Progressive DigitalpolitikAntifaschistische Netzpolitik muss antikapitalistisch sein

Progressive Digitalpolitik basiert darauf, dass alle Menschen gleichwertig sind. Dem steht der Wirtschaftsliberalismus entgegen, der Ungleichheit rechtfertigt. Deshalb brauchen wir Szenarien für eine digitale Welt nach dem Kapitalismus.

Auf schwarzem Hintergrund steht zwei Mal "CHANGE", einmal davon gespiegelt
„Antifaschistische Netzpolitik verändert und inspiriert dort, wo sie anfängt, positive Zukunftsszenarien für eine digitale Welt nach dem Kapitalismus zu denken und zu zeichnen.“ – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Nick Fewings

In linken Kreisen kursiert das provokante Sprichwort „Kratze einen Liberalen und ein Faschist blutet.“ Auf Englisch: „Scratch a liberal and a fascist bleeds.“ Die Provokation darin ist natürlich die Gleichsetzung von Liberalismus und Faschismus. Die Empörung ist teilweise berechtigt. Aber nur teilweise.

Das Sprichwort unterscheidet in seiner verkürzten Zuspitzung nämlich nicht zwischen zwei sehr unterschiedlichen Formen des Liberalismus: dem sozialen oder auch kulturellen Liberalismus und dem Wirtschaftsliberalismus. Der erste ist Fundament einer freiheitlich Gesellschaft. Der zweite ist der ideologische Nährboden für jene Unterteilung von Menschen in unterschiedliche Wertigkeit, die im Faschismus ihre menschenverachtende Zuspitzung erfährt.

Der israelische Historiker Ishay Landa hat diese zentrale Unterscheidung in seinem Buch „Der Lehrling und sein Meister“ untersucht und ausführlich dokumentiert. Er zeichnet darin detailliert die wirtschaftsliberale Tradition im Faschismus der Nationalsozialisten nach. Insoweit ist an dem eingangs genannten Sprichwort dann doch etwas dran.

Was hat das mit Netzpolitik zu tun?

Aline Blankertz hat Ende August in einem Gastbeitrag formuliert: „Digitalpolitik muss Teil der Brandmauer sein“. Und der SPD-nahe Digitalverein D64 wählte im Januar „Digitalpolitik faschismussicher“ zu seinem Jahresthema. Auch im Verfassungsblog wird gefragt, wie Datenschutz gegen digitalen Autoritarismus eingesetzt werden kann.

Gemeinsam haben alle diese Stimmen und Forderungen, dass sie sich aktiv und kompromisslos gegen jene politischen Kräfte stellen, die völkisch-rassistische Ziele verfolgen. Das sind derzeit die AfD und die ihr nahestehenden Organisationen. In ihnen ist die völkisch-rassistische Programmatik derzeit so deutlich verkörpert wie nirgendwo sonst.

Antifaschistische Digitalpolitik muss mittel- und langfristig aber mehr sein als ein Abwehrkampf. Eine nachhaltige antifaschistische Digitalpolitik muss sich vielmehr die Dynamiken der Gegenwart anschauen, die immer wieder Nährboden dafür sind, dass menschenfeindliche, rassistische und autoritäre Vorstellungen mehrheitsfähig sind und bleiben.

Näher, als wir wahrhaben wollen

Ja, es ist wichtig, die Datenschutzbehörden endlich davor zu schützen, politisch instrumentalisiert zu werden. Genauso wichtig ist es aber, dass auch die Netz- und Digitalcommunity sich klar macht: Faschisten kommen nicht aus dem Nichts. Ihre Ideen sind uns näher, als wir es manchmal wahrhaben wollen.

Das bringt uns zurück zu dem provokanten Sprichwort aus der Einleitung und der Unterscheidung zwischen kulturellem Liberalismus und Wirtschaftsliberalismus.

Zu den Errungenschaften des kulturellen Liberalismus gehören viele der Ideale, die auch für eine progressive Digitalpolitik handlungsleitend sind: Dazu zählen Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit; ein liberales Familien- und Reproduktionsrecht oder das Ideal der fundamentalen Gleichheit aller Menschen – egal ob auf der Flucht, armutsbetroffen oder in psychischen Ausnahmesituationen. Ishay Landa zeichnet die Entwicklung dieser Freiheiten und Grundwerte unter anderem mit Verweis auf die Französische Revolution nach.

Der Wirtschaftsliberalismus hat historisch die gleichen Wurzeln. Seine Vorstellungen haben im Laufe der Ideengeschichte jedoch andere Formen angenommen, die mittlerweile in deutlichem Widerspruch zum kulturellen und sozialen Liberalismus stehen.

