GEMA-WucherStädte fürchten stille Nacht auf Weihnachtsmärkten

Mehrere Städte klagen über horrende GEMA-Rechnungen für die Beschallung von Weihnachtsmärkten. Auch Vereins- und Stadtteilfeste könnten betroffen sein. Nun schaltet sich der Deutsche Städtetag ein und will mit der Verwertungsgesellschaft verhandeln.

Menschen auf dem Weihnachtsmarkt.
Der Leipziger Weihnachtsmarkt 2022. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Christian Grube

Die Musikverwertungsgesellschaft GEMA hat die Preise für Musik auf öffentlichen Veranstaltungen massiv erhöht. So klagt die Stadt Bayreuth über einen 80 Mal höheren GEMA-Beitrag gegenüber dem Jahr 2019. Damals hatte die Stadt für die Beschallung des Weihnachtsmarktes noch 493 Euro gezahlt, nun hat die GEMA nach einem Bericht des Bayerischen Rundfunks für das Jahr 2022 eine Rechnung in Höhe von 40.000 Euro zugestellt.

Ulrich Pfeifer ist Rechtsreferent der Stadt Bayreuth. Er spricht von einer „missbräuchlichen Ausnutzung der Monopolstellung der GEMA“ und nennt die Forderungen „absurd“ und „unverschämt hoch“.

Auch andere Städte betroffen

Seit dem Frühjahr häufen sich Berichte von hohen Forderungen. Auch andere Städte berichten von massiven Erhöhungen, so etwa Meißen, Leipzig, Radebeul, Triptis oder Forchheim. In letzterem Fall erhöhte sich der Beitrag von 1.876 Euro auf mehr als 7.200 Euro.

Der Bayreuther Rechtsreferent Pfeifer geht davon aus, dass nicht nur Weihnachtsmärkte betroffen sein werden, sondern auch Vereinsfeiern und Stadtteilfeste. Mit der Erhöhung drohe ein Stück Kulturgut wegzubrechen, warnt Pfeifer. Denn sollte sich die Preisstruktur nicht ändern, könnten in Bayreuth nur noch GEMA-freie Songs gespielt werden oder die Musik ganz ausbleiben.

Die Städte haben mittlerweile den Deutschen Städtetag eingeschaltet, um gemeinsam gegen die GEMA aufzutreten. Gegenüber dem Bayreuther Tagblatt sagt die Verwertungsgesellschaft: “Wir verstehen die Ängste und Sorgen sehr gut und befinden uns aktuell in direktem Austausch und führen Gespräche mit dem Deutschen Städtetag”. Anfang September werde man Lösungen präsentieren, “um entstandene Härten abzufedern und für die Zukunft zu vermeiden”.

Als Verwertungsgesellschaft für Musik kümmert sich die GEMA um die Nutzungsrechte aus dem Urheberrecht und schüttet dabei erzielte Einnahmen unter anderem an Musiker:innen und Verlage aus, die Mitglied bei ihr sind. Die GEMA stand in der Vergangenheit immer wieder in der Kritik, unter anderem wegen ihres Verteilungsschlüssels, bei der bestimmte Musiker:innen und Verlage mehr profitieren oder weil sie auch bei politischen Demonstrationen Geld eintreiben will, wenn Musik gespielt wird. Sogar Kindergärten müssen Gebühren an GEMA zahlen, wenn dort urheberrechtlich geschützte Lieder gesungen werden.

Update 17:57:
Auf eine kurzfristige Presseanfrage von netzpolitik.org, welche Veranstaltungen noch von solchen massiven Erhöhungen betroffen sind, hat die GEMA nun geantwortet. Betroffen sind alle Veranstaltungen des Tarifes U-ST, dem „Tarif für Unterhaltungsmusik bei Bürger-, Straßen-, Dorf- und Stadtfesten und sonstigen Veranstaltungen, die im Freien stattfinden“. Die GEMA sagt gegenüber netzpolitik.org, dass die Tarifanpassung schon früher stattgefunden habe, wegen der Pandemie aber noch nicht gegriffen habe.

