Es ist eine herbe Niederlage, die Meta jüngst einstecken musste. 20 Millionen Euro soll der US-Konzern an die Deutsche Telekom nachzahlen, entschied das Landgericht Köln vergangene Woche. Es geht um unbezahlte Rechnungen, die sich seit drei Jahren angesammelt haben, – und womöglich darum, wie der Datenaustausch zwischen Internet-Inhalteanbietern und Netzbetreibern künftig ablaufen und verrechnet wird.
Die Vorgeschichte ist schnell erzählt: Seit dem Jahr 2010 hatte Meta einen Vertrag über sogenanntes IP-Transit mit der Telekom, um Daten von Facebook, Instagram und WhatsApp an die Nutzer:innen im Telekom-Netz auszuliefern. Hierzu stellte die Telekom an mehreren Standorten insgesamt 24 „Private Interconnects“, also Übergabepunkte, bereit. Diese wurden exklusiv von Meta genutzt, zuletzt für ein jährliches bandbreitenabhängiges Entgelt von knapp sechs Millionen Euro, wie sich einem Beschluss des Landgerichtes Bonn aus dem Vorjahr entnehmen lässt.
Als im August 2020 Verhandlungen über die Verlängerung dieser Vereinbarung stattfanden, konnte sich die beiden nicht einigen. Meta wollte einen Preisnachlass von bis zu 40 Prozent, die Telekom wollte aber nur 16 Prozent zustimmen. Im November kündigte Meta schließlich den Vertrag zum 1. März 2021. Zwischenzeitlich liefen die Verhandlungen weiter, genauso wie der Datenaustausch über die eigens abgestellten Übergabepunkte – „zum Wohle von Verbrauchern und der Gesellschaft im Allgemeinen“, wie es in einer E-Mail der Telekom hieß. Offenkundig wollte der Netzbetreiber verhindern, dass bei seinen Kund:innen WhatsApp-Nachrichten verzögert ankommen oder Instagram-Stories ruckeln.
Meta stellte Zahlungen ein
Mitte Februar erklärte Meta, die „bisher entgeltlich genutzten Private Interconnects fortan unentgeltlich unter der Industrienorm eines settlementfree peering in Anspruch nehmen zu wollen“, zitiert das LG Bonn aus einer E-Mail. Damit ist der unentgeltliche Datenaustausch zwischen zwei üblicherweise gleichrangigen Netzen gemeint. Die Telekom erwiderte, ab dem 1. März alle IP-Transitdienste zu den gleichen vertraglichen Bedingungen wie bisher abzurechnen und in Rechnung zu stellen. Die Pattsituation führte schließlich dazu, dass die Telekom im Dezember 2022 vor das LG Bonn zog.
Letztlich wurde der Fall an das LG Köln als Kartellgericht verwiesen, das sich nun der Sicht des Netzbetreibers anschloss. So habe die Telekom Meta angeboten, die Daten im Transit (im Unterschied zum unentgeltlichen Peering) wie zuvor zu wirtschaftlich vertretbaren Konditionen weiterzuleiten. Meta habe dieses Angebot angenommen, indem es die Daten über die exklusiv eingerichtete Infrastruktur versendet habe und damit das „Kabel also nicht gezogen, sondern weiter genutzt“ habe, heißt es in der ausführlichen Pressemitteilung des Gerichts. Das Urteil selbst liegt noch nicht vor.
Die Auffassung von Meta, die Nutzung von Private Interconnects einer Partei erfolge einvernehmlich ohne Vertragsschluss, gehe dabei fehl. „Die Beklagte könne auch im Nachgang nicht einerseits die Kündigung erklären und andererseits die Leistung weiter in Anspruch nehmen“, heißt es weiter. Entgegen der Ansicht von Meta hätten die beiden Parteien „einen entgeltlichen Dienstvertrag geschlossen“, führt das Gericht aus. Auf Anfrage teilt eine Sprecherin des sozialen Netzwerks lediglich mit: „Wir sind mit dieser Entscheidung grundsätzlich nicht einverstanden, da wir die Behauptungen der Deutschen Telekom für unbegründet halten und daher alle prozessualen Optionen prüfen.“
Viele Wege zum Ziel
Grundsätzlich wäre es Meta möglich gewesen, die Pakete über andere Leitungen als über die exklusiven Ports auszuliefern. Denkbar wäre etwa ein Vertrag über einen Transitanbieter, der seinerseits mit der Telekom verbunden ist. Auch ist die Telekom inzwischen auf dem größten deutschen Knotenpunkt vertreten, dem DE-CIX in Frankfurt, und peert dort mit anderen Anbietern. Allerdings soll die Kapazität der Verbindungen unterdimensioniert sein, selbst wenn es zuletzt Erweiterungen gegeben haben soll.
Die Telekom sieht die noch nicht rechtskräftige Entscheidung aus Köln jedenfalls als Grundsatzurteil. „Das Urteil bestätigt, dass die Telekom prinzipiell ein Entgelt für eine wertvolle Datentransportleistung als Grundlage der Geschäftsmodelle großer Internetunternehmen verlangen kann“, sagt eine Sprecherin zu netzpolitik.org. Es sei auch als Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Brüssel zu verstehen, wo sich unter anderem der EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton für eine Datenmaut unter dem Schlagwort „Fair Share“ starkmacht. Entsprechend begrüßt die Telekom-Sprecherin, dass „die EU-Kommission in ihrem kürzlich veröffentlichten Weißbuch die Einführung eines solchen Streitbeilegungssystems in Aussicht gestellt hat“.
