BeschäftigtendatenschutzKI als Katalysator für Überwachung am Arbeitsplatz

Programme zur digitalen Leistungskontrolle sind auf dem Vormarsch, der Überwachungsdruck auf Arbeitnehmer:innen steigt. Zu diesem Schluss kommt ein neues Gutachten und macht Vorschläge zur Verbesserung. Abhilfe könnte ein lang versprochenes Gesetz schaffen, doch ein Koalitionspartner blockiert das Vorhaben.

Ein moderner Arbeitsplatz mit einem großen BIldschirm, auf dem "Do More" steht
Wenn der Computer die Leistung beurteilt – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Carl Heyerdahl

Deutschland braucht endlich ein umfassendes Beschäftigtendatenschutzgesetz. Zu diesem Schluss kommen in einem neuen Gutachten zur Kontrolle am Arbeitsplatz [PDF] der Rat für digitale Ökologie und der ehemalige Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg, Stefan Brink.

Anhand unterschiedlicher Fallbeispiele, von der Überwachung in der Lagerhalle eines Logistikunternehmens bis zum Home Office, analysiert das Gutachten die Zunahme digitaler Kontrolle am Arbeitsplatz. Durch die ungehemmte Digitalisierung verschärfe sich der Überwachungsdruck in Betrieben, was langfristig zur weiteren „Entfremdung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite“ führen könne.

KI als „Überwachungskatalysator“

Besonders in den Blick nimmt das Positionspapier digitale Überwachung in Form von automatisierter Leistungskontrolle und algorithmischem Management. Weit verbreitete Programme wie Microsoft 365 würden ermöglichen, dass das gesamte Verhalten von Angestellten aufgezeichnet und analysiert wird. „An die Stelle persönlicher, stichprobenartiger, offener und erfahrungsbasierter Kontrolle tritt zunehmend eine automatisierte, allumfassende, heimliche und algorithmenbasierte Kontrolle“, so das Gutachten.

Insbesondere sogenannte Künstliche Intelligenz erweise sich am Arbeitsplatz geradezu als „Überwachungskatalysator“. Dabei spricht sich das Gutachten nicht grundsätzlich gegen Leistungskontrolle aus, fordert aber die Verhältnismäßigkeit und Fairness jeder Kontrolle. Unabdingbare Voraussetzung hierfür seien transparente Verfahren.

Um die sicherzustellen, schlagen Stefan Brink und der Rat für digitale Ökologie ein Verwertungsverbot für Daten vor, die entgegen der Fairness- und Transparenzprinzipien erhoben wurden. Außerdem müssten Hersteller von betrieblicher Software wie Microsoft, Google, SAP oder Celonis stärker in die Pflicht genommen werden und auf Privacy By Design verpflichtet werden.

FDP soll Beschäftigtendatenschutzgesetz blockieren

Hierfür schlägt das Gutachten ein umfassendes Beschäftigtendatenschutzgesetz vor, das das bestehende Bundesdatenschutzgesetz und die DSGVO der EU ergänzt. Tatsächlich steht ein solches Gesetz schon länger auf der Agenda.

„Kaum ein aktuell geplantes Digitalgesetz hat so eine lange Vorgeschichte wie das Beschäftigtendatenschutzgesetz“, berichtet dazu Tagesspiegel Background [Paywall]. Demzufolge habe bereits Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) in den 90er Jahren von einem Beschäftigtendatenschutzgesetz gesprochen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner Zeit als Arbeitsminister einer Schwarz-Roten Koalition 2009 ein entsprechendes Gesetz versprochen. Doch einig wurde man sich nie.

Auch die Ampel-Koalition verabredete im Koalitionsvertrag [PDF], das Thema endlich anzugehen und „Rechtsklarheit für Arbeitgeber sowie Beschäftigte zu erreichen und die Persönlichkeitsrechte effektiv zu schützen“. Über ein Eckpunkte-Papier aus den gemeinsam zuständigen Ministerien für Inneres und Arbeit kam das Vorhaben bisher nicht heraus. Ein Gesetzentwurf soll zwar fertig sein, doch laut Tagesspiegel Background blockiert die FDP das Vorhaben.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

0 Ergänzungen

Wir freuen uns auf Deine Anmerkungen, Fragen, Korrekturen und inhaltlichen Ergänzungen zum Artikel. Bitte keine reinen Meinungsbeiträge! Unsere Regeln zur Veröffentlichung von Ergänzungen findest Du unter netzpolitik.org/kommentare. Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.