Der Wirtschaftsliberalismus betont nicht die Gleichheit aller Menschen, sondern erklärt individuelle, ökonomische Freiheit zum höchsten Gut. Privates Eigentum an Unternehmen, Patenten oder Land sind im Wirtschaftsliberalismus zentrale Ausdrucksformen individueller Freiheit. Wirtschaftliche Konkurrenz und das gegenseitige Überbieten bei der profitablen Verwertung des Eigentums („Unternehmertum“) sind höchste Ausdrucksformen persönlicher Entfaltung.

Diejenigen, die kein verwertbares Eigentum haben, müssen ihre Arbeitskraft verkaufen. Sie erhalten als Lohn zwar (meist) genug zum Leben, aber weniger als den Wert ihrer Arbeitskraft. Die Gesellschaftsordnung des Wirtschaftsliberalismus hat einen Namen: Kapitalismus.

Natürlich anmutende Ungerechtigkeit

Die so entstehende Ungleichheit zwischen Menschen versucht der Kapitalismus durch Mythen von Leistungsgesellschaft und Chancengleichheit zu rechtfertigen. Er versucht so, seine systembedingte Ungerechtigkeit als natürlich erscheinen lassen.

Dass beispielsweise derjenige, der eine Fabrik erbt, das Recht hat, die Lebenszeit anderer Menschen darin zu verwerten und über ihr Leben zu bestimmen, ist eine zutiefst gewaltvolle Vorstellung. Unsere Gesellschaft lehnt sie aber nicht mehr als unnatürlich ab. Lebenslange neoliberale Sozialisierung lassen uns vielmehr glauben, dass dieser Zustand gut und richtig ist.

Auch dass von Rassismus betroffene Menschen oder weiblich gelesene Menschen strukturell in besonders unsicheren und schlecht (oder gar nicht) bezahlten Arbeitsverhältnissen ausgebeutet werden, wird von Ursachen wie Rassismus oder Sexismus entkoppelt. Die den Kapitalismus stützenden Ideologien ermöglichen uns, kein Störgefühl mehr zu haben, wenn im Biergarten Menschen of Color die Tische abräumen, während weiße Startups-Jungs ihren Feierabend genießen. Es läge ja an Dilan, stattdessen ihr Unicorn zu gründen.

Die Skala der Entmenschlichung ist nach oben offen

Es ist diese Ideologie, die den Nährboden für jene Formen der Entwertung von Menschen bildet, auf die völkisch-autoritäre Vorstellungen aufbauen. Wenn wir bereits daran gewöhnt sind, Elend und Ausbeutung als natürliches Resultat eines guten und freiheitlichen Systems wegzurationalisieren, haben wir bereits den ersten Schritt dahin getan, die grundsätzliche Gleichwertigkeit aller Menschen in Frage zu stellen.

Bezahlkarten für Geflüchtete, Sanktionen gegen Armutsbetroffene oder hungernde Schulkinder sind zwar qualitativ nicht vergleichbar mit Arbeitslagern und der Tötung von als „wertlos“ markierten Menschen. Sie sind aber Markierungen auf der gleichen nach oben offenen Skala der Entmenschlichung. Wo auf dieser Skala wir in den kommenden Jahren landen, ist unklar. Dass wir uns überhaupt auf ihr bewegen, ist das eigentliche Problem.

Willkommene Verbindung von Wirtschaftsliberalismus und Faschismus

Einer der radikalsten Vertreter des Wirtschaftsliberalismus war der 1973 verstorbene Ökonom Ludwig von Mises. Er wandte sich gegen jede Form von staatlicher Intervention und plädierte für ungezügelte Märkte. Er ist noch heute Stichwortgeber für liberale Wirtschaftsredakteure, denen die FDP nicht libertär genug ist.

Auch andere greifen gern auf von Mises zurück, etwa die AfD. Sie zitierte Ludwig von Mises in einer großen Anfrage an die Bundesregierung aus dem Juni 2023 als Vordenker der „Verbraucherdemokratie“. Von Mises selbst hätte sich an der wohlwollenden Erwähnung aus beiden politischen Lagern vermutlich nicht gestört. 1927 schrieb er unter anderem als Reaktion auf sozialdemokratische und linke Forderungen nach weniger Markt und mehr Demokratisierung der Wirtschaft:

Es kann nicht geleugnet werden, daß der Faszismus und alle ähnlichen Diktaturbestrebungen voll von den besten Absichten sind und daß ihr Eingreifen für den Augenblick die europäische Gesittung gerettet hat. […] Der Faszismus war ein Notbehelf des Augenblicks; ihn als mehr anzusehen, wäre ein verhängnisvoller Irrtum.

