Staatstrojaner in der EUSlowakischer Geheimdienst soll Pegasus einsetzen

Auch die Slowakei soll Lizenzen für den Staatstrojaner Pegasus erworben haben, der bereits in mehreren EU-Staaten gegen Journalist:innen und Oppositionelle eingesetzt wurde. Das berichtet Denník N unter Berufung auf Insider:innen.

Bild von einer Menschenmenge, dahinter Mann, der gefilmt wird
Ministerpräsident Robert Fico orientiert sich an der autoritären Politik von Victor Orbán. – Alle Rechte vorbehalten Imago / Dorota Holubova

Der slowakische Geheimdienst und womöglich auch weitere Ermittlungsbehörden im Land sollen den Staatstrojaner Pegasus angeschafft haben, mit dem man aus der Ferne in Mobiltelefone eindringen kann. Das berichtet die slowakische Tageszeitung Denník N unter Berufung auf „vier verschiedene Quellen mit Verbindung zum Sicherheitsumfeld“.

Slowakische Behörden sollen demnach erst vor Kurzem den Staatstrojaner der Herstellers NSO Group gekauft haben. Eine Quelle habe berichtet, das System sei seit September aus dem Testbetrieb in den vollen Einsatz gegangen. Der slowakische Geheimdienst habe die Anschaffung nicht bestätigt.

Am Dienstag soll demnach auch der liberale Abgeordnete Juraj Krúpa eine Anspielung auf den Staatstrojaner gemacht haben. Auf einer Pressekonferenz sprach er davon, der Geheimdienst könne ohne Gerichtsbeschluss Abhörmaßnahmen einleiten. Es gehe um ein neues System, „mit denen er sich in Telefone und elektronische Geräte hacken kann und die er nach und nach einführt“. Juraj Krúpa sitzt im parlamentarischen Ausschuss für Verteidigung und Sicherheit.

In der Slowakei ist seit 2023 wieder der Nationalkonservative Robert Fico Ministerpräsident. Politisch und ideologisch orientiert sich sein Kurs vor allem am Nachbarn Victor Orbán. Nationalismus, Hetze gegen Migrant:innen und queere Menschen sowie Angriffe gegen die kritische Presse prägen das Programm. Aktuell fährt Fico eine persönliche Kampagne gegen den Oppositionschef und dessen Familie.

Weicher Kurs der EU-Kommission

Mit Pegasus lassen sich Smartphones und weitere Geräte unbemerkt aus der Ferne hacken. Angreifer:innen erhalten dadurch Zugriff auf alle Funktionen des Gerätes, können Gespräche mithören, den Standort verfolgen oder Fotos, Kalendereinträge und Chats auf dem Gerät mitlesen, auch wenn diese verschlüsselt verschickt werden. Selbst das Mikrofon lässt sich aus der Ferne aktivieren, sodass das Gerät zur Wanze wird.

Nachdem zunächst aus Ungarn und Polen, später aus immer mehr EU-Ländern bekannt wurde, dass dort Journalist:innen, Oppositionelle und gar Mitglieder der Regierung mit Pegasus angegriffen wurden, versuchte ein Untersuchungsausschuss im EU-Parlament jahrelang, die Skandale aufzuarbeiten.

Passiert ist danach wenig. Die EU-Kommission hat die Forderungen des Ausschusses, etwa nach strikteren rechtsstaatlichen Kontrollen für Überwachungssoftware, bislang nicht umgesetzt. Mitgliedstaaten können so weiterhin darauf bestehen, es gehe um Belange der „nationalen Sicherheit“. In diese darf sich die EU nicht einmischen.

Erst vor wenigen Tagen hatte eine Gruppe von zivilgesellschaftlichen Organisation wieder gemahnt: Die neue Kommission müsse endlich die Rahmenbedingungen für den Einsatz von Spähsoftware radikal verschärfen. Software, die derart tief in Grundrechte eingreift, dürfe in Europa nicht mehr hergestellt, eingesetzt oder gehandelt werden. Die Kommission arbeitet laut Politico gerade an einem Text, mit dem sie auf den Skandal reagieren will. Der soll aber nur Empfehlungen an die Staaten enthalten, keine Verpflichtungen.

Anklage in Polen, Ermittlung in Spanien

Auch die juristische Aufarbeitung der Skandale geht nur schleppend voran. Fahrt nehmen sie bislang allenfalls in Polen auf, wo vergangenes Jahr eine neue Regierung gewählt wurde. Dort beschäftigt sich jetzt eine parlamentarische Kommission mit den Fällen. Vergangene Woche wurde der ehemalige stellvertretende Justizminister Michał Woś von der Staatsanwaltschaft angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, die Beschaffung der Spähsoftware Pegasus mit illegalen Mitteln in die Wege geleitet zu haben.

Auch in Spanien wurden Ermittlungsverfahren zum Einsatz von Pegasus wieder eröffnet, nachdem Frankreich neue Informationen geliefert hatte. Der Überwachungsskandal im Land war einer der größten in der EU. Nicht nur der Premierminister Pedro Sánchez und mehrere seiner Minister:innen sollen mit Pegasus ausgespäht worden sein. Das kanadische Citizen Lab, ein IT-Labor der Universität Toronto, wies auch nach, dass mehr als 60 katalanischen Separatist:innen mit dem Trojaner ins Visier genommen wurden. Auch die katalanische Regierung und mehrere Abgeordnete waren darunter.

In Deutschland setzen das Bundeskriminalamt und auch der Bundesnachrichtendienst (BND) Pegasus ein. Das BKA soll seit 2021 den Trojaner einsetzen, über den Einsatz beim Auslandsgeheimdienst BND ist kaum etwas bekannt.

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