20 Jahre netzpolitik.orgSie lesen uns, ob sie wollen oder nicht

Als vor 20 Jahren alles begann, hätte wohl niemand geahnt, dass netzpolitik.org zu einer stattlichen Redaktion werden würde. Das alles war nur möglich durch eure Unterstützung.

Jemand fotografiert einen gelb-pinken Kuchen, auf dem "Fight for your digital rights!" steht.
„Fight for your digital rights!“ kann auch süß schmecken. CC-BY 2.0 Jason Krüger

Im Jahr 2004 gab es noch kein iPhone, Facebook befand sich erst in der Gründung und die Enthüllungen von Edward Snowden waren noch eine knappe Dekade entfernt.

Damals, am 10. August 2004 – und damit vor genau 20 Jahren –, veröffentlichte Markus Beckedahl um exakt 13:12 Uhr den ersten Beitrag auf netzpolitik.org. Es war der Startschuss für ein Blog, das in den Folgejahren zu einem journalistischen Online-Medium heranwuchs, das heute von einem Team aus rund 20 Personen betrieben und fast ausschließlich von Einzelspender:innen finanziert wird.

Von den Anfängen bis zum Landesverrat

In den ersten Jahren ging es vor allem darum, der Politik „das Internet zu erklären“, wie Markus zu sagen pflegte. Die Digitalisierung ging rasant voran und selbst für Insider war es nicht immer leicht, dabei Schritt zu halten.

Mit der Zeit wuchs das Team. Einige, die in den ersten Jahren mitbloggten, sind auch heute noch dabei. Andre Meister etwa oder Anna Biselli, die heute Co-Chefredakteurin von netzpolitik.org ist.

Mitte der 2010er-Jahre ging es dann rückblickend betrachtet Schlag auf Schlag. 2013 enthüllte Edward Snowden, wie umfassend Geheimdienste weltweit die Bürger:innen ausspähen. Und im Jahr 2015 erlebte netzpolitik.org einen Angriff auf die eigene journalistische Arbeit: Generalbundesanwalt und das BKA ermittelten damals wegen Landesverrats gegen uns.

Der Zufall wollte es, dass das Verfahren auf den Tag vor genau neun Jahren eingestellt wurde. Eingeleitet hatte die Ermittlungen der damalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Er musste später seinen Hut nehmen und agiert heute als Aushängeschild der „WerteUnion“.

Spendenfinanziert und damit unabhängig

Die Landesverrats-Ermittlungen führten zu einer intensiven öffentlichen Debatte und sogar zu einer Demonstration auf den Straßen Berlins. Und auch auf die Arbeit von netzpolitik.org wirkten sie sich nachhaltig aus – und zwar in zweierlei Hinsicht.

Zum einen erhielten wir aus Solidarität und Unterstützung jede Menge Spenden. Sie ermöglichten uns weiter, dass sich netzpolitik.org als leser:innenfinanziertes Medium etablieren konnte: redaktionell und wirtschaftlich unabhängig, ohne Paywall und ohne Tracking.

In den zurückliegenden drei Jahren haben wir jährlich rund eine Million Euro an Spenden erhalten. Sie kommen weiterhin vor allem von unseren Leser:innen, im Durchschnitt spenden sie acht Euro pro Monat.

Diese breite Unterstützung durch sehr viele Menschen ist für ein journalistisches Medium ein unglaubliches Privileg, denn sie erlaubt es uns, unsere Arbeit langfristig zu planen ohne auf Klick- und auf Abozahlen starren zu müssen. Danke, dass ihr uns das ermöglicht!

Mit der „Internetpostille“ zum Zahnarzt

Zum anderen trugen die Anschuldigungen dazu bei, dass die Blogger:innen von netzpolitik.org endgültig als das wahrgenommen wurden, was sie auch waren: Journalist:innen.

Das anzuerkennen, fiel manchen sichtlich schwer, während sie nicht umhin kamen, unsere Artikel zu lesen. Das zeigte sich etwa dann, wenn Gesetzesanalysen die Ratlosigkeit im Bundestag offenlegten, wie man mit der Kritik der „Internetpostille“ netzpolitik.org am besten umgehen sollte. Ein Unternehmen, über das wir regelmäßig berichten, liest offenbar selbst unsere Presseanfragen gerne. Sie würden uns zwar nicht immer antworten, räumten aber einst ein, unsere Fragen immer zu „genießen“.

