  3. Wer Mobil mit Opera surft, kann sich dafür entscheiden, ob der Mediale Inhalt komprimiert bzw. Qualitätsreduziert übertragen wird!
    Das macht am mobilen Volumen ca. 50% aus, ist schon eine Hausnummer!
    Klar kontrolliert in diesem Moment Opera den Datenstrom!
    … und Opera ist nur ein Beispiel, das können z.B. VPN Anbieter mit Volumenbegrenzung bzw. Fair Use „Feature“ ebenso realisieren, damit der Kunde bei der Stange bleibt!
    Betroffen sind da eh‘ nur bekannte Inhalte wie Audio/Video bzw. Bilder … wichtig ist in diesen Fällen wiederum der Umstand, das man diese „Komprimierungsfeatures“ gegebenenfalls abschalten kann, eben um sich einen HD-Stream (Audio/Video) ansehen zu können bzw. Bilder unverfälscht empfangen zu können …
    Es ist schon ein Unterschied, wenn man einen Mobilvertrag mit 500 MB oder 5000 MB sein eigen nennt bzw. finanzieren kann!
    Anders hingegen sieht es mit Highspeed Festnetzanschlüssen aus, wenn hier eine Begrenzung statt findet, dann „riecht es schon merkwürdig“ nach unangemessener Bevormundung, möchte ich mal sagen!
    Perverserweise muss man bei Kabelanbietern sagen, das diese quasi nur einen „Accespoint“ für eine relativ große Menge an Endkunden … ein Beispiel die Gesamtleitung hat 100 MBit, es sind 10 Mietparteien, da kann man sich vorstellen was passiert, wenn sich alle Gleichzeitig einen 4K Stream ansehen möchten!
    Wir haben in der Firma auch einen Kabelanschluss für den Surfzugang (HTTP/HTTPS), tagsüber kannst du mit vollem Ballett surfen, ab 17:00 Uhr bricht die Bandbreite quasi ein!
    Ist vergleichbar mit einem LTE Accesspoint, je mehr Teilnehmer an diesem Hängt, muss eben die Bandbreite auf diese verteilt werden … wenn da noch Bandbreitenreservierungen für Sprache (QoS für VoIP) realisiert werden müssen, dann wird es knapp!
    Dann werden aus 150 MBit mal schnell 64k, bei einer Demo bzw. Oktoberfest z.B.!

    1. Falls sich einer mit der Materie was man wie Komprimieren kann, wie sich so ein medialer Inhalt zusammensetzt, kann sich das grob hier -> http://www.surf-stick.net/datenvolumen.html ansehen.
      Also, ich habe Bilder, Java und ähnliche „Goodis“ (vorladen von Websites und ähnliches) im Telefonbrowser abgeschaltet, das geht wunderbar, der Textinhalt bleibt ja voll erhalten …

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.