Mehr als 80 Prominente, unter ihnen viele Journalist:innen und Kulturschaffende, setzen sich für die Freilassung des in Großbritannien inhaftierten Wikileaks-Gründers Julian Assange ein. In einem offenen Brief (PDF) an Annalena Baerbock fordern sie die Außenministerin auf, bei den „Gesprächen in Washington dafür Brücken zu bauen, dass Julian Assange nicht länger in Haft bleibt und endlich freikommt“. Baerbock besucht in den kommenden Tagen die Vereinigten Staaten und könnte dort den Fall Assange ansprechen.
Im Brief verweisen die Unterzeichnenden auf die australische Regierung sowie die Staatsoberhäupter und Regierungschefs von vier lateinamerikanischen Ländern, welche die die Freilassung von Assange gefordert haben. „Schließen Sie sich bitte Ihnen an“, heißt es in dem Brief, den auch mehrere ehemalige Bundesminister:innen wie Herta Däubler-Gmelin, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Sigmar Gabriel und Gerhart Baum unterschrieben haben. Auch Markus Beckedahl von netzpolitik.org hat unterzeichnet.
Kaum noch rechtliche Möglichkeiten
Nach einem zwölfjährigen Rechtsstreit hatte ein britisches Gericht im Juni 2022 beschlossen, dass Julian Assange an die USA ausgeliefert werden könne. Kurz darauf legte der seit 2019 offiziell Inhaftierte erneut Berufung gegen die Entscheidung ein. Nach fast einem Jahr erhielt er am 6. Juni dieses Jahres vom Obersten Gerichtshof des Landes eine nur drei Seiten lange Antwort, die das ablehnte.
Assange beruft sich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit und erhebt den Vorwurf, dass das langwierige Auslieferungsverfahren an sich einen Prozessmissbrauch darstelle. Darüber hinaus kritisiert er, dass es sich um einen politisch motivierten und nicht um einen rechtlichen Vorgang handle. In diesem Fall wäre eine Auslieferung laut britischem Recht verboten.
Seine Ehefrau Stella Assange hatte damals auf Twitter angekündigt, eine weitere Berufung einzulegen. Eine darauf folgende öffentliche Anhörung wäre die letzte Möglichkeit auf nationaler Ebene, eine Auslieferung noch abzuwenden. Danach bleibt Assange laut Reporter ohne Grenzen lediglich eine Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, bevor alle rechtlichen Optionen erschöpft sind.
Julian Assange drohen in den USA bei einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft. Ihm wird vorgeworfen, mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen in Afghanistan und Irak gestohlen und veröffentlicht zu haben. Unterstützer:innen, unter ihnen zahlreiche Medien und Pressefreiheitsorganisationen, sehen in Assange einen Journalisten, der den Schutz der Pressefreiheit genießt.
Offener Brief vom 8. September 2023
FÜR DIE FREIHEIT VON JULIAN ASSANGE HANDELN
Sehr geehrte Frau Ministerin Baerbock,
wir sind in großer Sorge um die Gesundheit und das Leben des Journalisten Julian Assange sowie die Bedrohung der Meinungs- und Pressefreiheit in Europa. Deshalb wenden wir uns in Vorfeld Ihrer Reise in die USA an Sie.
Seit nunmehr 13 Jahren kann Assange, der Gründer und Herausgeber der Enthüllungsplattform Wikileaks nicht mehr in Freiheit leben. Seit April 2019 ist er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London inhaftiert, wo er auf die Entscheidung warten muss, ob er von Großbritannien an die USA ausgeliefert wird. Dort erwarten ihn wegen seiner journalistischen Arbeit eine Anklage wegen Spionage, es droht ihm eine Höchststrafe von 175 Jahren Haft.
Wir teilen die Auffassung von Amnesty International, Reporter ohne Grenzen und nahezu allen Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbänden weltweit, dass die Verfolgung von Julian Assange einen schwerwiegenden Angriff auf die Medienfreiheit darstellt, den es mit aller Entschlossenheit zurückzuweisen gilt. Die anhaltende Inhaftierung von Assange, deren Ende nicht in Sicht ist, steht in eklatantem Widerspruch zum universellen Grundrecht auf Meinungsfreiheit.Wir erinnern an Ihre Erklärung im September 2021 nur wenige Tage vor der Bundestagswahl, in der Sie sich der Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 27. Januar 2020 sowie dem Appell des UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer angeschlossen und die „sofortige Freilassung“ von Julian Assange gefordert haben.