Dass wir nicht immer vergnügungssteuerpflichtig sind, wissen wir. „Mich erinnert diese Webseite auch an meinen Zahnarzt“, lautete eine Würdigung bereits zum zehnten Geburtstag, „Der sagt mir auch immer wieder, dass ich gründlich und regelmäßig meine Zähne putzen soll“.

Auch das verbuchen wir als Bestätigung unserer Arbeit. Denn so ist das nun mal mit den dringlichen Themen, auch wenn es einigen gegen den Strich geht, was wir schreiben: Sie lesen uns, ob sie wollen oder nicht.

Der Kampf für Freiheitsrechte

Heute besteht unsere journalistische Arbeit nicht mehr darin, „das Internet zu erklären“. Die Digitalisierung prägt nahezu alle Bereiche des alltäglichen und politischen Lebens. Vorbei mit „Neuland“.

Wir sehen unsere Aufgabe darin, die digitalen Freiheitsrechte zu stärken. Mit Analysen, Recherchen, Leaks und Kommentaren wollen wir über die Missstände aufklären, politische Entscheidungsprozesse begleiten und zugleich unsere Leser:innen dazu befähigen, sich selbst für die Grundrechte aller zu engagieren.

Das betrifft Themen wie die untote Vorratsdatenspeicherung, ihre jüngere Schwester, die Chatkontrolle der EU-Kommission, oder den Einsatz von Staatstrojanern gegen Menschenrechtsaktivist:innen. Nicht minder wichtig sind die Ausspähung durch die Werbeindustrie, die Aushöhlung des Datenschutzes, unsere digitale Infrastruktur sowie der Einsatz offener Software.

Auf die nächsten 20 Jahre!

Welche Themen uns in fünf, zehn oder zwanzig Jahren beschäftigen? Wer kann das schon genau sagen. Fest steht aber: Uns werden die Themen nicht ausgehen – gerade in Zeiten, in denen zahlreiche Staaten versuchen, die Grundrechte auszuhöhlen, während Rechtsradikale nach der politischen Macht greifen.

Wir werden uns, an der Seite der digitalen Zivilgesellschaft, daher weiter für Freiheit, Solidarität und Gemeinwohl einsetzen – mit journalistischen Mitteln und auf vielen Kanälen. Und wir werden dafür sorgen, dass uns auch weiterhin möglichst viele lesen. Ob sie es gern tun oder nicht.

Wir wollen mit Euch Netze bilden – und feiern!

Abschließend noch ein Hinweis: Unseren Geburtstag wollen wir am liebsten mit vielen alten und neuen Wegbegleiter:innen feiern. Seit dieser Woche ist das Programm zu unserer Konferenz online: Unter dem Motto „Bildet Netze!“ wollen wir gemeinsam mit Euch am 13. September in Berlin netzpolitische Themen verknüpfen und uns mit Euch vernetzen.

Und am Ende eines hoffentlich spannenden Tages wollen wir feiern: Seit 20 Jahren gibt es netzpolitik.org! Den Konferenztag lassen wir deshalb mit einer großen Party ausklingen. Das ganze Team von netzpolitik.org hofft, Euch dort zu sehen!

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

1 Ergänzungen

  1. Meinen Glückwunsch zu 20 Jahren Arbeit, Aufklärung, Erklärung und Erfolgen. Und ich wünsche auch weiterhin Erfolg bei der Vermittlung Wichtiger Themen und dem Stellen der Richtigen Fragen. Selbst bin ich nur ein kleines Licht, seit den Heimcomputer-tagen IT-Affin aber leider immer in Jobs die es nicht zuließen für irgendwas zu spenden, obwohl ich das gern täte und für notwendig hielte. Daher auch meinen Dank an alle anderen (Größeren) Spender die mir dies mit ermöglichten zu lesen (und zu kommentieren).

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