Telekom-Wettbewerber warnen vor Exklusivvereinbarungen
Sven Knapp vom Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko), der zahlreiche Wettbewerber der Ex-Monopolistin vertritt, hält diese Interpretation jedoch für verfrüht. Noch liegen ja die Entscheidungsgründe nicht vor. Deshalb sei es aktuell unklar, „ob die Entscheidung wirklich ein Grundsatzurteil in Richtung ‚Fair Share‘ ist oder ein Spezialfall“, sagt Knapp. Schließlich geht es in dem Fall auch darum, dass trotz einer Kündigung des Vertrags die Leistung weiterhin – und bis zum Gerichtsurteil kostenlos – von der Meta-Tochter entsprechend der ursprünglichen vertraglichen Vereinbarung in Anspruch genommen wurde.
Indes sieht der Breko auch mit Blick auf die „Fair Share“-Thematik Exklusivvereinbarungen sehr kritisch: „Exklusivvereinbarungen zugunsten großer Telekommunikationsunternehmen haben massive negative Auswirkungen auf den fairen Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt, da kleinere Unternehmen gar nicht in der Lage sind, solche Vereinbarungen zu treffen“, sagt Knapp. Deshalb bewerte der Verband auch die im Weißbuch der EU-Kommission vorgeschlagene Verhandlungslösung, bei der Telekommunikationsunternehmen und große Tech-Unternehmen individuelle Vereinbarungen treffen sollen, sehr kritisch. „Diese würde zu einer Ungleichbehandlung zugunsten der ‚Big Telcos‘ führen“, warnt Knapp.
Ähnlich kritisch sieht das Thomas Lohninger von der Digital-NGO epicenter.works. „Nur die Telekom Deutschland und eine Handvoll anderer Telekomkonzerne verhalten sich hier schädlich“, indem sie höhere Preise als sonst am Markt üblich verlangen würden, sagt der Netzneutralitätsexperte. „Wer der Deutschen Telekom kein Weggeld bezahlt, ist bei ihren Kund:innen nur sehr schlecht erreichbar. Das ist nichts anderes als eine bezahlte Überholspur“, sagt Lohninger.
Voneinander abhängige Giganten
Das LG Köln sieht jedenfalls keinen Missbrauch der Marktmacht der Telekom: „Der hierfür notwendige Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Klägerin sei nicht gegeben, da die Parteien in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen würden und die Gegenmacht der Beklagten einem Missbrauch der Marktmacht der Klägerin vorliegend entgegenstehe“, fasst die Pressemitteilung das Urteil zusammen.
Umgekehrt hatte im Vorjahr die Monopolkommission festgestellt, keine Anzeichen zu erkennen, dass OTT-Anbieter (Over-the-top-Anbieter wie Meta oder Netflix) ihre gestiegene Verhandlungsmacht in schädlicher Weise missbrauchen würden. „Auch für ein Trittbrettfahrerverhalten der großen OTT-Anbieter auf den Netzen der Netzbetreiber sieht die Monopolkommission keine Evidenz, da die Endkundinnen und Endkunden bereits Entgelte für die Netzinfrastruktur bezahlen, um über diese die Dienste und Inhalte der OTT-Anbieter abrufen zu können“, heißt es in einem Papier über den Datenmautvorschlag von Thierry Breton.
Ob dieser Vorschlag jemals konkret umgesetzt wird und in welcher Form, bleibt vorerst offen. Das wird sich frühestens nach den EU-Wahlen im Sommer entscheiden. Danach wird die Kommission neu bestellt, zudem läuft noch bis Ende Juni eine öffentliche Konsultation zu besagtem Weißbuch. Auch die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen der Telekom und Meta ist nicht abgeschlossen, eine Berufung vor dem Oberlandesgericht ist möglich und scheint wahrscheinlich.
Dennoch sei die Entwicklung gefährlich, meint der Internetaktivist Lohninger. „Sollte dieses Urteil die Richtung vorgeben, werden wir bald kein globales Internet auf Augenhöhe mehr haben.“ Stattdessen würden die Zahlungen von Inhalteanbietern, Hostern und Content Delivery Networks (CDN) darüber entscheiden, wie gut oder schlecht einzelne Dienste im Internet noch erreichbar sind. „Wenn Daten nur noch dahin fließen, wohin auch Geld gezahlt wird, leidet die Wahlfreiheit von uns allen.“
Die Telekom hat das Internet als peer2peer Netzwerk bis heute icht verstanden und akzeptiert. Die Telekom weigert sich beharrlich am globalen Peering wirklich teilzunehmen, die wenigen total unterdimensionierten Peerings entsprechend nicht mal im Ansatz des Datenflusses. So will sie große Anbieter zu privaten, kostenpflichtigen Peerings erpressen, denn deren Angebot würde sonst im netz der Telekom aufgrund der geringen Bandbreite nicht gut nutzbar sein. Fragt sich, wofür die Kunden der telekom eigentlich zahlen, wenn sie im Wesentlichen in deren netz eingesperrt sind. Die Bundesregierung müßte alle Provider zur teilnahme an den kostenfreien Peerings zwangsverpflichten, so daß hier wenigstens die Netzneutralität gewahrt würde. Solange die aber nach der Pfeife der großen Telco Konzerne tanzt, wird sich das nicht ändern.
> Die Bundesregierung müßte alle Provider zur teilnahme an den kostenfreien Peerings zwangsverpflichten, so daß hier wenigstens die Netzneutralität gewahrt würde. Solange die aber nach der Pfeife der großen Telco Konzerne tanzt, wird sich das nicht ändern.
Stimme ich absolut zu. Im Statement der Telekom wird natürlich wieder ausgelassen, dass sie der einzige ISP ist, der für Peerings Geld nimmt und damit Diensteanbieter und Hoster erpresst.