Diese enge ideengeschichtliche Verbindung zwischen Wirtschaftsliberalismus und Faschismus muss sich auch eine antifaschistische Netz- und Digitalpolitik wieder bewusst machen.

Antikapitalismus ist das Fundament antifaschistischer Digitalpolitik

Im Kern geht es also um die unsexy Erkenntnis, dass antifaschistische Digitalpolitik manchmal wenig mit „KI“, Datenschutz oder Verschlüsselung zu tun hat. Die eigentlichen Herausforderungen sind oft, wie Anne Roth schreibt, „ziemlich analog“,

Alle zentralen Forderungen progressiver Digitalpolitik fußen auf dem Fundament der grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller Menschen. Dieses Fundament stellt unsere kapitalistische Gesellschaftsordnung jeden Tag aufs Neue in Frage. Antikapitalismus muss deshalb das Fundament und der Ausgangspunkt antifaschistischer Digitalpolitik sein.

Auch Antikapitalismus selbst ist natürlich nur eine Negativforderung. Antifaschistische Netzpolitik verändert und inspiriert dort, wo sie anfängt, positive Zukunftsszenarien für eine digitale Welt nach dem Kapitalismus zu denken und zu zeichnen. Je eher und je konkreter wir über post-kapitalistische Digitalpolitik sprechen, desto besser.

31 Ergänzungen

    1. Hallo,

      wo im Beitrag liest du die Forderung nach eine Welt ohne Wirtschaftssystem? Oder muss ich deinen Beitrag so verstehen, dass der Kapitalismus für dich das einzig denkbare Wirtschaftssystem ist? Wenn letzteres der Fall ist, bin ich mit dem Beitrag wohl (bei dir) gescheitert: Er sollte eigentlich genau dazu anregen, sich gemeinsam mit uns allen Gedanken darüber zu machen, wie eine bessere Art des Wirtschaftens aussieht.

      1. Ich sehe nicht wirklich „der Kapitalismus“. „Der Markt“ ist ja auch oft nicht wirklich vorhanden, und wenn man „ihn“ befreit, ist er im nu wieder kaputt.

        Kapitalistisch als extreme ausformung sehe ich nicht als Möglichkeit (s. planetarisches Versagen, und nein, es sind nicht nur die USA, was man daran sieht, wie Machtlücken von anderen Staaten gefüllt werden, tatsächlich nähern sich da alle an).

        Aber als „-sch“ mit Kapital, sehe ich nicht, warum man alles wegwerfen sollte. Ich habe nichts gegen Architekten und weitsichtige Visionen mit Auslassungen, aber irgendeine Art Modell muss da vielleicht doch stehen?

        1. Ist eigentlich schon beantwortet (durch die Einladung zum Nachdenken). Sinnvoll ist sicherlich, Begriffe klar zu haben, was bei Kapitalismus (und dann noch Nutzung des Begriffs in Medien und Politik) schon mal leicht kompliziert ist (siehe Wikipedia zu Kapitalismus).

          Antikapitalismus allerdings ist auch aktivistisch geprägt, so Wikipedia: „Als Antikapitalismus bezeichnet man Grundhaltungen, die gegenüber kapitalistischen Ideen eine fundamental entgegengesetzte Position einnehmen.“
          (Wenn das so korrekt oder wissenschaftlicher Konsens ist.)

          Fundamental entgegengesetzt zu (allen?) Ideen ist schon erklärungsbedürftig, da alles wegzuschmeißen seltsam wäre. Immerhin sind viele der negativen auswirkungen in der ungezügelten Form oder eben in der bei uns gewachsenen Form vorhanden, müssten in einer balancierten Form des Kapitalismus (oder „Irgendwas mit Kapitalismus“) nicht unbedingt so zu Tage treten. Während andererseits ein Substitut für Wettbewerb nicht wirklich existiert, und daraus folgend gewisser Bereiche, in denen Konkurrenz und ein gewisses Maß an Markt herrschen müssen.

          Als grundlegendes zivilisatorisches Kriterium könnte man setzen:
          – Nichts kaputtmachen, was nicht kaputt muss.
          – Stets auf nachhaltige, dauerhafte Zivilisation hinarbeiten.
          Die implikationen wären so bereits äußerst weitreichend.

