Der US-Konzern Alphabet soll seine eigenen Produkte bevorzugen und damit gegen den Digital Markets Act (DMA) verstoßen, hat heute die EU-Kommission festgestellt. Diese vorläufigen Ergebnisse ihrer laufenden Untersuchung hat sie dem Unternehmen mitgeteilt. Alphabet hat nun zwei Wochen Zeit, darauf zu reagieren. Für spürbare Konsequenzen wie Geldbußen ist es jedoch noch zu früh, betont die Kommission.
Begonnen hat die Untersuchung vor knapp einem Jahr. Demnach soll Alphabet gegen eine ganze Reihe an Auflagen des DMA verstoßen. Mit dem Wettbewerbsgesetz will die EU verhindern, dass insbesondere sehr große Digitalunternehmen ihre Marktmacht missbrauchen. Als sogenannte „Gatekeeper“ hat Brüssel neben Alphabet unter anderem Apple, Amazon oder Meta eingestuft, für sie gelten strengere Auflagen als für kleinere Anbieter.
„Mit den heutigen Entscheidungen legt die Kommission erstmals konkrete Maßnahmen fest, die ein Gatekeeper ergreifen muss, um den Digital Markets Act einzuhalten“, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera, Nachfolgerin der langjährigen Wettbewerbshüterin Margrethe Vestager.
Abgeschottete App Stores
Konkret wirft die Kommission Alphabet vor, dass der Google Play Store, über den sich Apps für das mobile Android-Betriebssystem des Unternehmens beziehen lassen, zu abgeschottet sei. Insbesondere mache es Alphabet unabhängigen Entwickler:innen zu schwer, Nutzer:innen zu ihren eigenen oder alternativen Angeboten umzuleiten. Außerdem verlange Alphabet eine Gebühr von 10 Prozent, egal, ob Nutzer:innen innerhalb oder außerhalb des Google Play Stores einkaufen.
Ein weiterer Strang der Untersuchung habe zudem den Verdacht bestätigt, dass Alphabet bei der Online-Suche manche eigene Angebote bevorzugt. EU-weit hat Alphabet in dem Bereich einen Marktanteil von rund 90 Prozent. Mit dieser Marktmacht im Rücken soll Alphabet Suchergebnisse zu Online-Shopping, Reiseangeboten oder Sportergebnissen unerlaubt unterschiedlich behandelt und eigene Angebote bevorzugt zu haben. Zudem sollen Google-eigene Angebote zusätzliche Filtermöglichkeiten haben, etwa nach dem Datum. Das sei nicht mit dem Verbot der Selbstbevorzugung vereinbar, denkt die Kommission.
Unmittelbar folgen zunächst keine Konsequenzen. Alphabet hat zwei Wochen Zeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern – wobei es im Rahmen der Untersuchung zahlreiche Treffen zwischen Kommission, Alphabet sowie Drittanbietern gegeben hat. Potenziell könnte später ein bindendes Urteil mit konkreten Vorgaben folgen, die Alphabet umsetzen müsste. Außerdem drohen dem Unternehmen hohe Strafen von bis zu zehn Prozent seines weltweiten Jahresumsatzes.
Alphabet weist die Vorwürfe auf Anfrage zurück. In einem Blog-Beitrag erläutert das Unternehmen, warum aus seiner Sicht die kartellrechtlichen EU-Vorgaben eigentlich den Kund:innen und anderen Unternehmen schaden würden. So würde die EU-Untersuchung etwa eine „falsche Wahl“ schaffen zwischen Offenheit und Sicherheit. Mit ihren Vorgaben riskiere die Kommission, dass auf Nutzer:innen in der EU mehr Schadsoftware und Betrug zukommen würde.
Auch Apple muss nachbessern
Neben Alphabet hat die EU-Kommission auch Apple untersucht, den größten Konkurrenten im Bereich mobiler Betriebssysteme und Geräte. Wie Google soll Apple die DMA-Vorgabe, sein App-Ökosystem für den Wettbewerb zu öffnen, nicht ausreichend umgesetzt haben. Zwar betreibt das Unternehmen etwa ein eigenes Portal für Drittanbieter, laut EU-Kommission gebe es dabei aber Optimierungspotenzial. Eine Reihe konkreter Maßnahmen, die Brüssel dem Unternehmen mitgeteilt hat, soll unter anderem transparenter machen, was Drittanbieter in ihre eigenen Produkte integrieren können.
Auf dem Schirm hat die EU-Kommission zudem das Zusammenspiel zwischen Apple und Angeboten von Drittherstellern. Seit der DMA in Kraft getreten ist, habe die Kommission viele einschlägige Anfragen erhalten. Viele davon hätten verbundene Geräte betroffen, was kommerziell relevant wäre, so die Kommission. Dabei gebe es eine Liste von Geräten und allgemeinen Funktionen, die interoperabel sein müssen, beispielsweise detaillierte Benachrichtigungen oder durch Annäherung ausgelöstes Pairing. Solche Features sollten sich von Drittanbietern genauso nahtlos umsetzen lassen können wie von Apple selbst.
Oft argumentiert Apple mit IT-Sicherheit, um bestimmte Features einzuschränken oder sie gar erst nicht freizugeben. Derzeit hält das Unternehmen etwa eine Funktion in der EU zurück, mit der sich der Bildschirm von iPhones auf Macs, also Geräten des selben Herstellers, spiegeln lässt. Diese Argumente lässt die Kommission jedoch nicht gelten. Dabei hat die Kommission jedoch mehr im Blick: Auch Geräte wie die Apple Watch oder deren VR-Headsets sollen besser mit der Konkurrenz zusammenspielen können.
EU-Kommission will nun beobachten
Hierbei belässt es die EU-Kommission vorerst bei Maßnahmen, die auf Kooperation des Unternehmens setzen – selbst wenn die Spezifikationen, die die EU-Kommission vorgibt, rechtlich bindend sind. Zwei Jahre lang wird die Kommission nun beobachten, wie gut Apple die Maßnahmen umsetzt und ob weiterhin Handlungsbedarf besteht.
Apple werde mit der Kommission zusammenarbeiten, „um ihnen unsere Bedenken im Namen unserer Nutzer:innen zu vermitteln“, teilt eine Sprecherin mit. Denn zufrieden ist das Unternehmen mit der Vorgangsweise der Kommission nicht: „Die heutigen Entscheidungen binden uns in Bürokratie und verlangsamen die Innovationskraft von Apple für Nutzer:innen in Europa. Sie zwingen uns, neue Funktionen kostenlos an Unternehmen weiterzugeben, die sich nicht an dieselben Regeln halten müssen“, so die Sprecherin. Dies sei „schlecht für unsere Produkte und für unsere europäischen Nutzer:innen.“
Anders die europäische Verbraucherschutzorganisation BEUC, welche die Entscheidungen der Kommission begrüßt. Es seien „exzellente Nachrichten“, dass die Kommission gegen Alphabet wegen potenzieller Rechtsverstöße vorgehe, sagt BEUC-Chef Agustín Reyna. Auch die Vorgaben für Apple seien im Sinne von Nutzer:innen, so Reyna. Zu lange habe Apple seine Produkte abgeschirmt und Interoperabilität verhindert. „Es ist wichtig, dass die Kommission sicherstellt, dass Apple diese Entscheidungen einhält“, sagt Reyna.
Update, 17:10: Die Stellungnahmen von Apple und BEUC wurden nachträglich hinzugefügt.
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