 

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26 Ergänzungen

  1. Dann stellt halt einen Fiedler stattdessen ein. Und in der nächsten Zivilisation regelt ihr das mit dem Urheberrecht und der Verwertung anders.

    Denn für die Kackmusik (90-95%) zahle ich wirklich ungerne zu viele Steuern…

    1. ich Frage mich, wie ich beispielsweise einem Kindergarten-Kind den Mund verbieten soll, wenn es doch die Lieder von Onkel Rolf auch Zuhause singen darf.
      Sobald ich vom erfolgreichen Versuch eines GEMA-Mitarbeiters höre, den 4-5-jährigen das zu erklären, befasse ich .ich noch einmal damit.

      1. Nun, „Onkel Rolf“ zwingt aber niemanden, seine Lieder auf Weihnachtsmärkten aufzulegen. Man glaubt es kaum – wenn man hier so die Kommentare liest, könnte man ja schon wieder denken, da seien finstere Musik-Mächte im Hintergrund am Werkeln und die freiheitliche Hörordnung sei in Gefahr -, aber es ist wirklich so: Die Veranstalter*innen von Volksfesten legen freiwillig GEMA-pflichtige Musik auf. Weil fast jede*r sie hören will. Und da geht es keineswegs nur um Mainstream.

        Warum sollen Urheber*innen nicht dafür bezahlt werden? Oder betreiben Sie einen Catering-Service und füttern die Kinder im Kindergarten um die Ecke schon seit Jahren für umme?

        Ich bin sowohl GEMA-Urheber, Musiker als auch regelmäßig an die GEMA zahlender Veranstalter. Und glauben Sie mir: Verglichen mit dem, was in dieser Branche für Werbung, Catering, Beleuchtung, was auch immer, ausgegeben wird, sind die GEMA-Gebühren lächerlich. Die Werbeagentur bekommt für den neuen Flyer selbstverständlich ein paar tausend EUR. Aber wenn die GEMA wieder mal das Geld für die Komponisten eintreibt, droht gleich wieder irgendwer damit, beim nächsten Mal Alice zu wählen, um es denen zu zeigen.

        Und, ja: Das Geld kommt am Ende bei den Urhebern an. Als weder A-, noch B-, noch C-, sondern eher Z-Promi-Komponist darf ich das mit Fug und Recht sagen. Als Kunde dürfen Sie mir glauben: Wenn wir demnächst schon wieder die Ticketpreise erhöhen müssen, hat das nichts mit der GEMA zu tun.

  2. Entstandende Härten… wollen ins Gespräch kommen… erinnert mich an Vergewaltigungsstories aus dem Internat…

    Da ist es auch wichtig ins Gespräch zu kommen, und intern auszuhandeln, nachdem es „zu einer Härte gekommen“ ist.

  3. Der Deutschen Städtetag sollte endlich die einzig sinnvolle Loesung umsetzen und eine Playlist mit urheberrechtsfreien Musikstuecken zu allen moeglichen Anlaessen kuratieren.

    Aber das waere ja im Sinne der Allgemeinheit, das koennen Politiker nicht mal mehr denken.

  4. Vielleicht könnte man diese Nummer ja auch gleich mal zum Anlass nehmen, endlich die (aus meiner Sicht verfassungswidrige) GEMA-Vermutung restlos abzuschaffen, welche der GEMA ermöglicht, auch für Musik Gebühren einzunehmen, die gar nicht bei ihr angemeldet ist, weil die Beweislast bei den Abgezockten und den Urhebern liegt; und die Gründung von alternativen Verwertungsgesellschaften in Konkurrenz zur GEMA zuzulassen, die bisher immer von den Patentämtern (ebenfalls m. E. verfassungswidrig) verhindert wurde.

  5. Danke GEMA für das Eintreiben von wirksamen Bussgeldern wegen Beschallung öffentlichen Raums mit kommerziellem Liedgut das viele Menschen genervt ertragen müssen.

    Wer knallige GEMA-Gebühren sparen will, könnte auch lokale Strassenmusikanten auf die Märkte schicken, die ihre Interpretationen von angemessener Stimmung live darbieten.