          Wie mit KI z.T. suggeriert wird, braucht man immer weniger Leute in einem Unternehmen („…“), im Prinzip könnte man vielleicht irgendwann staatliche Produktionsmittel Ideen, Menschen, Lottogewinnern zuteilen, sowie extra Forschungsresourcen. Wer dann gute Ideen hat, kann damit Punkten und bekommt Kohle dafür, und Zugang zu mehr Resourcen, um Ideen zu entwickeln, zu testen und umzusetzen. Das sind aber krasse Transformationen, die auch stetes Management und Weiterentwicklung brauchen, da sollte man erst mal Essen und Energie glattziehen, weltweit.

          1. „da sollte man erst mal Essen und Energie glattziehen, weltweit.“

            Da ist auch ein interessanter Aspekt: desingen wir eine planetarische Gesllschaft, und was beim Aufprall auf ein anderes bewohntes Sonnensystem, oder auch nur dem Auseinanderleben zwischen Erde, Mars und Asteroidengürtel? Oder wollen wir ein Modellprojekt, das für sich in einer durchgequirlt byzantinischen Welt voller Haifischbecken bereits funktioniert, und am Besten noch gleichzeitig in die Zukunft für alle weist?

            Ist vielleicht die Grundbedingung, vor allem für das letztere, einen ziemlich unabhängigen Zustand zu haben? Wie würde man den erreichen? Sich runterschneiden, und dann hoffen, dass man nicht militärisch und wirtschaftlich komplett überall abgehängt wird, oder wissen dass das kein Problem wäre? Oder würde man erst noch weiterrudern, und dann irgendwie die Kurve kriegen. Bei einem konkreten Ziel, dass gewissermaßen in Reichweite ist, und der Verfasstheit entspringt, wäre das noch denkbar. Allgemein aber, die Idee, man könne später noch die Kurve kriegen, weil man sich nur umentscheiden müsste, ist sehr problematisch. Gerade in der Demokratie ist die Kapazität zum plötzlichen Herumreißen von Rudern begrenzt.

  1. Viele junge Menschen haben bei der Wahl 2021 der FDP einen Zuwachs beschert, von denen heute nicht wenige ihre damalige Wahlentscheidung bereuen dürften. Sie sind mit wenig Kenntnis auf das Narrativ der FDP hineingefallen, es handele sich um eine „liberale“ Partei, die für „Freiheit“ steht. Es wird Zeit, diese Verdummung zu dekonstruieren. Die FDP hat sich nach 2000 stark gewandelt, ideologisch radikalisiert. „Projekt18“ und „Guidomobil“ waren Kampagnen auf diesem Weg.

    1) Im Artikel ist von „neoliberaler Sozialisierung“ die Rede. Ein wenig zu salopp formuliert, weil ohne Erläuterung. Neoliberal steht im Angelsächsischen für „links“, konträr dazu das europäischen Verständnis.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Neoliberalismus

    2) FDP – libertär
    Als libertär bezeichnen sich
    a) Anarcho-Kapitalisten https://de.wikipedia.org/wiki/Anarchokapitalismus
    b) Paläolibertäre https://de.wikipedia.org/wiki/Pal%C3%A4olibertarismus
    c) Wirtschaftsliberale https://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftsliberalismus

    Aktuell ist die FDP im Stadium der Narrenfreiheit angelangt, sie fliegt aus den Parlamenten und nutzt ihre Restzeit für politische Sabotage, als Wegbereiter für eine „Konservative Revolution“.

  2. Es gibt keine richtige Digitalpolitik, nicht nur im Falschen nicht.

    oder:

    Wer von den Datenverarbeitungsprozessen an sich nicht sprechen will, soll von Convenience und Teilhabe schweigen!

    oder:

    Unter dem Pflaster liegt jetzt ein Glasfaserkabel.

  3. Das der Link auf Herrn Englers Webseite zu „Structural Integrity“ auf LinkedIn zeigt — ist ganz genau mein Humor.

    Aber ganz genau.

    1. Lieber Philip,

      ich hätte gern auf unsere Webseite verlinkt. Die ist leider noch nicht fertig.

      Ich verstehe deinen snarky comment außerdem so, dass du damit dem gesamten Beitrag Relevanz und Bedeutung absprichst, weil in der Autorenbio auf eine Webseite verlinkt wird, die für alle das steht, was der Beitrag ablehnt. Das wirkt auf mich doch sehr nach Ausweichen. Vielleicht findest du ja die Kraft, über dieses Detail hinweg zu sehen und dich auch mit dem Inhalt des Beitrags auseinander zu setzen.

