Die Datenschutz-Organisation noyb hat Beschwerde (PDF) beim Hessischen Datenschutzbeauftragten gegen die Wirtschaftsauskunftei Schufa eingelegt. Diese hindere laut noyb mit manipulativen Design Menschen an der Bestellung einer kostenlosen Auskunft nach Artikel 15 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Das Gesetz erlaubt allen Menschen überall eine Selbstauskunft darüber einzuholen, welche Daten gespeichert werden.
In Deutschland müssen Menschen bei der Wohnungssuche oft mittels einer Schufa-Auskunft ihre Bonität gegenüber dem Vermieter beweisen. So eine „Bonitätsauskunft“ kostet bei der Schufa 29,95 Euro. „Mittels manipulativer Designs versucht das Unternehmen, den Verkauf von Bezahlprodukten zu forcieren und die kostenlose gesetzliche Auskunft sogar fälschlich als ungeeignet zur Vorlage bei Dritten darzustellen“, heißt es in der Pressemitteilung von noyb.
Die Datenschützer bemängeln auch, dass die Schufa das Wort „Auskunft“ für das kostenpflichtige Produkt benutze, die Selbstauskunft aber „Datenkopie“ nenne. Auf der Webseite, auf der diese Datenkopie beantragt werden kann, verweist die Schufa wiederum auf die kostenpflichtige Version.
Ein kurzer Check auf der Schufa-Webseite durch netzpolitik.org zeigt, dass die Schufa zwar die kostenlose Selbstauskunft über die eigene Suchfunktion durchaus auffindbar macht, aber sowohl in Texten wie auch Grafiken diese als nicht geeignet als Bonitätsnachweis darstellt.
„Monetarisierung grundrechtlicher Ansprüche“
Martin Baumann von noyb sagt: „Die Schufa behauptet wahrheitswidrig, dass nur ihre Bezahlprodukte Dritten vorgelegt werden sollten. Dabei hat der Europäische Gerichtshof bereits mehrfach betont, dass betroffene Personen auch mit ihrer Gratisauskunft machen dürfen, was sie möchten.“ In der Beschwerde schreibt noyb: Die Schufa „betreibt ein System der Monetarisierung grundrechtlicher Ansprüche, das den Grundsätzen der DSGVO zuwiderläuft.“
In der Beschwerde moniert noyb zudem, dass die Schufa die Suchmaschinenergebnisse nach der kostenlosen Selbstauskunft mit Hinweisen auf die kostenpflichtige „BonitätsAuskunft“ optimiere. Laut der Beschwerde sei auch der Chatbot der Schufa so programmiert, dass er immer auf die kostenpflichtigen Produkte verweise und die kostenlose Selbstauskunft als ungeeignet darstelle.
Kostenlose Selbstauskunft niemals ungeschwärzt weitergeben!
Die Schufa rät bei der kostenlosen Auskunft „von einer Weitergabe an Dritte ab“. Das ist jedoch nicht darin begründet, dass die DSGVO-Auskunft nicht die erforderlichen Informationen enthält. Im Gegenteil: Sie enthält zu viele davon, etwa Angaben zu abgeschlossenen Handyverträgen und einzelnen Konten. Wer daher seine „Datenkopie“ etwa gegenüber einem Vermieter nutzen will, sollte unbedingt persönliche, nicht erforderliche Daten schwärzen. Und zwar fast alles bis auf den letzten Absatz mit dem Basisscore.
Die kostenpflichtige Auskunft der Schufa übernimmt das für die Beauskunfteten und empfiehlt, immer nur die erste Seite des Dossiers an die Interessierten weiterzugeben. Darauf sind nur die nötigsten Informationen aufgeführt. „In diesem Teil wird kein SCHUFA-Score ausgewiesen! Er enthält lediglich Informationen darüber, ob Zahlungsstörungen vorliegen oder nicht“, so die Auskunftei.
Update 14:00 Uhr:
Die Schufa weist in einer Presseaussendung die Vorwürfe zurück. In der Mitteilung sagt die Auskunftei, dass sie den gesetzlichen Anspruch bei der Erstellung der Datenkopie nach Artikel 15 DSGVO übererfülle.
Man kann eine Selbstauskunft auch per formloser E-Mail anfordern. Eine entsprechende E-Mail kann z. B. mit dem Anfragengenerator https://www.datenanfragen.de/ erzeugt werden.
Die DSGVO erlaubt den Datenkraken nicht, die Auskunft an eine bestimmte Form zu binden.
Jeder könnte seinen Anspruch auf einem Bierdeckel formulieren und der Schufa per Gerichtsvollzieher rechtssicher zustellen lassen.
Das Verbot von Anschriftendaten könnte Folgen haben, die die Bundesregierung womöglich nicht bedacht hat: Für die Schufa-Konkurrenten Crif, Boniversum und Infoscore Consumer Data spielen die Adressdaten der Verbraucherinnen und Verbraucher eine zentrale Rolle. Das lässt sich auch aus ihren Unternehmenswebseiten erschließen. Dort beschreiben sie, wie sie ihre Scores berechnen.
Die Schufa dagegen schreibt auf ihrer Webseite, Adressdaten „lediglich in wenigen Ausnahmefällen“ zu nutzen. Denn sie hat eine Fülle von aussagekräftigen Informationen über Verbraucherinnen und Verbraucher, die sie von Banken und Sparkassen bekommt. Diese Daten hat die Schufa exklusiv, weil die Kreditinstitute Miteigentümer der Schufa sind. Durch das geplante Verbot, Anschriftendaten in die Scoring-Berechnung einfließen zu lassen, könnte die Schufa also ihre Marktmacht weiter ausbauen, eine Vorstellung, die jetzt auch Verbraucherschutz und Politik aufschreckt.
https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/auskunfteien-gesetzentwurf-schufa-100.html