    1. Das lässt sich aber ohne den Gema-Wasserkopf viel günstiger haben. Einfach als klimaschädlich brandmarken, dann ziehen sich die Stecker so quasi von selbst!

      1. > Einfach als klimaschädlich brandmarken, dann ziehen sich die Stecker so quasi von selbst!

        Da muss nix „gebrandmarkt“ werden. Die sog. Weihnachtszeit sind die klimaschädlichsten Wochen des Jahres.

        1. Ha! Und warum lassen die Kids dann bei SUVs die Luft raus? Haben die was gegen die Forstbehörde? Und warum bei herumstehenden Autos? Herumstehende Autos verbrauchen doch gar nichts, die das bei fahrenden Autos machen.

          Wenn man die Umstände sowieso nicht prüft, kann man auch LKWs und Trecker mit reinnehmen, Polizeiautos und Panzer. Ohne Hirn lässt sich’s leichter „lüften“…

          1. Herumstehende Autos verbrauchen Platz, und das ist eine sehr wertvolle Ressource, die den Menschen zu einem lebenswerten Umfeld oft fehlt.

          2. „Herumstehende Autos verbrauchen Platz, und das ist eine sehr wertvolle Ressource, die den Menschen zu einem lebenswerten Umfeld oft fehlt.“

            Herumfahrende Autos brauchen viel mehr Platz ;). Aber mal im Ernst: Mobilität ist unabdingbar, im Moment. Hier und da ein bischen mehr oder wenig, kann man diskutieren, aber wir werden jetzt nicht ernsthaft Parkplätze auf 4 Meter beschränken, oder? Aus meiner sicht sind das ganz enge dumme Sichtweisen, wenn sich mit diesen Argumenten jetzt irgendwelche Aktionen gegen bestimmte Autos o.ä. begründen. Dann lieber schönes Grafitti auf den Lack (nicht das Fenster!), oder irgendwas mit Hirn. Man weiß einfach nicht, wen oder was man mit so einem Quatsch trifft, ähnlich wie beim Schusswaffengebrauch.

            Ein wesentlicher Bestandteil solcher Argumentation scheint zu sein, dass der Staat bei der Regulierung versagt, und der Bürger jetzt also durch andere Bürger zum Handeln zu zwingen sei. Ganz schlecht, siehe Schusswaffengebrauch – die Geschädigten werden sich dann auch bewaffnen, und nichts und wieder nichts wird erreicht, außer einer Spaltung in Gruppen. Hier wird ein Bärendienst zugunsten der Ölindustrie (und Waffen?) geleistet! Dabei macht die Technik und die Wissenschaft durchaus interessante Fortschritte, auch im Angewandten bzw. Richtung Serienreife, und wir sehen, wie Politikexperimente mit „Sachen ändern“ verlaufen: zunächst im Sand. Aber es muss ja nicht dauerhaft alles auf Silizium basieren ;)…

          3. Herumstehen vs. Herumfahren

            Was „lebenswertes Umfeld“ betrifft, ist Fahren doch viel schlimmer. Die Städte sind dann voll smog. Da könnte man froh sein, wenn es genug Platz gibt, um Autos stehen zu lassen. Man stelle sich eine Flotte autonom fahrender Carscharingfahrzeuge vor, die non-stop heruzmfahren, und nur zur Wartung auf Plätzen mit massiver Unterkapazität halten. Rechne mal einer aus, wie das so in München aussehen könnte.

            Und eine Großstadt ohne Mobilität? Ohne Flexibilität? Bei manchen ist das nicht der Teil mit „lebenswert“, die wollen da gar nicht leben, und verbitten sich, dass die Gesetzgebung sie mit solchen in einen Topf schmeißt.

            Und auf dem Land ohne Auto? Lustige Konzepte. Balanciert mal eines von beiden aus: Situation in der Zukunft und den Übergang da hin. Oder besser beides?