      1. Die Kraft, naja.

        Der Artikel hat im Lead: „Deshalb brauchen wir Szenarien für eine digitale Welt nach dem Kapitalismus.“ und als einen der letzten Sätze „Antifaschistische Netzpolitik verändert und inspiriert dort, wo sie anfängt, positive Zukunftsszenarien für eine digitale Welt nach dem Kapitalismus zu denken und zu zeichnen“.

        Und es findet sich keine, einzige, Beschreibung eines positiven Szenarios im Artikel.

        Zum Detail: „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“ sagt dir was, oder? Oder „„Handle nur nach derjenigen Maxime, von der du usw.“ kommt dir bekannt vor?

        Ich hab‘ mit Interesse nach einem Link zu einem zukünftigen Kollektiv gesucht, weil ich tatsächlich interessiert bin und wenn wir im Internet Dinge anders haben wollen, wird’s nicht anders gehen, als mit althergebrachten Dingen aufzuhören.

        Eine Webseite mit „under construction“ ist für 5€ zusammengeklickt. Wem LinkedIn näher liegt hat offensichtlich noch nicht verstanden, was das eigentliche Thema ist, lieber Cyberboomer.

        1. Lieber Philip,

          deine Kritik ist angekommen. Sie war es auch vorher schon. So wie du schreibst, ahne ich, dass auch eine für 5 € zusammengeklickte Webseite Schwächen gehabt hätte, die dir als Ansatz für kategorische Verweigerung jede eigenen Geistesanstrengungen gereicht hätte.

  4. Nein, Liberalismus bedeutet individuelle Freiheit. Auch die Freiheit ein Unternehmen gründen zu dürfen ohne das der Staat das verbietet. Jede Form von Sozialismus unterdrückt diese Freiheit und ist daher als despotisch anzusehen. Hier Gleichheit zu erzwingen bedeutet die fähigen auf das Niveau der Mittelmäßigkeit herab zu zwingen.

    Das unterschiedliche Menschen unterschiedliche Wertigkeit haben ist auch im Sozialismus so. Honecker und co haben in Wendlitz in Villen gewohnt und wer damit nicht einverstanden war dann halt in einer Zelle in Bautzen… Daher ist der Antikapitalismus eben auch nur eine Täuschung durch die Eliten des intellektuellen Marxismus die somit ihre Macht sichern.

    Auch in der DDR wurde versucht das mit Anti Faschismus zu legitimieren. Deshalb gab es da ja den „Antifaschistischen Schutzwall“. Am Ende geht es aber nur um die Linken selbst die dann absolutistisch herrschen wollen.

    Im Kapitalismus hab ich als Arbeiter wenigstens das Recht mit einen neuen Job zu suchen, auszuwandern etc. Im Sozialismus werd ich dafür erschossen. Ja im Kapitalismus gibt es Ungleichheit, nicht jeder hat die Fähigkeit Unternehmer zu werden. Aber dank Unternehmen wie Nvidia haben wir Spitzentechnologie und so weiter von der am Ende alle profitieren. Auch der Arbeiter.

    Antikapitalismus bedeutet das sich alle einer neuen Wirtschaftsform unterwerfen müssen. Einer in der die neuen Oberen dann halt Linke Akademiker sind die meinen Sie könnten Wirtschaft besser planen als erfahrene Unternehmer. Aber auch denen geht es am Ende um ihre eigene Macht, so wie immer bei Menschen.

    Deshalb lebe ich lieber in einer unvollkommenen und ungerechten Marktwirtschaft in der ich dann eben doch stets noch die Freiheit habe selbst entscheiden zu dürfen. Denn ohne Freiheit ist alles nix. Auch als Proletarier kann ich mit hier Konsum leisten der im Anti Kapitalismus unvorstellbar war. Da fällt mir die Wahl nicht schwer.

    1. Man muss schon enorm privilegiert sein für diese Ansicht.

      Ok, und relativ ungebildet bezüglich „Sozialismus“ und unserer derzeitigen Gesellschaftsordnung. Artikel 20 und 28 GG könnten weiterhelfen.

    2. Liebes Piratenparteimitglied,

      ich hatte gehofft, das mein Beitrag für sich spricht. Von „Unterwerfen“ unter ein anderes Wirtschaftssystem ist darin nicht die Rede. Im Gegenteil hatte ich gedacht, zum Nachdenken darüber angeregt zu haben, dass die Freiheit des Wirtschaftsliberalismus ein Privileg weniger ist, dass für die Mehrheit gerade jenes Unterwerfen bedeutet, dass du (mit Recht) ablehnst. Mit keiner Silbe habe ich außerdem autoritäre Gesellschaften wie jene der DDR als Vorbild herangezogen. Meine Ausführungen zu der Bedeutung sozial-liberaler Freiheiten dürften da keinen Zweifel an meiner Haltung lassen.

