J. D. VanceKreuzritter voller Widersprüche

Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA biegt langsam in die Zielgerade ein. Diese Woche entscheiden die Republikaner über ihre beiden Kandidaten. Mit J.D. Vance hat sich nun Donald Trump für einen Stellvertreter entschieden, der enge Kontakte zu reaktionären Tech-Mogulen pflegt.

J. D. Vance bei einer Konferenz
J. D. Vance bei einer Konferenz von Turning Point USA, einer rechtskonservativen Studentenorganisation. CC-BY-SA 2.0 Gage Skidmore

J. D. Vance ist ein Politiker der Widersprüche. Ein einfacher Mann des Volkes, wie er sich gerne präsentiert, aber mit einem Hochschulabschluss der prestigeträchtigen Yale Law School. Ein Kreuzritter gegen übermächtige IT-Konzerne aus dem Silicon Valley, wo er selbst reich geworden ist und wohin er bis heute beste Kontakte pflegt. Und nicht zuletzt ein ehemals lautstarker Gegner von Donald Trump – der ihn am Montag zu seinem Vize-Präsidentschaftskandidaten kürte.

Seit vergangener Nacht steht James David Vance, wie er mit vollem Namen heißt, offiziell auf dem republikanischen Ticket für die US-Wahl im November. Auf dem Parteitag der Republikaner wird heute auch Donald Trump seine Nominierung zum Kandidaten akzeptieren, um (höchstwahrscheinlich) gegen den amtierenden US-Präsidenten Joe Biden anzutreten. Im Unterschied zu den Demokraten geben sich die Republikaner geschlossen, trotz aller Widersprüche.

So zählt Vance zu den sogenannten „Khanservatives“, eine Anspielung auf Lina Khan, Chefin der US-Wettbewerbsbehörde FTC (Federal Trade Commission). Die progressive Juristin gilt als Schrecken der großen IT-Unternehmen wie Amazon, Google oder Meta, während der US-Kongress zuletzt kaum über Ankündigungen hinauskam. Wiederholt hatte Vance öffentlich sein Lob über Khan ausgeschüttet, sie sei eine der wenigen Leute innerhalb der Biden-Regierung, die „einen ziemlich guten Job“ mache.

Seine Forderungen, etwa nach einer Aufspaltung Googles, begründet Vance indes oft ideologisch und weniger ökonomisch. „Die monopolistische Kontrolle über Informationen in unserer Gesellschaft liegt bei einem explizit progressiven Technologieunternehmen“, reagierte er beispielsweise auf eine Studie, die Google News eine vermeintliche Linkslastigkeit unterstellt.

Reich werden mit Peter Thiel

Nach dem Abschluss seines Jura-Studiums im Jahr 2013 zog Vance zunächst ins kalifornische San Francisco. Dort arbeitete er unter anderem für eine Investmentfirma des umstrittenen PayPal- und Palantir-Mitgründers Peter Thiel. Mit dem ist er weiterhin freundschaftlich wie politisch verbunden, genauso wie mit anderen prominenten Tech-Unternehmern, unter ihnen Elon Musk und David Sacks. Sie zählten zu wichtigen Geldgebern seiner Wahlkampagne in Ohio, mit der Vance im Jahr 2022 einen Sitz im US-Senat erringen konnte.

Zuvor machte sich Vance einen Namen als Tech-Investor. Seine eigene Wagniskapitalfirma Narya Capital wird unter anderem von Branchengrößen wie Ex-Google-Chef Eric Schmidt, Marc Andreessen und Peter Thiel finanziert. Narya Capital steckte etwa Geld in Rumble, eine rechtslastige Videoplattform, die sich als Alternative zu YouTube andient. Auch macht sich Vance für die Crypowährung Bitcoin stark, die tunlichst nicht zu regulieren sei.

Ebenso wenig wissen will der 39-Jährige von staatlichen Eingriffen in das aufstrebende Geschäft mit sogenannter Künstlicher Intelligenz rund um ChatGPT & Co. Einschlägige Gesetze würden bloß die Marktmacht der Platzhirschen zementieren, warnte Vance erst vergangene Woche bei einer Anhörung im Senat – ein bemerkenswerter Kontrast zu seinem sonstigen Kreuzzug gegen Big Tech.

Die junge und von nur wenigen Unternehmen wie OpenAI dominierte Branche unterliegt in den USA bislang kaum regulatorischen Regeln. Erste zaghafte Versuche wie eine Verfügung Joe Bidens aus dem Vorjahr, die zumindest Bundesbehörden gewisse Schranken beim KI-Einsatz auferlegt hatte, könnten sich zudem leicht rückgängig machen lassen, sollten die Republikaner die Präsidentschaftswahl gewinnen.

Für Alterskontrollen und gegen Providerprivileg

Für mehr Regulierung setzt sich Vance hingegen ein, wenn es um den vermeintlichen Schutz von Kindern im Internet geht. Er unterstützt den Kids Online Safety Act (KOSA), der derzeit im Kongress seine Runden dreht. Das Gesetz soll neben Social-Media-Seiten auch Messenger, Streaming-Dienste oder Videospiele in die Pflicht nehmen, Kinder vor schädlichen Inhalten zu schützen. Wie viele andere Konservative, darunter auch Trump, will Vance zudem Online-Diensten das Providerprivileg wegnehmen. Beide Initiativen werden von Bürgerrechtsorganisationen als Angriff auf die Internetfreiheit gewertet.

Wie viel Einfluss J.D. Vance, der sogenannte Neoreaktionäre wie Curtis Yarvin oder Rod Dreher zu seinen Vorbildern und Freunden zählt, in einer etwaigen Trump-Regierung hätte, bleibt allerdings offen. Traditionell beschränken sich Vize-Präsident:innen auf eine weitgehend repräsentative Rolle, zuweilen werden sie aber auch zu politischen Nachfolgern des jeweiligen Amtsinhabers aufgebaut.

Gleichwohl ist Trump nicht sonderlich dafür bekannt, seinen Platz an der Sonne mit Konkurrent:innen zu teilen. In jedem Fall zeigt die Wahl von Vance, dass die rechten Tech-Netzwerke weiter zusammengewachsen und belastbar sind – auch oder gerade wenn sich Einzelne wie Peter Thiel inzwischen schrittweise von Trump distanzieren. Andere rücken derweil noch näher an Trump heran: „Ausgezeichnete Entscheidung“, kommentierte etwa Elon Musk die Nominierung von Vance.

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