  6. „nur noch GEMA-freie Songs gespielt werden oder die Musik ganz ausbleiben.“

    Genau das müsste passieren! Nur so kann man sich gegen Wucher wehren! Und gerade in so einer Situation muss man auch drigend auf die Probleme des GEMA-Monopols und die Notwendigkeit von Wettbewerb hinweisen. Alternativen haben es schwer, aber z.B. die C3S versucht es trotzdem, mit einem Genossenschaftlichen Modell (https://www.c3s.cc/ueber-c3s/).
    Es wird leider doch den einen oder anderen Amts-Tölpel geben der trotzdem großzügig mit Steuergeld ist. Und sicher auch den einen oder anderen Deppen, der nach einem „Sonderfond Weihnachtsmusik“ vom Bund schreien wird.

    1. Ich dachte mir auch gerade: hoffentlich ist die Lösung nicht dass man einfach die Rechnung „verwischt“ damit niemand weiß wer genau den heidenteuren Spass am Ende bezahlen durfte (Spoiler-Alarm: es ist der Steuerzahlen. Egal ob auf Ebene von Stadt, Land, oder Bund.).

  7. Mit diesen [KRAFTAUSDRUCK] zu verhandeln setzt das falsche Signal. Einfach freie Musik verwenden und sich so verhalten, dass der GEMA möglichst viele Verwaltungs- und Gerichtskosten entstehen wenn sie einen belästigt.

      1. > Ja aber wenn es kein Last Christmas von Wham? ist, dann ist es doch kein Weihnachten mehr.

        Wenn die Glöckchen den Speichelfluss auslösen. Konsumenten auf dem Weihnachtsmarkt klassisch konditioniert wie Pavlov’sche Hunde.

        Meine Verachtung und schöne Weihnachten noch.

        1. „Pavlov’sche Hunde“ Die einen, Sultan&innen die anderen – denn die wollen nur duisch. Manch einer bleibt auch trinkend hängen, oder war vorher schon da…

    1. Ja, aber die GEMA ist nicht dumm.
      Sie müssen für jedes einzelne Lied nachweisen, dass die Rechte nicht von der GEMA wahrgenommen werden.
      Sie müssen das nachweisen. Nicht die GEMA.
      Invertiertes Recht halt. Staatlich gewollt.

      In der Praxix bedeutet das im Grunde, dass sie mit jedem Komponisten, Interpreten und Texter jeden gespielten Stücks in Kontakt treten müssen.
      Und die hätten damit megaviel Arbeit ihnen das zu bescheinigen. Darum werden die sich nicht melden. Brauchen die ja auch nicht.

      Genau so funkioniert das System.

      1. Falsch. Bei Abgabe einer korrekten Liedfolge prüft die GEMA das. Die Datenbank mit den bei der GEMA registrierten Werken ist öffentlich einsehbar. Googeln Sie einfach „GEMA Repertoiresuche“. Wer GEMA-Werke aufführt, zahlt, wer ausschließlich GEMA-freie Werke aufführt, zahlt nicht. So einfach ist das. Da muss man niemanden kontaktieren. Richtig ist: Auch, wenn ich nur GEMA-freie Werke aufführe, muss ich eine Liedfolge einreichen, bekomme am Ende aber eine Null-Rechnung.

  8. Wenn man gegen „unbekannte“ kommunale Ordnungen verstößt oder nach „unbekannten“ kommunalen Tarifen zur Zahlung herangezogen wird, der bekommt schon mal lakonische Sprüche zu hören wie: Unkenntnis schützt vor Strafe nicht.

    Ja, ja, liebe kommunale Verwaltungen. Schön, dass bei euch auch mal wegen Unkenntnis abkassiert wird. Und schön auch, dass ihr auch mal nachfühlen dürft, wie das wirkt.

    Schickt doch mal eure Rechtsreferenten zur Fortbildung zum Straßenfiedler. Den Menschen würde es gefallen.

    1. Träum‘ er weiter!

      Die spielen dann royalty free shitstery all day. Das ist noch schlimmer, allerdings oft ohne Singstimme. Oder ein findiger Heinreich schlonzt die Singstimme via Vocaloid 6 „Jetzt plötzlich KI!“ druff.

      Naja, ein mal ist das sicherlich ganz interessant…

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