In Deutschland nennt man die Zeit der 1920er Jahre mit ihrem freien und ausschweifenden Lebensgefühl die „Goldenen Zwanziger“, in den Vereinigten Staaten die „Roaring Twenties“. Seit gestern sind zahlreiche künstlerische Werke ab dem Jahr 1929 in den USA frei zugänglich, fallen also in die sogenannte „Public Domain“.
Der erste Januar wird schon einige Jahre als Public Domain Day gefeiert, an dem der urheberrechtliche Schutz vieler Werke endet und sie in die Gemeinfreiheit übergehen können. Die urheberrechtlichen Regeln in den Vereinigten Staaten sind zwar kompliziert (wirklich!), aber es gilt im Grundsatz: Werke aus dem Jahr 1929 waren in den USA 95 Jahre lang urheberrechtlich geschützt, entsprechend also bis Ende 2024. Fast alle Urheberverwertungsrechte aus dem Jahr 1929 liefen also dort mit dem Jahresbeginn 2025 aus.
Bei musikalischen Aufnahmen gibt es eine abweichende Regelung: Werke, die erstmals 1925 veröffentlicht wurden, werden in den Vereinigten Staaten ab Januar 2025 gemeinfrei, also nach einer 100-jährigen Laufzeit.
In Europa hingegen gilt: Werke aus bildender Kunst, Musik oder Literatur, deren Urheber vor siebzig Jahren gestorben sind, können frei genutzt werden.
Sehenswert
Weltbekannte Künstler wie die Mexikanerin Frida Kahlo und der Franzose Henri Matisse, der auch Kunsttheoretiker war, starben 1954. Auch der besonders durch seine Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg bekannt gewordene Fotograf Robert Capa starb im selben Jahr.
Was aber darf man mit deren Kunstwerken tun, wenn sie in die „Public Domain“ fallen? Die Antwort ist eigentlich: alles, ohne Erlaubnisvorbehalte oder Gebühren.
Wie so oft im Leben stimmt das aber leider nicht für jeden Einzelfall. Denn die Welt ist groß und die Rechtslage nicht in allen Staaten gleich. Zudem können Übersetzungsrechte oder etwa Rechte ausführender Künstler wie etwa Musiker einer freien Nutzung entgegenstehen. Einige alte Filme und Hörbücher, die gerade gemeinfrei geworden sind, trägt diese Liste zusammen.
Hörenswert
Ein berühmtes Musikstück dürfte eines von George Gershwin sein, der es bei der Uraufführung selbst am Klavier spielte. Die „Rhapsody in Blue“ – hier die Orchesterfassung – ist mit dem Film „Manhattan“ weltweit bekannt geworden und nun gemeinfrei. Die Urheberverwertungsrechte waren in der Europäischen Union schon Ende 2007 erloschen, nun auch in den Vereinigten Staaten.
Maurice Ravels weltweit bekanntes und oft gespieltes Stück „Boléro“ wird ebenfalls gemeinfrei. Der französische Komponist haderte Zeit seines Lebens offenbar sehr damit, wie Orchester und Dirigenten sein Stück umsetzten. Nun können es noch viel mehr versuchen.
„I wanna be lazy“, heißt es in einem berühmten Song des Komponisten Irving Berlin. Lazy dürfte vor allem bekannt sein wegen einer Filmversion des Stücks, gesungen von einer sich räkelnden Marilyn Monroe, die aus unerklärlichen Gründen das Wort „lazy“ anders ausspricht als heute üblich.
Den Revuefilm muss man nicht gesehen haben, aber der Song ist nicht nur in der Version von Marilyn Monroe hörenswert und trifft am 2. Januar die Stimmung bestens.
Politisch, aber auch musikalisch eindrucksvoller dürfte Marian Anderson sein: Sie wurde berühmt für ihre Freiluft-Performance an Ostern im Jahr 1939, als sie vor 75.000 Menschen in Washington D.C. sang. In der von Rassentrennung geprägten Stadt Washington D.C. hatte sie zuvor die größte Konzerthalle wegen ihrer Hautfarbe nicht buchen wollen. Der Auftritt wurde zur Legende, nun ist ihre Musik frei nutzbar.
Lesenswert
Was international bekannte Autoren angeht, wird beispielsweise Agatha Christies Thriller „Der letzte Joker“ gemeinfrei. Die Erstausgabe war in den Vereinigten Staaten im Jahr 1929 veröffentlicht worden, daher fällt es nun in den USA in die „Public Domain“.
Der in Italien angesiedelte Roman „A Farewell to Arms“ von Ernest Hemingway aus dem Jahr 1929 ist nun ebenfalls befreit. Angeblich soll der Schriftsteller das Ende neununddreißig Mal umgeschrieben haben, um die richtigen Worte zu finden.
Neu in der Liste der gemeinfreien Werke ist auch Mahatma Gandhis Autobiographie „The Story of My Experiments with Truth“ (Die Geschichte meiner Experimente mit der Wahrheit), die aus Tagebucheinträgen zusammengestellt ist, sowie Rainer Maria Rilkes „Briefe an einen jungen Dichter“, da beide 1929 veröffentlicht wurden.
Auch Virginia Woolfs „A Room of One’s Own“ von 1929 wird nun frei zugänglich, eine Auseinandersetzung mit geeigneter Sprache und ästhetischen Formen in der Literatur, wenn Frauen über Frauen schreiben. Das Werk gilt als feministisches Manifest, hat aber auch umstrittene Passagen.
Es gibt natürlich viel mehr zu entdecken: In der deutschsprachigen Wikipedia findet sich die automatisch generierte lange Liste des diesjährigen Public Domain Day mit den Urhebern, die im Jahr 1954 gestorben sind. In der englischsprachigen Wikipedia ist die Liste ebenfalls umfangreich.
Für Technikinteressierte dürfte einer der bekanntesten Menschen auf dieser Liste der Mathematiker und Kryptoanalyst Alan Turing sein, der 1954 an einer Vergiftung starb. Er hatte grundlegende Werke der Berechenbarkeitstheorie verfasst, war aber bekannter wegen seiner Verdienste während des Zweiten Weltkrieges: Er half an entscheidender Stelle bei der Entschlüsselung von Nachrichten der Verschlüsselungsmaschine Enigma, mit der die Nazis große Teile ihrer geheimen Kommunikation zu schützen versuchten.
Heute schätzt man Turing auch als Vordenker der Künstlichen Intelligenz. Das berühmte Werk „Computing machinery and intelligence“ mit dem Imitationsgedankenspiel, das heute „Turing-Test“ genannt wird, und weitere Schriften waren allerdings aufgrund von Freigaben bereits vor dem Jahresbeginn 2025 zugänglich.
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