      Ich würde mich freuen, wenn die Piratenpartei Teil jener Bewegung würde, die sich vom Status Quo löst und dabei mitwirkt, eine gerechtere und bessere Form des Wirtschaftens zu erdenken.

    3. Liebes Piratenparteimitglied,

      bei uns Antikapitalisten schwirren gerade ein paar ganz passable Ideen herum, wie sich das alles besser als nach dem Prinzip „Schnapp-Dir-was-Du-kriegen-kannst“ (aka. #mefirst) regeln kann. Dazu gehört z.B. Großkonzerne in die Selbstverwaltung der Arbeiter und Kunden zu geben. Die organisieren das nämlich gerne so, dass es gut für sie ist. Von Staats wegen kann man dann noch die Gemeinwohlorientierung vorgeben: Langlebige Produkte, Umwelt intakt lassen, Arbeit ohne Burnout mit genug Zeit für Beziehungen & Selbstverwaltung (s.o.).

      Im Moment diktiert Exit-Kapitalismus, was und wie produziert wird. Herr Investor steckt sein Kapital für begrenzte Zeit – 5 Jahre oder so – in ein Unternehmen. Wenn nach dem Verkauf der Anteile der Konzern abraucht, weil die Produkte hoffnungslos veraltet sind, und die Belegschaft mit Burnout auf der Straße landet, während weiter Tonnenweise CO2 unnötig in die Luft geblasen wird, ist ihm das reichlich wumpe.
      Rendite passt, Rest egal.
      Siehe VW.

      Kleine & Mittelständler kann man weitgehend in Ruhe lassen. Die machen das im Groben und Ganzen nämlich gar nicht so schlecht, v.a. was Innovation angeht. Wo es passt, kann man eventuell das Genossenschaftsmodell fördern statt Privatbesitz – erzwingen soll man das aber nicht. Man kann sogar den Markt einiges regeln lassen, solange da keine größeren Verwüstungen bei rauskommen. Für die Kleinen: Freiheit. (Die ja bekanntlich bei der des anderen aufhört.)

      Von der DDR haben wir auch schon gehört. War nicht so geil. Hat die Leute entmündigt, gedemütigt und eingesperrt.
      Ziel heute ist, die Leute aus der Opferecke rauszulassen, zu ermutigen & zu ermächtigen, damit wir zusammen endlich mal tragbare Alternativen zur Fraßwirtschaft entwickeln und austesten können.
      Vozugsweise Genossenschaftlich und Selbstverwaltet.

      Danke fürs Lesen bis hier :)

      1. > Ziel heute ist, die Leute aus der Opferecke rauszulassen, …

        Wobei es aktuell politisch arg in Mode gekommen ist, sich selbst in eine „Opferecke“ zu stellen. Da wollen einige gar nicht raus, aus dieser Ecke, denn die hat niemand dort eingepfercht, so dass sie „rausgelassen“ werden müssten.

    4. „Im Kapitalismus hab ich als Arbeiter wenigstens das Recht mit einen neuen Job zu suchen, auszuwandern etc“

      Nö, diese Rechte haben nichts mit der Wirtschaftsform zu tun. Im reinem Kapitalismus hättest Du uU diese Rechte, könntest sie aber nur nutzen, wenn Du sie dir leisten kannst. Du wechselst Deinen Job zB nicht, wenn Du dann wegen unbezahlbarer Schulden in den Knast gehst oder Deine Kinder aus der Schule fliegen.

      „Im Sozialismus werd ich dafür erschossen.“

      Gibt schon einen Grund, warum die Piratenpartei bis auf kompetente Einzelpersonen nicht mehr Aufmerksamkeit als die yogischen Flieger bekommt.

  5. Der Beitrag mag gut gemeint sein, liest sich aber m.E. sehr unausgegoren.

    Erstens ist es irgendwie ideell sehr aufgeladen. Also ja, gut. Der Autor mag die wirtschaftliche Seite der individuellen Freiheit nicht und kokettiert damit, Liberale in eine Ecke mit Autoritären zu stellen – geschenkt. Schon hundert mal gelesen.