Wir erwarten, dass Sie, als Mitglied der Bundesregierung, bei Ihren bevorstehenden Gesprächen in Washington etwa mit Ihrem Amtskollegen Antony Blinken den Fall Assange zur Sprache bringen und sich deutlich für ein Ende der Verfolgung von Assange einsetzen. In Ihrem Einsatz für verfolgte Journalisten darf es keine doppelten Standards geben. Es ist paradox, berechtigte Kritik an der Unterdrückung von Journalisten in Diktaturen zu üben, aber zu der Verfolgung von Assange durch die Führungsmacht des Freien Westens zu schweigen. Eine wertebasierte Außenpolitik muss auch gegenüber Partnern und Verbündeten gelten. Wer sich den Menschenrechten und der Demokratie verpflichtet sieht, kommt nicht umhin, sich auch für die Freiheit von Julian Assange einzusetzen.Die australische Regierung, aber auch die Staatsoberhäupter und Regierungschefs von vier lateinamerikanischen Ländern haben die Freilassung von Assange gefordert. Schließen Sie sich bitte Ihnen an. Ihre Kabinettskollegin und Parteifreundin Claudia Roth hat erklärt, dass „seine Freilassung ein gutes Signal für die Pressefreiheit“ wäre. Die Schikanen, der er in der Auslieferungshaft unterworfen ist, sind ein Skandal. Angesichts seines sich stetig verschlechternden Gesundheitszustands besteht akuter Handlungsbedarf.
Wie Sie wissen, liegt es in der Hand von US-Präsident Biden und seiner Regierung, das Ermittlungsverfahren gegen Assange zu beenden. Wir begrüßen, dass Präsident Barack Obama im Jahr 2017 bereits die US-Whistleblowerin Chelsea Manning begnadigt hat und sie nun in Freiheit leben kann. Wir bitten Sie eindringlich, bei all Ihren Gesprächen in Washington dafür Brücken zu bauen, dass Julian Assange nicht länger in Haft bleibt und endlich freikommt.
Handeln Sie, nicht zuletzt zur Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland und Europa und damit zur Rettung eines zu Unrecht verfolgten Journalisten!Hochachtungsvoll und mit hoffnungsvollen Grüßen
Vielen Dank für den aktuellen Hinweis!
Die Forderung, Julian Assange endlich in Freiheit zu entlassen dürfte doch mit wertebasierter Aussenpolitik leicht zu realisieren sein. Die USA werden sicherlich gerne helfen, mit denen wir „unsere Werte“ stets teilen.
Da kann man lange darauf warten. Demokratie und rechtstaatlichkeit intressiert die USA nur wenn es Ihr nützt.
Die fundenralen Werte für Baerbock sind transatlantische Treue und ihre anschließende Jetset-Karriere in einem dortigen Think Tank.
Vergiss es
Zitat taz:
Als grüne Kanzlerkandidatin forderte Baerbock im September 2021 „die sofortige Freilassung von Julian Assange“. Doch als Außenministerin ignorierte sie monatelang Anfragen zu dem seit über vier Jahren in London inhaftierten Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks. Ein bis dahin ungekanntes Vorgehen eines Bundesministeriums. Der taz liegt jetzt die Antwort eines von Baerbocks Staatssekretären auf eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dağdelen vor. Sie zeigt, dass Baerbock wenig tut, um Assange im Kampf um die Freiheit zu unterstützen.
https://taz.de/Annalena-Baerbock-und-Julian-Assange/!5966758/
@netzpolitik: Dürfen wir auf einen Artikel mit „aus dem pdf befreit“ mit den ganzen Antworten hoffen?
Die kleine Anfrage ist online – da müssen wir jetzt nicht so viel befreien: https://dserver.bundestag.de/btd/20/089/2008966.pdf
Gesucht wird ein/e Nachfolger/in für Bill Richardson. Er verstarb Anfang dieses Monats. Richardson befreite mehrere US-Bürger aus nordkoreanischer Haft und viele andere aus den Krallen von Dispoten. Selbst im Ruhestand setzte er sich für die Freiheit von Gefangenen ein, die in politischer Geiselhaft gehalten wurden. Doch um Julian Assange zu befreien, war sein Leben zu kurz.
Vielleicht sollten die Damen und Herren zusätzlich zu ihren Unterschriften Herrn Assange in den dunklen Londoner Folter-Kasematten besuchen gehen.