    Aber das ist für sich genommen überhaupt nicht handlungsleitend. Die Richtungslosigkeit ist ja ein bisschen der Witz an der Kapitalismuskritik, wo immer nur zukünftige Gesellschaftsmodelle verworfen werden und es nie zu einer tragfähigen Zukunftsvision kommt. Frag mal einen aus der Degrowth-Bewegung, wie er sich die Zukunft vorstellt und wie wir da hinkommen sollen. Der lächelt nur müde.

    Außerdem fehlt der Bezug zur Digitalpolitik, der dem Leser aber versprochen wird. Diese ganze Anti-„Hass“-Nummer, die Harmonisierung von privater und öffentlicher Zensurinfrastruktur, der stetige, nie endende Kampf gegen sichere Kommunikation, cuii-listen und Meldesystematiken für Gesinnungsverbrecher, das alles ist der Rechtsruck. Das ist die autoritäre Zukunft, auf die wir zusteuern. Und das ist die Digitalpolitik, gegen die es Antworten braucht.

    Und auf diese autoritären Ideen brauchen wir nicht-autoritäre Antworten. Links und Rechts helfen uns da nicht weiter. Und in diesem Zusammenhang muss man sich auch die Frage stellen, ob Artikel, in denen gewitzelt wird, dass Liberale eigentlich Faschisten sind, einer progressiven Digitalpolitik wirklich helfen, oder ob sie nicht einen völlig belanglosen Nebenkriegsschauplatz eröffnen, während wir das freie Internet einfach aufgeben.

    1. Es ist kein Witz, dass ein weit gefasster Liberalismus Faschisten als Tarnkappe dient. Und ein „freies Internet“ gab es so auch noch nie, denn frei war und ist es nicht. Es war immer an Bedingungen gebunden und an interessengeleitete Akteure.

      1. Das Freie Internet könnte auch eine Idee sein, oder eine Extrapolation. Sicherlich sieht man einen „crack down“, der den Sinn der Plattformen die reguliert werden konterkariert, während der zuvor recht freie Rest des Internets, der nur aufgrund des unnachhaltigen kommerziellen Wachstums der großen Plattformen nicht mehr „das Internet“ ist, gleich mit in den Orkus getreten wird. Das ist schon konkret die Situation.

        Die Freiheit ist durch den Kapitalismus abgewürgt worden, und zwar doppelt: actio und reactio.

        1. „Sinn der Plattformen“ – hiermit ist nicht allein die kommerzielle Ausprägung gemeint, was man als effektiven Sinn hinstellen könnte, sondern der Sinn, den sie ansonsten für die Gesellschaft oder zumindest für die Nutzer ausüben. Da ist durchaus z.T. noch etwas vorhanden (, z.T. gewesen).

          1. (Dem liegt naturgemäß die Annahme der Gestaltungsmacht zugrunde. Wäre der Weg vorbestimmt, bräuchte man nicht mit „Sinn für die Gesellschaft kommen“, sondern müsste irgendwie mit „Effekt eingeschränkt auf die Gesellschaft“ hantieren, solange es noch eine gibt, oder eine entstehen könnte.)

    2. Also, wenn es um 1-Zeiler geht: stirb nicht aus!

      Das reicht eigentlich, und es wird nicht „Turbokapitalismus“ sein. Das ist sicher.

      Liberale nicht in einer Ecke mit Authoritäten? Naja, wenn es dazu führt? Beispiel Monopole. Dann ist man bald fertig.

      Richtung mit Kapitalismus? Welche Richtung ist denn das? Kapitalismus ist per definition zu kurz gespurngen! Wir machen X/Y/Z, weil wir glauben, „weil besser ist“. Wo in aller Welt sehen Sie da eine Richtung?

      Was wozu wirklich ein Gegenentwurf ist, das bleibt höchst diskutabel. Ich sehe nicht wie die Extrempositionen uns bei der Lösungssuche derart unterstützen. Das „digitale Dilemma“ ist aber nun mal zwischen „eigentlich alles erlauben müssen“ und „alles zerschneiden, bis nichts übrigbleibt“. Das bleibt schwierig, betrifft aber nicht alle Bereiche, denn die Notwendigkeit starker verschlüsselung und sicherer Systeme sollte wohl beweisbar sein. Allerdings hat das Folgen, denn Kriminelle können das auch nutzen, daher sind Geheimdienste um die noble Aufgabe der Identifizierung und Liquidierung von Verstößen gegen das dann notwendige Trackingverbot zu beneiden! Anders geht es dann nicht.

    3. > Frag mal einen aus der Degrowth-Bewegung, wie er sich die Zukunft vorstellt und wie wir da hinkommen sollen. Der lächelt nur müde.