Das dürfte den Tories kräftig genug auf die Nerven/Sack gehen, um Julian freizulassen.
Oder man erkennt an, dass hier Aufmerksamkeit erzeugt wird?
Ist doch ein Super Moment. Baerbock hat in verschiedenen Gruppen ein verschiedentliches Image, wird interessant, wie sie sich hierbei positioniert, oder ob sie mauert, usw. usf.
>> Vielleicht sollten die Damen und Herren zusätzlich zu ihren Unterschriften Herrn Assange in den dunklen Londoner Folter-Kasematten besuchen gehen.
In der Tat macht es einen Unterschied, ob man lediglich seine Signatur unter einen (von anderen geschriebenen) Text setzt, oder ob man selbst an das Gefängnistor klopft und einen Gefangenen-Besuch – nebst Freilassung fordert.
Ich finde, eine Unterschrift als „Promi“ zu leisten ist zu billig. Das hat sehr wohl den Anschein, sich selbst gefällig darzustellen. Hingegen hätten nicht nur die englischen Boulevards viel zu schreiben und zu filmen, wenn jede Woche zwei bis drei Personen der Öffentlichkeit Herrn Assange im Gefängnis besuchen würden. Der mediale Druck könnte nur unter Kosten ignoriert werden.
Hallo, Aktivismusforscher?
Aktivismus ermöglicht gerade anderen Menschen, nicht in Aktivismus zu verfallen.
Es sollen auf keinen Fall alle das gleiche tun, da man sich dadurch u.a. auch unnötig exponiert.
Ein Brief mit prominenten Untschriften zeichnet sehr wohl ein Bild, mit dem Gewicht all der Expertise, so denn vorhanden, der Unterzeichnenden. Es ist eines DER Mittel ünberhaupt, sich abseits von Abgeordneteanschreiben und Ansprechenwennmalmalbefragtwird selbst einzubringen, wenn man nicht die Zeit oder die expositionssichere Hülle hat, selbst hinzufahren.
Zudem ist ein Gefängnisbesuch durch einen „Prominenten“ zu fordern schon irgendwie schräg. Einige tun es ja konkret, und sie erreichen nicht mehr dadurch, es zu versuchen, wenn sie nicht als Zombiearmee antreten. Vermutlich würde bei den meißten ein Besuch abgelehnt. Vielleicht könnte eine „Delegation“ rein, da würde es dann gehen. Aber wenn wir mal nicht an Volksmusikpromis denken, sondern an Informatikprofessoren und Geschäftsführer o.ä., wird das schon von der Koordination her nichts.
> Zudem ist ein Gefängnisbesuch durch einen „Prominenten“ zu fordern schon irgendwie schräg. Einige tun es ja konkret, und sie erreichen nicht mehr dadurch, es zu versuchen, wenn sie nicht als Zombiearmee antreten. Vermutlich würde bei den meißten ein Besuch abgelehnt.
Ja, in die Richtung war es gemeint. Und ja, es sollte „schräg“ wirken. Diese Art von lästig-werden sollte man den Herren über die London Towers nicht ersparen.
Was Promis in diesem Fall anbelangt, empfehle ich die Lektüre von Gratisangst und Gratismut (Hans Magnus Enzensberger, 1961, Einzelheiten)
Klar wobei es eben schon zwei Knackpunkte sind:
– Wird es wirklich lästig, wenn nicht mehr PR draus wird? Von Innen kommt dort ziemlich wenig.
– Ist der größere PR-Hebel, „nicht lästig werden zu können“, oder im übetragenen Sinne Baerbock sich selbst abzuschießen zu lassen?
Ich will da nicht die Wahrheit vertreten o.ä., finde das nur historisch interessant…
Verhandler ABC:
a) Respect the other side.
b) Try to connect personally. Use sense of humor.
c) Let the other side save face.
Hat sich auch bei Amerikanern bewährt.
Thank you Bill!
Julian Assange kann jederzeit die Auslieferungshaft der englischen Behörden durch eine einfache rechtlich bindende Erklärung beenden und sich einem ordentlichen Gerichtsverfahren vor einen US-Bundesgericht stellen.
United States vs. Julian Assange würde sicherlich zum Prozess des Jahrhunderts, böte aber dem Herrn Assange die öffentliche Bühne, die er schon immer gesucht hat. Ein Medienspektakel sondersgleichen und am Ende wird eine Jury die Daumen heben oder senken.
Präsident Barack Obama konnte im Jahr 2017 die US-Whistleblowerin Chelsea Manning nur auf Grund eines ordentlichen Urteils begnadigen und Julian Assange würde dieser Weg natürlicherweise ebenfalls offen stehen.
Im übrigen ist hier auch kein Angriff auf die Pressefreiheit zu sehen, denn in diesem Prozess, wurden nun endlich mal die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt, die der investigativ arbeitende Journalist erfüllen sollte, um eine strafrechtrechtliche Verfolgung für die Zukunft auszuschließen.
Also Julian Assange sei der Held deines Lebens und dieser Epoche, die mediale Welt wird es dir ewig danken.
PS. Offene Briefe sind – da rechtlich nicht bindend – wie Dienstaufsichtsbeschwerden im allgemeinen > Form > Frist > Fruchtlos , geben den Unterzeichnern aber „das Gefühl“ etwas unternommen zu haben.
Was an dem Gesamtprozess bis hier kann man denn ordentlich nennen? Wie geht es wohl weiter?
Das ist keine Kette zufälliger Ereignisse.
@netzpolitik.org Chatgpt Propagandaposts als „Ergänzung“?
Pressefreiheitsprofis, Assange will Aufmerksamkeit, Haft egal, Verfahren „ordentlich“.
100% Provokation / Propaganda.
Oder Ironie, Sarkassmus, lustige Zusammenfassung der „netten Argumente pro Situation“ you name it. Weiß man nie so genau…
> sei der Held deines Lebens und dieser Epoche, die mediale Welt wird es dir ewig danken.
Die mediale Welt dankt nicht, sie profitiert. Und „ewig“ ist in diesem Kontext die Spanne zwischen zwei „Säuen“, die durch das mediale Dorf getrieben wurden.
Die Welt braucht mehr Personen wie Julian Assange um die dunklen Stellen in den Ländern auszuleuchten.
Wir sollten die Freiheit der öffentlichen Meinung ernst nehmen im Unterschied zu autokratischen Systemen.
> Die Welt braucht mehr Personen wie Julian Assange um die dunklen Stellen in den Ländern auszuleuchten.
Gegenwärtig leuchtet Julian Assange die dunklen Stellen in britischen Gefängnissen aus.
Folter und Isolationshaft sind die Vorwürfe im Jahr 2023, in einem demokratischen Rechtsstaat.
Hilft das ausleuchtende Licht den vielen anderen die sich in Abschiebehaft befinden?
Hat Licht und Empathie eine Reichweite?
Frau Baerbock und die Bundesregierung muss sich schon um Herrn Nawlny kümmern, irgendwo muss auch mal schluß sein.
Was kommt als nächstes? Soll Frau Baerbock auch noch die illegalen Angriffskriege der USA anprangern, die illegalen Drohnenmorde verurteilen oder die Schließung von Guantanamo Bay fordern? Wo kämen wir denn da hin?
Berlin: (hib/SAS) Die Bundesregierung verfolgt eigenen Angaben zufolge den Auslieferungsprozess gegen Julian Assange sowie die öffentliche Diskussion über den Fall „aufmerksam“ und „kontinuierlich“. Doch zum laufenden Verfahren sowie zu den Inhalten vertraulicher Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Regierungen äußere sie sich „grundsätzlich nicht“, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/8966) auf eine Kleine Anfrage (20/8572) der Fraktion Die Linke. Diese hatte darin den Umgang mit Assange sowie die Folgen für die Pressefreiheit in Deutschland thematisiert und sich unter anderem nach dem Einsatz der Bundesregierung für Freilassung und Nichtauslieferung des Journalisten und WikiLeaks-Gründers Assange erkundigt. Dazu hatte der Bundestag mit seinem Beschluss vom 7. Juli 2022 die Bundesregierung aufgerufen.
Die Bundesregierung verweist darauf, dass die Zuständigkeit für das Verfahren bei der britischen Justiz liege, deren Unabhängigkeit man achte. Die Bundesregierung habe zudem „keinen Zweifel daran, dass die britische Justiz rechtsstaatliche Prinzipien anwendet und die Menschenrechte achtet“, heißt es in der Regierungsantwort.
Quelle: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-974544
Link zur Antwort auf die Kleine Anfrage: https://dserver.bundestag.de/btd/20/089/2008966.pdf