      Tja, könnte ein Wahrnehmungsproblem deinerseits sein, mit nachfolgenden Fehlern in Interpretation und Schlussfolgerungen.

      War das überhaupt ein Lächeln, oder war es ein milder Ausdruck von Mitleid für einen, der es noch immer nicht kapiert hat, wohin die Reise geht bzw. für die meisten enden wird?

  6. > Und ein „freies Internet“ gab es so auch noch nie, denn frei war und ist es nicht. Es war immer an Bedingungen gebunden und an interessengeleitete Akteure.

    Ich verstehe den Reflex, sich gegen Begriffe wie „freies Internet“ stemmen zu wollen. Letztlich handelt es sich um ein aspirationales Ideal, und die technischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Anforderungen an ein solches voraussetzungsreiches Konstrukt sind richtigerweise nicht von der Hand zu weisen.

    Häufiger hört man so etwas von den Apologeten einer stärkeren Überwachung, einer stärkeren Zentralisierung und einer stärkeren Kontrolle des Internets. Und da muss man immer sehr genau hinhören, was die Menschen sagen, die diesen Wunschzustand des freien Internets zerreden.

    Aus einem trivialen „Man durfte noch nie alles schreiben“ wird dann schnell ein „Stammtischgespräche sind Hassrede“ und das endet dann damit, dass ganze Diskurse in Deutschland gar nicht mehr abgebildet werden dürfen. Satres Äußerungen über Algerien wären hierzulande wahrscheinlich Terrorunterstützung nach §129a oder so. Nur als Beispiel.

    Stück für Stück werden wir hier als Gesellschaft autoritärer. Wir sehen das doch auch alle.

    Und wenn wir in 20 Jahren das Deutschlandnetz der T Systems browsen und die Klarnamen neben den aufgerufenen Seiten bei der public private partnership Prüfstelle liegen, dann hilft uns „ein rechtsfreier Raum war es doch eh nie!!“ auch nicht weiter.

    1. Ich schätze ihre kluge Ergänzung, und dennoch könnte es sich bei ihnen auch um einen Reflex handeln, wenn Sie Apologetismus von der falschen Seite befürchten, nur weil man illusionslos den Ist-Zustand beschreibt.

      Ich finde, es gehört zu argumentativer Redlichkeit (damit adressiere ich Sie ausdrücklich nicht), stets auszusprechen, dass der Term „freies Internet“ ein Wunschzustand ist, eine Utopie mit einem so hohem Anspruch, der m.E. nicht realisierbar ist. Mir ist kaum jemand begegnet, der ausführlichere Varianten von Sprechakten bezüglich wählt, etwa wie „freies Internet, gemeint als paradiesische Verheißung“.

      Es nützt wenig, davon auszugehen, das Internet sei frei, war es schon immer und es muss „nur“ gegen aktuelle Bedrohungen verteidigt werden. Das ist m.E. unterkomplex, denn um ein freies Internet anzustreben bräuchte es auch eine Befreiung von Einschränkungen und Akteuren, die das gegenwärtige Internet als gewachsene Struktur technisch tragen und verwalten, also faktisch „beherrschen“.

      Vor dem Weg zur Verheißung „freies Internet“ müsste jedoch jedem klar sein, das dies ein Internet wäre, welches bar jeglicher Regulierung in einen Zustand mündet, in dem dann vermutlich das Recht des Stärkeren (anarcho)-neolibertäre Urzustände feiern wird. Cuio bono?

      Der Forderung nach einem „freiem Internet“ wohnt mindestens eine Ideologie inne, die benannt und redlich beschrieben werden müsste.

      1. Schon die Urheberrechtsreform hat gezeigt, dass die Sicht der Politik Kultur nicht beinhaltet. Kommerz zählt und/oder bzw. reguliert wird für die Großen, die Kleinen kommen mit über das Messer, weil es so schön einfach ist, alle in den selben Topf einzusortieren (Gewinnerzielungsabsicht). Bei den Kleinen ist damit die Freiheit futsch. Was wurde bis heute draus? War das nur eine mehrjährige Wackelstrecke (TOLL!), oder wo ist der Bus mit Hass, Terror, Kindern, Pornos, Alter und sonst was noch drüber?

        Lange Rede kurzer Sinn: Die Forderung nach der Befreiung des ganzen Internets ist etwas anderes als „der freie Teil“ oder „ein freier Teil“. Je nach Freiheitsbegriff ist das interne Netz der Telekom z.B. auch nicht frei (oder nicht Internet?), aber wen kümmert’s?

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